"Publik-Forum" erhebt Vorwürfe

Artikel beleuchtet Beginn wissenschaftlicher Laufbahn Ratzingers

Die Zeitschrift "Publik-Forum" hält dem verstorbenen Papst Benedikt XVI. vor, in seinen Memoiren einen wichtigen Teil seiner Lebensgeschichte geschönt zu haben. Dabei geht es um die Frühzeit von Ratzingers wissenschaftlicher Karriere in den 1950er Jahren.

Papst Benedikt XVI. verstarb an Silvester 2022. © Osservatore Romano/Romano Siciliani/KNA

Laut "Publik-Forum" hat sich Joseph Ratzingers Habilitationsverfahren an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität nicht so abgespielt wie von ihm später wiedergegeben. Die bisherige Darstellung müsse korrigiert werden. "Publik-Forum" veröffentlichte dazu ein bisher nicht im Wortlaut bekanntes Dokument: das Zweitgutachten des renommierten Münchner Theologieprofessors Michael Schmaus vom 26. Mai 1956 zu Ratzingers erstem Habilitationsentwurf.

1997 beschrieb Ratzinger den Vorgang in seinen Lebenserinnerungen als "Drama". Schmaus habe gegen Form und Inhalt seiner 700 Seiten langen Arbeit starke Vorbehalte gehabt. In einem kurzen Gespräch habe er Ratzinger "sachlich und ohne Emotion eröffnet", dass er sie ablehnen müsse, weil sie nicht wissenschaftlichen Maßstäben genüge.

Kritik an Ratzingers Umgang mit Quellen

Schmaus' kritische Anmerkungen, die vor allem die ersten beiden Teile der Arbeit betroffen hätten, seien einem "Verdammungsurteil" gleichgekommen. In der entscheidenden Fakultätssitzung sei die Schrift aber nicht abgelehnt, sondern zur Verbesserung zurückgegeben worden. Eine zweite, im Wesentlichen aus dem dritten, am wenigsten beanstandeten Teil bestehende und um 500 Seiten kürzere Fassung habe dann auch Schmaus' Zustimmung gefunden und sei angenommen worden.

Auf den 18 Seiten seines Gutachtens lässt sich die Kritik von Schmaus nun im Detail nachlesen. Ein Haupteinwand richtet sich gegen den Umgang mit Quellen: Ratzingers Thesen seien glänzend formuliert, aber oft ungenügend belegt. Was für eine gegenteilige Meinung spreche, habe Ratzinger "unter die Bank fallen" lassen.

Gutachten widerspricht bisherigen Veröffentlichungen

Ratzingers Ausführungen lassen Schmaus als arrivierten, aber in überholten Auffassungen stehengebliebenen Theologen erscheinen, der sich eines jungen Emporkömmlings erwehrt habe. Im nun veröffentlichten Gutachten klingt an, dass Schmaus selbst einen entscheidenden Vorschlag gemacht hat, um Ratzingers Habilitation zu retten.

Laut "Publik-Forum" stammt das Gutachten aus dem Besitz des Schmaus-Schülers Richard Heinzmann (90), der 1956 sein Studium in München begann und später Assistent bei dem angesehenen Professor wurde. Heinzmann selbst schreibt in der Zeitschrift, durch Ratzingers Memoiren sei der falsche Eindruck erweckt worden, Schmaus habe Ratzingers wissenschaftliche Laufbahn verhindern wollen. Diese Darstellung sei auch in späteren Veröffentlichungen Dritter übernommen worden, aber eine "Verkehrung der Tatsachen". (kna)