Über den Wechsel der Konfession

Beatrice von Weizsäcker schätzt katholische und evangelische Kirche

Beatrice von Weizsäcker wuchs im protestantischen Glauben auf und konvertierte zum katholischen Glauben. Was das mit Musik und Gemeinschaft zu tun hat und was sie an beiden Kirchen schätzt, erfahren Sie hier.

Beatrice von Weizsäcker © privat

Reden Protestanten über Katholiken, geht es häufig um Rom. „Die können ja gar nicht machen, was sie wollen. Der Vatikan bestimmt sowieso alles. Und dann der ganze Weihrauch und die Gewänder und immer nur Männer – na, ich weiß nicht.“ Sprechen umgekehrt Katholiken über Protestanten, geht es auch nicht immer freundlich zu. „Das ist doch alles sehr beliebig. Die predigen nur über Politik. Wo bleibt denn da Gott?“

In Wahrheit sind sich beide Konfessionen näher, als manche denken. Ich weiß das. Aus Erfahrung. Denn ich war mal evangelisch, und zwar gern. Und bin jetzt katholisch, und zwar gern. Das stößt hier und da auf Verwunderung, aber das macht nichts. In solchen Fällen würde ich den Leuten gern die Grabeskirche in Jerusalem zeigen. Dagegen ist das, was wir „Unterschiede“ nennen, eine Marginalie. Ich weiß nicht, wie viele christliche Strömungen dort vertreten sind. Ich weiß nur, dass jedes Mal, wenn eine Glaubensgemeinschaft im Allerheiligsten, also im Grab war, jemand kommt und den Raum mit sehr viel Weihrauch „ausräuchert“. Eine Gruppe, Weihrauch, nächste Gruppe. Aber: Man lässt sich in Frieden. Man lässt die anderen, wie sie sind. Man lässt ihnen ihren Glauben. Und es funktioniert.

Über die Musik zum katholischen Glauben

Da das mit der Grabeskirche schwierig ist, im Moment sowieso, erzähle ich halt von mir. Ich war gern evangelisch, weil ich die Freiheit mochte. Und die Predigten (wenn sie gut waren). Ich war lange Mitglied im Präsidium des Evangelischen Kirchentags, und es war immer eine große Freude, die Großveranstaltungen vorzubereiten. Selten habe ich ein Forum erlebt, bei dem so fair gestritten wird. So ernsthaft. So respektvoll, auch wenn verbal die Fetzen flogen. Ich erinnere mich mit Hochvergnügen an das Singen mit ungezählten Menschen, an die Posaunenchöre, an die Musik überhaupt. Und vieles mehr.

Erst in München entdeckte ich die katholische Kirche. Auch das hat mit Musik zu tun. Seit etlichen Jahren singe ich im Chor meiner jetzigen Pfarrei Christkönig in Nymphenburg. Einmal im Jahr singen wir ein großes Konzert, sonst bei allen wichtigen Anlässen im Gottesdienst von der Empore aus, als Teil der Liturgie. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Chor-Sonntag, als die Kommunion ausgeteilt wurde und ich, verunsichert, auf meinem Platz blieb.

Heimat in der Gemeinschaft

Es dauerte vielleicht dreißig Sekunden, da nahm mich ein Bassist an der Hand und sagte: Du gehörst dazu!
Dieses „Du-gehörst-dazu“ war vielleicht der erste Schritt zu meiner Konversion. Nie habe ich ihn bereut. Denn ich habe etwas gefunden, das es in meinem Leben bis dahin nicht gab: Heimat. Ich fand sie in der Gemeinschaft. Im Füreinander-da-Sein. Im Miteinander-Glauben. Beim Tränentrocknen und beim Lachen. Selbst im Ärger über das, was nicht geht, weil Rom es nicht erlaubt. Denn wir tun es trotzdem. Ich denke da an einen Valentinsgottesdienst, der Segen für alle anbot, für Menschen, die allein kamen, genauso wie für Paare. Ob verheiratet, geschieden, hetero oder gleichgeschlechtlich, der Gottesdienst war für alle offen. Es gab wunderbare Musik, sehr schöne Worte, große Luftballonherzen, kleine blaue Bändchen mit der Aufschrift „Dich schickt der Himmel“, den Segen – und der Pfarrer machte mit.

