St. Ottilien – Die Wurzeln der monastischen Tageszeitenliturgie sind uralt und gehen bis in die jüdische Tradition zurück. Im Neuen Testament lesen wir, dass sich die Apostel – die selbst Juden waren – zu unterschiedlichen Tageszeiten zum Gebet versammelten. Für die Entwicklung der Tageszeitenliturgie im lateinischen Westeuropa ist allerdings der um 480 in Umbrien geborene heilige Benedikt von Nursia ausschlaggebend.
Wenn um 5.40 Uhr die Glocken von St. Ottilien in die frühe Morgenstunde hinaushallen, versammelt sich die klösterliche Gemeinschaft zu ihrer ersten Gebetszeit, zur Vigil und zu den Laudes. Einst als Nachtwache praktiziert, haben sich die Vigilien im Lauf der Geschichte auf die Zeit vor Sonnenaufgang verlagert, sodass die Laudes, das eigentliche Morgenlob, bei Sonnenaufgang gebetet werden können. Der heilige Benedikt von Nursia, auf dessen Regel sich die Benediktiner seit 1.500 Jahren berufen, legte größten Wert darauf, dass in den Laudes der österliche Glaube präsent wird: Wie die Sonne hinter dem Horizont aufgeht, so geht Christus für uns auf. So sind auch die Psalmen aufgebaut: Königspsalmen, Bußpsalmen und ein Halleluja-Psalm zum Abschluss.
Mit Gewinn in die Eucharistie
Die Tageszeitenliturgie ist Psalmengebet. Benedikt legte in seiner Regel fest, dass in einer Woche alle 150 Psalmen gebetet werden sollen. In St. Ottilien beten die Mönche die Psalmen auf zwei Wochen verteilt, sodass das „Pensum“ praktikabel bleibt. Nach den Laudes folgt eine Lesezeit von knapp zwanzig Minuten bis zum Konventamt, der Eucharistiefeier der Mönche. In der Lesezeit werden die Texte des Evangeliums meditiert, damit man mit Gewinn die Eucharistie begehen kann. Zu Benedikts Zeiten nur einmal am Sonntag, feiern wir inzwischen täglich die Heilige Messe als Höhepunkt des Tages, indem des erlösenden Kreuzesopfers und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus gedacht wird. In der Eucharistie feiert die klösterliche Gemeinschaft mit der ganzen Kirche das Geheimnis unseres Glaubens, das in der Kommunion mündet und uns Christus als Anfang, Mittelpunkt und Ziel aller Berufung stellt.