Zum 125. Geburtstag

Weltberühmte Bauernmagd aus Bayern: "Resl von Konnersreuth"

Eine Bauernmagd aus der Nordostecke Bayerns brachte es in den 1920er Jahren zur Weltberühmtheit: durch Visionen vom Leiden Christi und ein angeblich nahrungsloses Leben. Das machte Hollywood neugierig - und die Nazis.

Therese Neumann, genannt "Resl von Konnersreuth", in Konnersreuth. © KNA-Bild/KNA

Ihre Geburt fällt auf den 8. oder 9. April 1898. Vor oder nach Mitternacht, da sind sich das amtliche Geburtsregister und ihre Mutter nicht ganz einig. Auch über weitere Lebensumstände der ältesten Tochter eines oberpfälzischen Schneiders gehen die Meinungen auseinander. Die Rede ist von der "Resl von Konnersreuth".

Lange konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf rätselhafte Phänomene wie das plötzliche Auftreten von Wunden an ihrem Körper. In Ekstase durchlebte sie dann das Leiden Christi. In Visionen soll sie seine Sprache gesprochen haben, Aramäisch. Jahrzehntelang, so heißt es, habe sie nichts anderes zu sich genommen als täglich eine geweihte Hostie.

Hollywood war interessiert an "Resl von Konnersreuth"

Als die wundersamen Vorkommnisse ab 1926 regelmäßig auftraten, setzte eine internationale Wallfahrtsbewegung nach Konnersreuth ein. Starregisseur Max Reinhardt plante einen Hollywood-Film über das "Miracle girl" mit US-Schauspielerin Lillian Gish, einem der größten Leinwandstars der Stummfilmära. Ärzte, Theologen und Journalisten nahmen sich der Prüfung der Echtheit an, führten Beweise und Gegenbeweise an. Die Kontroverse füllt ein Bücherregal.

Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Aspekt im Leben der "Resl", die Verbindung von Mystik und Politik. Obwohl sie nur über eine einfache Volksschulbildung verfügte, versammelte die Bauernmagd Ende der 1920er Jahre einen Intellektuellenzirkel um sich und inspirierte ihn zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten. "Helfen wird's ja nichts, aber ihr müsst es tun", gab sie ihren Freunden mit auf den Weg.

Vom Skeptiker zum Verteidiger der "Resl" - Publizist Fritz Gerlich

Einer von ihnen, der Münchner Publizist Fritz Gerlich, war 1927 nach Konnersreuth gefahren, um den vermeintlichen Schwindel aufzudecken. Unter dem Eindruck der Begegnung mit Therese Neumann verwandelte er sich zu einem ihrer glühendsten Verteidiger. Der Calvinist konvertierte zum katholischen Glauben. Mehr noch: Wichtige Lebensentscheidungen traf er fortan nicht mehr, ohne die "Resl" zu befragen. In ihren Antworten glaubte er die unmittelbare Stimme Gottes zu vernehmen.

Auf ihr Geheiß hin ritt Gerlich mit seiner Wochenzeitung "Der gerade Weg" bald scharfe verbale Attacken gegen die Nazis. Die verhafteten ihn noch am Tag ihrer Machtübernahme in Bayern und ermordeten ihn im Sommer 1934. Der "Resl" passierte nichts. Warum nicht?

Ihr Großneffe Johann Härtl hat über seine bekannte Verwandte 2022 ein Buch geschrieben. Er ist, wie viele in der Familie, überzeugt: Seine Großtante stand gleichsam unter einem doppelten Schutzschirm. Ihre internationale Bekanntheit habe sie unantastbar gemacht - und der Aberglaube Adolf Hitlers.

Dass die Neumanns erklärte Nazigegner waren, ist historisch belegt. Es gab Hausdurchsuchungen, Berichte der örtlichen Gendarmerie an die politische Polizei, bis hinauf ins Reichspropagandaministerium nach Berlin.

"Fake News" über den Tod von Therese Neumann

1935 und 1939 finden zwei Falschmeldungen internationale Beachtung. In der ersten heißt es, Therese Neumann sei verhaftet und für fünf Tage im KZ festgehalten worden. Sie habe in einer Vision vorausgesagt, "daß das jetzige Regime in Deutschland acht Jahre währen werde". Vier Jahre später wird kolportiert, die "Resl" sei von den Nazis ermordet worden.

Bei beiden Meldungen ist der Urheber unbekannt, aber sie machen die Runde. Die von "Resls" angeblichem Tod kursierte mindestens neun Monate lang um den Globus. Härtl hat vom 22. Juli 1939 bis 29. April 1940 insgesamt 28 Artikel dieses Inhalts in Zeitungen ausfindig gemacht, in Polen und Holland, aber auch in Brasilien, Algerien, Indonesien und Neuseeland.

Härtl vermutet, dass die Nazis diese "Fake News" selbst in die Welt gesetzt haben, zu Testzwecken: "Um festzustellen, welches Aufsehen eventuelle Maßnahmen gegen die Resl erregen würden". Zugleich habe Hitler persönlich die Hand über sie gehalten - aus Angst vor ihren geheimnisvollen Kräften. Das klingt nach einer kühnen, kaum belegbaren These.

Verfahren zur Seligsprechung läuft

Wäre da nicht ein Indiz, das der Großneffe im Staatsarchiv in Amberg entdeckt hat. In einem Schreiben der Gestapo vom 8. Juni 1942 aus Regensburg heißt es: In der Stadt laufe ein Gerücht um, wonach der Krieg sechs Wochen nach dem Tod der Therese Neumann zu Ende gehe. Das habe sie selbst so prophezeit. Die Geheime Staatspolizei fordert einen Bericht aus Konnersreuth an: Stimmt das mit dieser Weissagung? Und man bittet hinsichtlich der "Resl" um "Angabe, ob sie bereits verstorben ist, wenn nicht, ob sie Andeutungen über einen nahen Tod gemacht hat".

Therese Neumann starb am 18. September 1962 in ihrem Geburtsort. Ihr Grab ist stets mit Blumen geschmückt. Eine Votivkapelle kündet von unzähligen Gebetserhörungen. Seit 2005 läuft ein Seligsprechungsverfahren. (kna)

Buchtipp

Härtl, Johann: Resl von Konnersreuth

Der Autor - ein Großneffe - geht auch auf das normale Leben der Resl und ihren Alltag ein, auf die Belastungen durch die Besuchermassen und die Versuche, durch Film, Theater, Postkarten mit ihr Geschäfte zu machen.

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