Neuer evangelischer Landesbischof

Christian Kopp: Als Christ bist du nicht allein

Nach zwölf Jahren bekommt die evangelische Kirche in Bayern einen neuen Landesbischof: Christian Kopp löst Heinrich Bedford-Strom ab. Im Interview erzählt er von seinen Plänen und den Herausforderungen, die ihn erwarten.

Ab dem 1. November 2023 wird Christian Kopp als Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern vorstehen. © MCK/ELKB

mk online: Wenn Sie eine Sache nennen müssten, worauf Sie sich freuen, was wäre das?

Christian Kopp: Das sind auf jeden Fall die Begegnungen mit den Menschen, die ich genieße. Außerdem lernst du jeden Tag so viel Neues und auch so viel Interessantes kennen. Auch so viel Schwieriges, aber das liebe ich sehr. Und auch die Begegnungen mit unseren Mitarbeitenden. Da zu hören, was ist für sie wichtig und was können wir auch gemeinsam anschieben.

Zwölf Jahre war Ihr Vorgänger im Amt. Was wollen Sie denn anders machen?

Kopp: Ich und Heinrich Bedford-Strom haben eine schöne Freundschaft. Er hatte die Aufgabe eines Landesbischofs und die ist ja ziemlich klar definiert, was ein Landesbischof in einer evangelischen Kirche zu tun hat. Ich darf jetzt diese Aufgabe übernehmen, und das heißt ganz, ganz viel mit und für diese Kirche arbeiten und mit den Menschen hier viel bewegen. Und das steht im Vordergrund: das Gemeinsame. Und da wird ganz viel genauso weitergehen.

Sie haben aber doch bestimmt Schwerpunkte. Was möchten Sie bewegen?

Kopp: Heinrich Bedford-Strom hat in einer ganz anderen Zeit angefangen. Da waren unsere Gesellschaft und unsere Kirche in einer anderen Verfassung. Wir haben jetzt das Jahr 2015 hinter uns. Wir haben zwei Jahre einer schrecklichen Pandemie hinter uns. Das hat tiefe Spuren hinterlassen, tiefe Spuren in den Seelen, in den Herzen von den Menschen, in der Gesellschaft, aber natürlich auch bei unseren Mitgliedern und unseren Mitarbeitenden. Und deshalb steht jetzt an, sich genauer zu überlegen: Was ist unser Auftrag? Und der hat sich schon zugespitzt in der Corona-Pandemie. Und aus meiner Sicht heißt das Seelsorge. Sich um die Menschen kümmern, reden, zuhören, da sein für die Menschen, die Nöte haben, aber auch für die, die einfach nur reden wollen über das, was auf ihnen lastet. Außerdem: Tätige Nächstenliebe. Wir nennen es die Diakonie. Das ist selbstverständlich für die evangelische Kirche. Das weiter machen und vielleicht auch, wo es geht, ausbauen. Und natürlich dieses ganze Thema Spiritualität und Religionen erleben. Und das sind drei Schwerpunkte, die nicht nur ich, sondern viele andere in dieser Kirche jetzt sehen, in denen wir in den nächsten Jahren weiter machen wollen.

Sie haben schon Ihre Freundschaft zu Bedford-Strom angesprochen. Er war auch eng mit dem katholischen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx befreundet. Wollen Sie daran anknüpfen?

Kopp: Ich pflege gerne Freundschaften. Ich bin jetzt vier Jahre in München und da ist viel Vertrauen gewachsen zwischen dem Kardinal und mir. Wir sind uns erst am Samstag in Freising wieder freundlich begegnet. Das machen wir weiter so – unbedingt. In Bayern ist das Erzbistum München und Freising natürlich sehr wichtig für uns. Aber es sind auch andere Bistümer, mit denen ich natürlich versuche, Kontakte zu pflegen.

Wie sieht es generell mit der Ökumene in Bayern aus?

Kopp: Verschieden, würde ich sagen. Also für uns ist ökumenische Arbeit absolut unverzichtbar. Das war schon immer so, seit es unsere Landeskirche gibt. Und ich habe das in den letzten Jahren ja sehr betont, jetzt hier bei uns im Erzbistum und in unserem Kirchenkreis. Und das möchte ich auch gerne in Zukunft betonen. Ich glaube, eine Kirche ohne ökumenisches Engagement ist unvorstellbar.

Oft sagen konservative Katholiken, dass Reformbewegungen in der katholische Kirche gar nichts bringen würden, weil es in der evangelischen Kirche ja auch sehr hohe Austrittszahlen gibt. Stimmt das denn?

