Kirchengeschichte

Wie das heutige Glaubenbekenntnis entstanden ist

Das Große und das Kleine, am Stück aufgesagt oder in Form von Frage und Antwort vorgetragen - über das Glaubensbekenntnis gibt es einiges zu wissen. Auch, dass es bis auf die Apostel zurückgeht.

Ein Glaubensbekenntnis fasst die Überzeugungen einer Religion zusammen. © Win - stock.adobe.com

Religionsgeschichtlich betrachtet sind Glaubensbekenntnisse formelhafte Zusammenfassungen der grundlegenden Lehren und Überzeugungen einer Religion, in denen diese sich von anderen Religionen oder Häresien abgrenzt. Von einer bloßen Darstellung der Lehre unterscheidet sie freilich ihr Bekenntnischarakter. Insofern kommen im Credo der Glaube als Inhalt – fides quae – und der Glaube als Akt – fides qua creditur – zusammen. Das in kirchlicher Gemeinschaft gesprochene Bekenntnis bildet und festigt religiöse Identität und intendiert zugleich eine Grenzziehung im Blick auf die, die nicht zur Glaubensgemeinschaft gehören.

Zwei Versionen

Aus der Liturgie der heiligen Messe kennen wir zwei Versionen des Glaubensbekenntnisses (lateinisch Credo, griechisch Symbolon). Das kürzere und bekanntere heißt „Apostolicum“, weil es einer bereits im vierten Jahrhundert greifbaren – wenngleich legendarisch überhöhten – Tradition zufolge bis auf die zwölf Apostel selbst zurückgeht. Das „Große Glaubensbekenntnis“ wird seit dem 17. Jahrhundert korrekt „Nicaeno-Constantinopolitanum“genannt, weil es auf die Ökumenischen Konzilien von Nicaea im Jahr 325 und Konstantinopel 381 zurückgeht.

Beide Glaubensbekenntnisse haben ihre endgültige Form erst in längeren Entwicklungsprozessen gewonnen, die sich nicht mehr ganz eindeutig rekonstruieren lassen. Die Urzelle unserer trinitarisch strukturierten Glaubensbekenntnisse ist im Missionsbefehl Jesu zu suchen: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19).

Die Glaubensbekenntnisse sind Entfaltungen des Glaubens an diesen dreifaltigen Gott: den Vater, den Schöpfer und Erhalter der Welt; den Sohn, durch den die Welt und wir selbst Erlösung gefunden haben; den Geist, der die Gegenwart Gottes in der Kirche und in der Welt ist.

Bekenntnis der Taufbewerber

Kurzformeln des Glaubensbekenntnisses finden wir schon beim heiligen Apostel Paulus, zum Beispiel in 1 Kor 15,3ff oder im (vorpaulinischen) Philipperhymnus (Phil 2,6–11). Aus den ersten christlichen Jahrhunderten ist uns sodann eine Vielzahl unterschiedlich gestalteter Glaubensbekenntnisse überliefert. Dabei kann man unterscheiden zwischen deklaratorischen und interrogativ-dialogischen Formen, die beide heute noch in Gebrauch sind: Das Credo kann entweder in einem Stück aufgesagt werden, oder es wird in Form von Fragen vorgetragen, auf die eine zustimmende Antwort (zum Beispiel „ich glaube“) erfolgt.

So ist für das vierte Jahrhundert der Brauch bezeugt, dass den Katechumenen (Taufbewerbern) zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Weges das Glaubensbekenntnis „übergeben“ wurde, um es dann auswendig gelernt „wiederzugeben“ (traditio – reditio). Älteste Zeugnisse für die Taufliturgie zeigen, dass der Glaube von den Täuflingen erfragt, also dialogisch bekannt wurde.

Vieles spricht dafür, dass das Apostolicum sich über verschiedene Etappen aus einer älteren interrogativen Form der liturgischen Tauffeier entwickelt hat. Den endgültigen Text des Nicaeno-Constantinopolitanum dagegen verdanken wir einer anderen Entwicklung.

Ergebnisse der Konzile

Mit dem vierten Jahrhundert beginnt die Blütezeit synodaler und konziliarer Bekenntnisse. Diese zeigen sich stark beeinflusst von den theologischen Kontroversen und Häresien ihrer jeweiligen Zeit. Das erste, von Kaiser Konstantin dem Großen im Jahr 325 nach Nicaea einberufene Ökumenische Konzil ist vor allem berühmt wegen seiner christologischen Aussagen. Es verurteilte die arianische Irrlehre, der Sohn Gottes sei ein Geschöpf, und definierte die Wesensgleichheit (Homousie, Konsubstantialität) des menschgewordenen Sohnes Gottes mit dem Vater. Die um Vater und Sohn gruppierten Aussagen unseres Großen Glaubensbekenntnisses gehen im Wesentlichen auf das Symbolon dieses Konzils zurück.

Das Große Glaubensbekenntnis


Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. / Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. / Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. / Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden. / ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift / und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters / und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. / Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, / und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. / Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. / Ich erwarte die Auferstehung der Toten / und das Leben der kommenden Welt. / Amen.

Das Bekenntnis des Ersten Konzils von Konstantinopel weist hierin nur wenige Abweichungen zur nicaenischen Fassung auf. Es ergänzte die dem Heiligen Geist zugeordneten Aussagen, freilich ohne den späteren Zusatz des berühmt-berüchtigten „Filioque“.

Im Osten wurde das „Orthodoxe Glaubensbekenntnis“ seit dem Ende des fünften Jahrhunderts fester Bestandteil der Göttlichen Liturgie, im Westen blieb seine Verwendung auf die Eucharistiefeiern an Sonn- und Feiertagen beschränkt. Im deutschsprachigen Raum wurde das Nicaeno-Constantinopolitanum seit der Liturgiereform in der Eucharistiefeier leider zunehmend durch das kürzere Apostolicum verdrängt, sodass die in theologischen Höchstleistungen mühsam errungenen Formeln ihre Geläufigkeit mehr und mehr einzubüßen drohen.

Hymnisches Bekenntnis

Eine wunderbare hymnische Frucht hat das Nicaeno-Constantinopolitanum in der Präfation von der Heiligsten Dreifaltigkeit hervorgebracht:

In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken. Mit deinem eingeborenen Sohn und dem Heiligen Geist bist du der eine Gott und der eine Herr, nicht in der Einzigkeit einer Person, sondern in den drei Personen des einen göttlichen Wesens. Was wir auf deine Offenbarung hin von deiner Herrlichkeit glauben, das bekennen wir ohne Unterschied von deinem Sohn, das bekennen wir vom Heiligen Geiste. So beten wir an im Lobpreis des wahren und ewigen Gottes die Sonderheit in den Personen, die Einheit im Wesen und die gleiche Fülle in der Herrlichkeit. Dich loben die Engel und Erzengel, die Kerubim und Serafim. Wie aus einem Mund preisen sie dich Tag um Tag und singen auf ewig das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig …

(Michael Huber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München.)