Kerzenkunst

Vom Nebenjob zur Berufung: Claudia Slanzi verziert Kerzen

Als Claudia Slanzi erfuhr, dass ihr Chef seinen Laden, den Wachszieher am Dom, nach 160 Jahren schließen muss, war sie verzweifelt. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Jetzt eröffnet sie ihr eigenes Geschäft in der Münchner Innenstadt.

Claudia Slanzi sieht sich als Künstlerin. Sie gestaltet Kerzen ganz individuell. © SMB/Lemli

„Con passione!“ – Mit Leidenschaft verziert Claudia Slanzi Kerzen, ganz auf die Wünsche ihrer Kunden zugeschnitten. Die 46-Jährige sieht sich als Künstlerin. Für ihr Studium ging die gebürtige Südtirolerin an die Kunstakademie von Bologna, dann kam sie nach München. 19 Jahre lang arbeitete sie bei Franz Fürst, dem Wachszieher am Dom. „Eigentlich suchte ich nur einen Nebenjob und habe als Aushilfe angefangen. Ich hätte nie gedacht, dass ich dort so lange bleiben würde“, erinnert sie sich. Damals wollte sie einfach nur Erfahrungen sammeln und neue, filigrane Verzierungen anbieten. Doch aus dem Nebenjob wurde eine Berufung.

Kerzen für jeden Anlass

Als sie erfuhr, dass ihr Chef seinen Laden nach 160 Jahren aufgeben muss, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde, war die Kerzenkünstlerin verzweifelt. Doch dieses Gefühl hielt nur kurz an – schnell wurde ihr klar: „Es muss doch weitergehen!“ Nach langer Suche fand sie ihr Geschäft in der Sendlinger Straße. „Cera Kerzen“ hat sie es genannt, schließlich ist „cera“ das lateinische Wort für „Wachs“. In dem geräumigen Verkaufsraum hat sie feinsäuberlich Kerzen zu allen Anlässen ausgestellt: Geburtstag, Taufe, Kommunion, Hochzeit und Trauerfall. Auch für die kirchlichen Hochfeste Weihnachten und Ostern bietet Slanzi Kerzen an. Daneben gibt es Duftkerzen, handgezogene und Kerzen aus Bienenwachs. Fast alle bezieht sie von ihrem ehemaligen Chef Franz Fürst. „Besonders beliebt ist die Kerze der Patrona Bavariae“, erzählt die Geschäftsinhaberin – und schon betritt ein Kunde den Laden, der genau diese Kerze kauft und bald mit seiner Frau vorbeikommen will, um die Osterkerze auszusuchen.

Wünsche der Kunden im Vordergrund

Besonders wichtig ist es Slanzi, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen: „Viele wollen etwas Besonderes. Manche bringen konkrete Ideen oder sogar eine Vorlage aus dem Internet mit.“ Ihre Aufgabe sei es, herauszufinden: „Wie tickt mein Kunde?“ Dann fertigt sie eine Zeichnung an, wie sie sich das Endprodukt vorstellt, und entscheidet, mit welchem Material sie arbeiten will: Wachsblatt, Wachsstreifen, Feuer und Skalpell stehen zur Verfügung. Besonders fallen die Kerzen ins Auge, in die Blüten eingearbeitet sind.

An einer Sonderanfertigung arbeitet Slanzi drei bis vier Stunden: „Schnell, aber genau“ lautet dabei die Maxime. Sie nimmt lieber weniger Aufträge an, die sie dann aber möglichst gut erfüllen will. Immer wieder betont sie, dass sie alles selbst mache und jede Kerze ein Unikat sei. Ihre Kunden danken es ihr: „Die Leute freuen sich, dass es sowas noch gibt, und sind von der Qualität überzeugt.“ Manche wollen die Verzierungen sogar selbst vornehmen. Ihnen bietet sie spezielle Vorlagen zum Basteln an.
 

Kunden eint Spiritualität

Zu ihren Kunden zählen sowohl Christen als auch Muslime und Freidenker: „Alle haben eine gewisse Spiritualität gemeinsam“, meint Slanzi. Ihr persönliches Lieblingssymbol ist der Lebensbaum: „Der sagt doch alles, schließlich hat er eine starke spirituelle Bedeutung und man kann ihn zu jedem Anlass verwenden. Manche Menschen, die einen Trauerfall haben, wollen sich mit etwas Positivem an den Verstorbenen erinnern. Da ist der Lebensbaum wunderbar geeignet.“

Auch wenn der Umzug mit viel Stress verbunden war, ist die Kerzenspezialistin glücklich über den neuen Laden: „Ich mag die Sendlinger Straße, hier ist eine gute Energie.“ Es seien sogar schon Freundschaften zu den Nachbarn entstanden. Slanzi weiß, dass sie eine Marktlücke bedient. „Natürlich sind Kerzen aus dem Internet günstiger, aber viele wollen eine Kauferfahrung im Laden haben und sich austauschen.“ Sie hofft, dass sich das bezahlt macht.

Zwischen Vorfreude und Selbstzweifeln

Doch bei aller Vorfreude plagten die Geschäftsführerin auch Selbstzweifel: Schaffe ich das, so viel Verantwortung?
Kommen genug Kunden? Das führte sogar zu Panikattacken, obwohl sie an die Kunden vom Wachszieher Postkarten mit der Aufschrift „Es geht weiter!“ verteilt hatte und viele Stammkunden versprachen, ihren Laden zu besuchen. Schließlich stehen Ostern und die Erstkommunion vor der Tür.

Licht in dunklen Zeiten

Als sie gerade dabei war, den Rest beim Wachszieher am Dom zusammenzupacken, erreichte sie Ende Dezember ein Anruf aus dem Münchner Liebfrauendom: „Die Kerze, die ich 2006 zum Besuch von Papst Benedikt XVI. verziert hatte, war beschädigt. Ich sollte sie reparieren, weil es dem Papst nicht gut ging.“ Eigentlich war sie vollends mit dem Umzug beschäftigt, ließ sich aber überreden. Als die Kerze gerade wieder fertig war, starb der emeritierte Papst. „Für mich war das ein Zeichen, dass es gut ist, dass ich mit dem Laden weitermache.“ Mit ihren verzierten Kerzen möchte sie in diesen dunklen Zeiten ein Licht weitergeben – „und das können wir doch alle gebrauchen, oder?“, lacht die Südtirolerin. Genau deshalb macht sie weiter.

Der Redakteur
Maximilian Lemli
Münchner Kirchenzeitung
m.lemli@michaelsbund.de