Waldkraiburg – Es wirkt ein wenig wie bei Madame Tussauds, aber nicht in London, sondern in Oberbayern. In Pürten am Inn (Dekanat Waldkraiburg) stehen drei lebensgroße Wachsfiguren: ein Kind, eine Frau und ein Mann. Das älteste Stück in der traditionsreichen Wallfahrtskirche ist Ende des 17. Jahrhunderts entstanden, lange bevor Madame Tussaud ihr weltberühmtes Kabinett eröffnet hat. In Pürten sind auch kein Pelé oder die Queen Elisabeth zu sehen. Es sind Votivgaben, gestiftet von Menschen, die wohl eine schwere Krankheit überstanden haben. Das Trio ist früher manchmal als Familie gedeutet worden. Bei näherem Hinsehen kann das aber nicht stimmen. Die Frau ist in einem fast höfischen, reich geschmückten Gewand dargestellt, auch das Kind trägt ein Kleid mit elegantem Kragen, der Mann dagegen eine Bauerntracht. Von Letzterem ist sogar der Name bekannt: Georg Schweiberer aus Niederbergkirchen ist in den Mirakelbüchern zu finden, in denen die vielen Heilungen aufgeschrieben sind, die Pilger durch die Wallfahrt nach Pürten erfahren haben.
Große Kostbarkeiten
Bei Georg Schweiberer ist in einem Eintrag von 1687 zu lesen, dass er sein Körpergewicht von 140 Pfund als Wachsfigur spende, die mit 1,60 Metern Höhe offenbar auch in Lebensgröße ausgeführt ist. Zu den anderen beiden Figuren kann Konrad Kern keine Auskunft geben, da muss der Stadtarchivar von Waldkraiburg passen, zu dem das eingemeindete Dorf Pürten gehört. Über die Wachsfiguren des Kindes und der Frau ist in den Mirakelbüchern nichts zu finden, wahrscheinlich sind sie etwas später entstanden, denn ihre Gewänder erinnern an Modestile des 18. Jahrhunderts. Große Kostbarkeiten sind sie trotzdem: „Der Brauch, lebensgroße Wachsfiguren an Wallfahrtsorte zu stiften, war nicht unüblich, aber in der Säkularisation um 1803 sind die meisten von ihnen eingeschmolzen worden“, erklärt Kern. Die Staatsbeamten sahen in dem von ihnen beschlagnahmten Kirchengut fast ausschließlich den Materialwert.