Ich mag, dass katholische Gottesdienste sinnlich sind. Dass man Gott sehen, hören, riechen und schmecken kann. Ich mag die Liturgie, die immer gleich ist, so dass ich sie überall auf der Welt verstehe, ob ich die Sprache des Landes nun spreche oder nicht. So bin auch in der Ferne daheim. Ich mag, dass katholische Gotteshäuser immer offen sind und zum Verweilen einladen.

Glaube bedeutet Staunen

Ich gehe oft in Kirchen, in solche, die ich kenne, genauso wie in die, die ich nicht kenne. Jedes Mal zünde ich eine Kerze an. Setze mich. Und staune. Denn mein Glaube ist Staunen. Es ist ein Staunen über Gottes schöne Welt. Ein Staunen über seine Schöpfung. Ein Staunen über die Menschen, die er mir zur Seite stellte. Es ist ein Staunen über die Fähigkeiten, die er den Menschen gab. Ein Staunen über die sakrale Kunst, die sie erschaffen. Ein Staunen über die Architektur, die sie meisterliche Kirchen bauen lassen. Ein Staunen über die Lieder, die wir singen, um Gott zu preisen. Welch guter Name ist darum der für das katholische Gesangbuch: Gotteslob.  

Natürlich rege ich mich auch auf. Über die rückwärtsgewandte Kirchenpolitik, die aus dem Vatikan kommt und die manche Bischöfe in Deutschland nur allzu gern nachbeten. Aber sie berührt nur meinen Kopf. Nicht mein Herz. Es käme mir nicht in den Sinn, aus der katholischen Kirche wieder auszutreten. Was wären denn die Folgen? Erstens verlöre ich meine Heimat. Zweitens ließe ich all jene Priester im Stich, die so viel Gutes bewirken, vor allem die jungen. Drittens überließe ich den Hardlinern das Feld. Und das kommt nicht in Frage. Auf keinen Fall.
Der Ökumene wünsche ich die Gelassenheit der Glaubensgemeinschaften in der Jerusalemer Grabeskirche. Die gute Laune der evangelischen Kirchentage und die protestantische Freiheit, die Dinge beim Namen zu nennen, auch wenn sie unbequem sind. Ebenso das katholische Gemeinschaftsgefühl, die immer offenen Gotteshäuser und die Liturgie, die von der Tiefe des Glaubens zeugt. (Beatrice von Weizsäcker, Juristin und Autorin)

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Das »Vater unser im Himmel« - kein Gebet ist uns vertrauter und zugleich doch so fremd. Beatrice von Weizsäcker fragt sich: Was bedeuten eigentlich die ganzen Bitten? Was heißt: dein Reich, dein Wille, unser tägliches Brot? Wie ist das mit der Schuld? Kann ich vergeben? Nicht eine lässliche Sünde, sondern meinem ärgsten Feind? Muss ich es gar, weil Gott mir sonst nicht vergibt? Schaffe ich es, nicht in Versuchung zu geraten? Glaube ich an Erlösung? Was ist überhaupt »das Böse«? Mit anderen Worten: Glaube ich, was ich bete? Wort für Wort legt sie das Vaterunser auf die Goldwaage. Dabei entdeckt sie, dass das Gebet ein Gebet der Sehnsucht ist, ihrer Sehnsucht. Es ist die Sehnsucht nach Heimat, Gnade, Heilung und Heil, die Sehnsucht nach Gott. Ein persönliches Buch, das mit viel Offenheit, Faszination und Sprachwitz dazu herausfordert, die vertrauten Worte des Vaterunsers neu zu entdecken.

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