Kopp: Also das mit den Austritten stimmt. Da sitzen wir im gleichen Boot. Es ist einfach so, dass sich für Religion und auch für die christliche Religion weniger Menschen interessieren. Das sagen die auch. Also wir befragen die Menschen oft, und da sagen sie, dass sie einfach kein Interesse mehr an Religion haben. Aber traditionell war die Kirchenbindung bei katholischen Christinnen und Christen immer höher als bei evangelischen Christinnen und Christen. Wir haben zum Beispiel keine Sonntagspflicht, was die katholische Kirche sehr lange hochgehalten hat. Aber ich glaube, wenn man da mal jetzt die Leute befragt – wir haben jetzt eine große gemeinsame Befragung gemacht – und da scheinen die Ergebnisse in so eine Richtung zu weisen, dass die katholischen Christinnen und Christen doch sehr ähnlich zu den evangelischen Christinnen und Christen werden.

Gibt es also etwas, was die Katholiken von ihnen lernen können?

Kopp: Wenn wir voneinander lernen, dann bin ich immer glücklich, egal bei was. Wir lernen auch viel von unseren katholischen Geschwistern. Ich bin zurückhaltend bei irgendwelchen Lernempfehlungen. Das weiß jeder Mensch. Da muss man schon selber draufkommen, was für einen die richtige Lösung ist.

Sie sind Organisationsberater. Haben Sie denn so einen Masterplan für die evangelische Kirche schon in der Jackentasche?

Kopp: Selbstverständlich (lacht). Das war ein Witz. Ich bin ein Unternehmensberater, der aus der systemischen Beratung kommt. Und wir setzen auf die aktuelle Situation, auf das, was ist. Es gibt keine Masterpläne für die Zukunft. Das erleben wir doch alle gerade als Menschen total, wie keiner von uns – das ist eine tiefe These von mir – weiß, was in fünf Jahren ist. Es ist unglaublich unsicher, volatil, was wir gerade miteinander erleben. Und für die Kirche gilt es genauso. Ich weiß nicht, was in fünf Jahren in der evangelischen Kirche in Bayern an ganz Neuem begonnen hat oder wie die dann aussehen wird. Ich weiß, dass da weiter ganz motivierte Ehrenamtliche und Hauptamtliche arbeiten werden, dass weiter viele Mitglieder sagen werden: „Wir unterstützen euch bei eurer wichtigen Arbeit.“ Aber ich setze gerade als Organisationsberater darauf, dass die Menschen, die willig sind, die Lust haben, zu verändern oder sich anzupassen an das, was jetzt eben notwendig ist. Ich glaube, da ist was notwendig, gerade auch gesellschaftlich notwendig, dass die mit uns zusammen mit mir zusammen und vielen anderen diese Kirche gestalten werden, wie wir es in der Vergangenheit auch geschafft haben.

Also wollen Sie den Fokus auf die legen, die noch motiviert-aktiv sind in der evangelischen Kirche?

Kopp: Dort, wo Menschen Lust haben, da machen andere gerne mit. Das ist eine Binsenweisheit. Also dort, wo Menschen keine Lust haben, hat keiner Lust, sich zu engagieren. Deshalb brauchen wir natürlich motivierte Leute! Aber es ist natürlich so, Sie merken das an mir: Ich habe voll Lust. Ich find Kirche super und zwar egal welche Konfession, weil die so einen tollen Auftrag hat. Dort, wo ich jetzt arbeiten darf, da möchte ich ganz viele Menschen mitnehmen. Sie nicht motivieren, die müssen ja selber motiviert sein, aber sie unterstützen bei ihren Dingen. Und das ist ja das Schönste, was du als Christenmensch erlebst: Du bist nicht allein. Da sind ganz, ganz viele andere, die auch sehen, dass sich was verändern muss oder dass es große Herausforderungen gerade sind für jeden Einzelnen.

Freuen Sie sich denn auf das Amt?

Kopp: Das ist eine Mischung aus sehr, sehr großem Respekt und auch der Frage: „Wirst du das schaffen? Wirst du diese Aufgabe gut bewältigen können?“ Und schon auch eine Freude darüber. Also man trifft jetzt Menschen, die sagen: „Ich freue mich so, dass sie diese Aufgabe übernehmen.“ Und das ist natürlich schon viel Rückenstärkung, dass Menschen sagen, die Art und Weise, wie du Mensch bist und wie du auch als Mensch arbeitest in unserer Kirche oder für diese Organisation, das können wir uns richtig gut vorstellen. Das stärkt einen. Aber es ist eine Mischung aus verschiedenen Gefühlen. (Interview: Magdalena Rössert)