Klage gegen Kirche nach Missbrauch

Traunsteiner Schmerzensgeldprozess: Jetzt ist der Gutachter dran

Mit der Beweisaufnahme ist in Traunstein der Schmerzensgeldprozess eines oberbayerischen Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche weitergegangen. Noch aber wartet das Landgericht auf das psychiatrische Gutachten.

Die Klage gegen den 2022 verstorbenen Papst Benedikt XVI. kann weiterhin nicht verhandelt werden, weil dem Gericht bisher keine gesetzlichen Erben von Benedikt bekannt sind. © WESTOCK - stock.adobe.com

Vor dem Landgericht Traunstein ist am Mittwoch der Schmerzensgeldprozess eines Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche fortgesetzt worden. Nach der Beweisaufnahme mit mehreren Zeugen ist in den nächsten Wochen und Monaten der vom Gericht bestellte Gutachter gefordert. Von seiner Arbeit wird die Höhe des Schadensersatzes abhängen, den das Gericht dem Kläger zubilligen wird. Er wolle noch dieses Jahr fertig werden, sagte der Sachverständige anwesenden Journalisten.

Kläger entwickelte Suchtproblematik

Am Mittwoch wurden zunächst zwei Psychiater gehört, die den Kläger behandelt oder begutachtet haben. Dessen Mutter verweigerte die Aussage. Demnach entwickelte der Mann nach einem im Grundschulalter erlittenen sexuellen Missbrauch durch den damaligen Pfarrer von Garching an der Alz eine schwere Suchtproblematik und Persönlichkeitsstörung. Im Alter von zwölf begann es mit Alkohol, danach folgten Cannabis, Beruhigungsmittel, später auch Heroin, Kokain und LSD. Er habe damit die Bilder der Tat aus dem Kopf bringen und sie verdrängen wollen. Zwischen Gefängnisaufenthalten und Entzugsversuchen habe es immer wieder kurze Phasen der Enthaltsamkeit gegeben.

Den Aussagen der Ärzte zufolge kommt der Missbrauch als eine Mitursache für die späteren Probleme des heute 39-Jährigen in Betracht, aber nicht als alleiniger Grund. Die Familienverhältnisse seien durch die Scheidung der Eltern kurz nach seiner Geburt schwierig gewesen. Der Junge habe schon als Sechsjähriger Verhaltensauffälligkeiten ausgebildet und sei deshalb tageweise in einer Pflegefamilie gewesen. Insofern habe der Kläger bereits über "ruhende Anlagen" für eine spätere Suchterkrankung verfügt.

Kläger fordert mindestens 300.000 Euro

Erst ab 2010, nachdem Zeitungsberichte über den Missbrauchstäter erschienen waren, habe der Kläger habe über das Erlittene sprechen können. Daraufhin habe er einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz gestellt. Die Gutachterin des Münchner Versorgungsamtes, Ursula Münch, sagte aus, sie habe die Suchterkrankung 2011 als eine Folge des Missbrauchs anerkannt, auch wenn dieser nicht ursächlich für das gesamte Ausmaß des Schadens sei. In Deutschland sei es Lehrmeinung, dass Suchterkrankungen durch viele Faktoren bedingt seien und in keinem Fall linear auf ein einziges Geschehen zurückgeführt werden könnten.

Der Kläger fordert vom Erzbistum München und Freising mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld. Beklagt wird auch der Täter und der an Silvester 2022 gestorbene emeritierte Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 Münchner Erzbischof war. Dieser Teil der Klage kann weiterhin nicht verhandelt werden, weil dem Gericht bisher keine gesetzlichen Erben von Benedikt bekannt sind.

Auch die Mutter glaubte ihm nicht

Der 39-jährige Kläger sagte selbst zu seiner Familie, seiner Schulzeit und seiner Drogenkarriere aus. Nach dem Missbrauch durch den Pfarrer habe er gleich mit seiner Mutter gesprochen, aber die habe ihm nicht geglaubt. Sie sei genauso unter dem Einfluss des Pfarrers gestanden wie die ganze Gemeinde. "Die haben ihn in den Himmel gehoben, obwohl er eigentlich in die Hölle gehört." Später aber habe seine Mutter ihm geglaubt und ihn 2010 ermuntert, den Priester anzuzeigen. Die Ermittlungen seien aber wegen Verjährung eingestellt worden. (kna)