Corona-Pandemie

Wenn die Oma im Pflegeheim stirbt

Die Besuchsbeschränkungen während der Corona-Pandemie haben der Großmutter von Notfallseelsorger Andreas Steinhauser im Pflegeheim schwer zu schaffen gemacht. Auch für den Enkel war es nicht leicht mitanzusehen, wie seine Oma immer mehr abbaute.

Auch für den Notfallseelsorger war der Umgang mit dem Tod der Großmutter belastend. (Symbolbild) © imago images/epd

München – Unter den strengen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus leiden in dieser für uns alle schweren Zeit vor allem die Alten und Kranken. Lange durften Menschen, die im Pflegeheim wohnen, keinen Besuch empfangen, und das Pflegepersonal begegnet ihnen bis heute mit Schutzkleidung. Wie groß die Belastung für die Betroffenen, aber auch für deren Angehörigen ist, hat Notfallseelsorger Andreas Steinhauser im engen familiären Umfeld erfahren: seine geliebte Oma ist kürzlich im Pflegeheim verstorben.

Trotz ihrer Querschnittslähmung war Steinhausers Großmutter immer ein Mittelpunkt der Familie. Seine Eltern haben die alte Dame bis zu den Ausgangsbeschränkungen jeden Tag besucht, das Essen eingegeben, hatten ein offenes Ohr für sie und diskutierten mit ihr zum Beispiel über Politik. Sogar ins Theater oder in den Gottesdienst gingen sie mit ihr.

Tägliche Ansprache fehlte

Doch mit Beginn der Corona-Pandemie war das alles plötzlich nicht mehr möglich. Auf einmal wurden die alten Leute zu ihrem eigenen Schutz von der Außenwelt abgeschirmt und konnten nicht mehr selbst entscheiden, wann sie Besuch empfangen. Dramatisch wurde es, als pro Woche nur ein Besucher eine Stunde lang zu ihr kommen durfte. Der fehlende persönliche Kontakt zu ihren Liebsten hat der Seniorin schwer zugesetzt. Steinhausers Mutter war die einzige, die die Oma noch besuchen durfte. Sie merkte schnell, dass ihre Mutter stark abbaute, denn ihr fehlte die tägliche Ansprache, die Behandlungen und die Anwendungen mit den anderen Senioren. Auch ein Tapetenwechsel hätte ihr gutgetan, doch sie durfte sich nur in ihrem Einzelzimmer aufhalten.

Und selbst wenn Oma Steinhauser mal Besuch empfangen durfte, nichts war wie zuvor. Denn plötzlich durfte man sich nicht mehr umarmen und die Angehörigen mussten Schutzkleidung tragen. "Wenn die nächsten vertrauten Personen, die sonst ganz viel Körperkontakt schenken, in solchen Anzügen kommen müssen, ist das gerade für Senioren besonders schwierig", so Andreas Steinhauser. Für die Oma und ihre Familie eine schwere Zeit. Im Juli zeichnete sich ab, dass sie ihren letzten Weg gehen würde. Sie verlor ihre Lebensfreude, auch wenn in ihren letzten Tagen mehr Angehörige zu ihr kommen durften.

"Habe ich alles richtig gemacht?"

Auch für den Notfallseelsorger, der den Umgang mit Trauer gewöhnt ist, war das eine belastende Situation. "Als diese letzte Woche anbrach, ist alles auf mich eingebrochen. Beim ersten Blick auf sie konnte ich spüren, wie stark sie abgebaut hat", erzählt der Seelsorger. Gerade weil er so viele Menschen beim Sterben begleitet hatte, dachte er, es falle ihm leichter, mit dem Tod seiner Großmutter umzugehen. Doch er macht sich heute noch Vorwürfe, dass er sie nicht zumindest am Fenster besucht hat. "Habe ich alles richtig gemacht?", diese Frage beschäftigt ihn immer noch. Hier müssen Wege geschaffen werden, um die Würde der alten Menschen zu bewahren und sie bei allem nötigen Schutz nicht vereinsamen zu lassen. (Maximilian Lemli)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie