Bitten an Gott

Wieso werden meine Gebete nicht erhört?

Unterstützung bei Wettkämpfen, Erfolg bei der Jobsuche, Heilung von Krankheit – Auch wer noch soviel betet, macht die Erfahrung, dass Gott kein Wunscherfüller ist. Was bringt also das Beten?

Das Bild von „Gott als Wunscherfüller“ hält Pfarrer Stefan Maria Huppertz für hochproblematisch. © VectorMine - stock.adobe.com

Es wäre doch himmlisch, wenn das auf Erden so wäre! Fast so wie beim Fahrkartenautomaten: Ich werfe neun Euro ein und dann kommt mein Ticket raus, mit dem ich einen Monat unbeschwert unterwegs sein kann. Heute bestellt, morgen geliefert …

Ähnlich romantisch klingt der Satz aus dem Matthäus-Evangelium, der schon beinahe ein einklagbares Garantieversprechen abbildet: Wenn wir Gott bitten und beten, werden wir es erhalten.

Gott als Wunscherfüller

Das deckt sich wohl kaum mit der Lebens- und Gebetserfahrung vieler Menschen. Und doch besteht weithin der Wunsch, Gott als den Wunscherfüller zu sehen. Gott soll der sein, der auf uns Menschen achtet und aufpasst. Gott soll beschützen, lenken, führen, Frieden schaffen, Ehen retten, Krebs besiegen, Enkel durchs Abitur bringen, Arbeitsplätze sichern und noch vieles mehr.

Das ist hochproblematisch. Denn was ist denn, wenn ich mich im Gebet so bemüht habe, meine Wünsche möglichst genau zu formulieren, vielleicht Gott sogar etwas verspreche und dann feststellen muss, dass es nicht funktioniert hat. Ist dann etwas an diesem Automatismus kaputt? War mein Anliegen irgendwie falsch?

Beten für Benefits im endlichen Leben

Gelegentlich sagen Menschen dann: Wer weiß, wozu es gut war. Gott wird es schon wissen. Das finde ich zynisch und oft genug nahezu widerlich. Was soll bitte daran gut sein, wenn das Kind den Kampf gegen die Krankheit verliert und stirbt, obwohl Eltern und Großeltern so gebetet haben?! Hier mit dem unerklärlichen Willen Gottes zu argumentieren, mag zwar ergeben-fromm klingen, zeigt jedoch ein Bild von einem Gott, mit dem ich persönlich nichts zu tun haben wollte.

Und doch, so vielen gegensätzlichen Gebetserfahrungen zum Trotz, wird das Wort aus dem Matthäusevangelium oft genug als Begründung für Glaube und Gebet herangezogen. Klingt es doch so, als müsse der Glaube an den ewigen Gott mit Benefits im endlichen Leben begründet werden. Das nimmt den Menschen nicht ernst. Das nimmt Gott nicht ernst. Wir glauben an Gott, weil er Gott ist; nicht, weil wir dann besser durch die Prüfung kämen oder unsere Lieben gesundbeten könnten.

Die Kraft des Gebetes

Glaube und Gebet drücken ein unverzwecktes Beziehungsgeschehen aus. Zeichen der Zugehörigkeit, der Liebe und des Vertrauens, die wir auch aus anderen Beziehungen kennen. Der Mann, der seiner Frau nur Rosen mitbringt, damit diese mal wieder sein aufwendiges Lieblingsessen kocht, schenkt nicht mit freiem Herzen. Und eine Frau, die sich auf solche Spielchen einlässt, nimmt und gibt auch nicht mit freiem Herzen. Ein Geschenk sollte äußerer Ausdruck einer inneren Verbundenheit sein. So auch das Gebet. Gebet sollte wenig magisch, sondern sehr pragmatisch verstanden werden.

Und doch: Auch ich glaube an die Kraft des Gebetes. Ich glaube, dass das Gebet mein Herz öffnen, mein Handeln prägen kann, meiner Gottesbeziehung gestalterische Kraft in meinem Leben, Handeln und Umfeld zu geben vermag.

Mein Leben ins Gebet bringen

Im siebten Kapitel des Matthäus-Evangeliums geht es vornehmlich um das Handeln des Menschen. Er soll nicht richten, soll den Splitter im eigenen Auge gut im Blick haben, möge das Heilige heiligen, solle beten, geben, Verantwortung für sich und andere übernehmen, sich um den rechten Weg bemühen, den Willen des Vaters tun, Gutes aufnehmen und Gutes weitergeben, auf Stabilität achten.

Das ist herausfordernd und anstrengend. Im Gebet bin ich mit mir selbst in Kontakt. So nehme ich wahr, was die Themen, Fragen, Sorgen und Hoffnungen meines Lebens und meiner Zeit sind. Indem ich all das ins Gebet bringe, halte ich meine Sehnsucht nach dem Guten und Wahren wach. Ich signalisiere mir und Gott, dass ich mit ihm rechne und er für seinen Heilsplan mit mir rechnen darf. Dadurch verändert sich womöglich das Angesicht der Welt, dadurch wird tatsächlich Wirklichkeit neu. Gebet hat Bedeutung. Gebet gibt Gott und Mensch Möglichkeiten. Alles ohne Gewähr. Wie sonst im Leben auch. (Pfarrer Stefan Maria Huppertz, Leiter des Pfarrverbands München West)

Das Matthäus-Evangelium


Das Evangelium nach Matthäus stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Apostel Matthäus. Die Bibelforschung geht heute von der sogenannten „Zwei-Quellen-Theorie“ aus: Das älteste im Neuen Testament enthaltene Evangelium ist das des Markus. Sowohl Matthäus als auch Lukas orientieren sich an seiner Darstellung und übernehmen viel von ihm. Gleichzeitig haben die beiden noch eine zweite Quelle: Eine uns heute nicht mehr erhaltene Sammlung von Worten Jesu – die sogenannte „Spruchquelle Q“.

Zusätzlich gibt es bestimmte Episoden, die sich nur bei Lukas oder nur bei Matthäus finden; hier spricht man von „Sondergut“. Das Markus-Evangelium entstand wohl um 70 nach Christus, das Evangelium nach Matthäus wohl etwa zehn Jahre später. (bb)