Ökumene

Vaterunser - ein Gebet, das alle Christen verbindet

Jesus selbst hat den Menschen gelehrt, in den Worten zu Gott zu sprechen. Und doch war ein gemeinsames Beten unter Christen nicht immer möglich. Denn bis vor ein paar Jahren gab es noch Unterschiede.

Das Vaterunser-Gebet verbindet Christen. © VadimGuzhva - stock.adobe.com

Ökumenische Zusammenarbeit, zum Beispiel ein gemeinsam geplanter Gottesdienst, erfordert Fingerspitzengefühl. Vieles, was in der eigenen Konfession selbstverständlich ist, teilen andere Christen nicht. Ein Teil jedoch bietet nie Probleme: das Vaterunser. Es ist das einende Gebet schlechthin, schließlich ist es das Gebet, das Jesus selbst weitergegeben hat.

Ganz so unproblematisch war das gemeinsame Beten jedoch nicht immer. Erst 1968 wurde eine gemeinsame deutsche Textfassung des Vaterunsers in den katholischen und evangelischen Kirchen in Deutschland eingeführt. Die Textgrundlage dafür bietet das Matthäusevangelium. Im Lukasevangelium gibt es noch eine kürzere Fassung.

Bei der letzten Bitte, „erlöse uns von dem Bösen“, gab es vor der Einigung Unterschiede. Die deutsche und lateinische Fassung sowohl in der katholischen als auch in der lutherischen Tradition sprachen von „Übel“. Mit Blick auf den Urtext empfahl sich aber die Übersetzung „Böse“, die in reformierten Gemeinden üblich war. Während „Übel“ nur nach einer Sache klingt, gibt es sowohl das als auch den Bösen. Die nun geltende Übersetzung macht deutlich, dass es um eine Befreiung vom Bösen in all seinen Erscheinungsformen geht.

Lobpreis am Ende des Gebets

Gänzlich unterschiedlich wurde früher die sogenannte Doxologie, der Lobpreis am Ende des Gebets, gehandhabt: „Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“. Ein Gebet mit einem preisenden Schluss zu versehen, ist zwar verwurzelt in der biblischen Tradition – er stand jedoch ursprünglich nicht im Evangelium. Der Zusatz findet sich erst in späten Handschriften des Textes und auch in einer Gemeindeordnung, die um 100 nach Christus entstanden ist.

Entsprechend fehlt die Doxologie im römischen Messbuch von 1570, das bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil Grundlage für die katholische Liturgie war. Für evangelische Christen gehörte sie hingegen immer dazu. Luther stützte sich bei seiner Bibelübersetzung unter anderem auf das von Erasmus von Rotterdam herausgegebene Neue Testament, das den Lobpreis beim Vaterunser enthielt. Die gemeinsame Praxis begann nach dem Konzil, als die Doxologie auch Einzug in die katholische Liturgie erhielt. Die orthodoxe Chrysostomos-Liturgie kennt ebenfalls den lobpreisenden Abschluss, hier spricht ihn jedoch der Priester.

Herzstück der Bergpredigt

Eine Besonderheit gibt es noch in der katholischen Liturgie. Wenn das Vaterunser in einem Gottesdienst gebetet wird, enthält es den sogenannten „Embolismus“. Dieser Einschub wird nur vom Priester gesprochen und erbittet noch einmal besonders die Erlösung von allem Bösen. Die Sätze stammen eventuell bereits aus dem fünften Jahrhundert.

Der Evangelist Matthäus setzte das Vaterunser ganz bewusst in die Mitte der berühmten Bergpredigt. Dieses Gebet voll Urvertrauen soll als Herzstück des Textes zu erkennen sein. Hier zeigt sich verdichtet, um was es bei der Nachfolge Jesu geht: das ganze Leben in Gottes Hand zu legen, der ein liebender Vater ist. Dieses fundamentale Anliegen Jesu vereint die Angehörigen aller christlichen Konfessionen im Gebet. (Theresia Kamp, Theologin und freie Journalistin)

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme, dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute

und vergib uns unsere Schuld

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit, in Ewigkeit.

Amen.

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