Missbrauch

Seelsorge und Beratung für Betroffene in der Erzdiözese

Vor einem Jahr ist das zweite Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München und Freising veröffentlicht worden. Die wichtigste Entwicklung seitdem ist die Eröffnung der Stabsstelle "Seelsorge und Beratung für Betroffene", aber auch die Präventionsarbeit steht vermehrt im Fokus.

Christine Stermoljan und Pfarrer Kilian Semel stellten die Arbeit der beiden Stabsstellen "Prävention" und "Seelsorge und Beratung für Betroffene" bei der Pressekonferenz vor. © Kiderle

Die Arbeit der beiden Stabsstellen “Seelsorge und Beratung für Betroffene” und “Prävention” stellten Pfarrer Kilian Semel und Christine Stermoljan bei der Pressekonferenz vor. Pfarrer Semel ist der Leiter der Stabsstelle „Seelsorge und Beratung für Betroffene“. Gemeinsam mit zwei Psychologinnen führt er Gespräche mit Betroffenen und Angehörigen. Im vergangenen Jahr waren das rund 300 Anruferinnen und Anrufer, überwiegend im Alter von 40 bis 80 Jahren. Dass sich auch Menschen jenseits der 80 melden, sei wichtig, meint Semel. „Damit sie in ihrer letzten Lebensphase Dinge aufarbeiten können, die ganz tief unten schlummern, aber dennoch belastend sind.“ Semel wurde in seiner Kindheit und Jugend selbst Opfer sexualisierter Gewalt in seiner Gemeinde und fühle sich seiner Aufgabe in der Beratungsstelle deshalb besonders nahe: „Ich glaube schon, dass man durch die eigene Erfahrung anders auf Betroffene zugeht als jemand, der das „nur“ aus der Theorie kennt.“

Missmut über Zahlungen 

Konkret unterstützt das Team der Stabsstelle „Seelsorge und Beratung für Betroffene“ bei der Suche nach nicht kirchlichen oder kirchlichen Therapieplätzen oder anderweitigen Schritten, die bei der Verarbeitung des Erlebten helfen können. Außerdem füllen Semel und seine Kollegen gemeinsam mit den Betroffenen den Antrag auf Ausgleichszahlungen aus. Das führe häufig zu Missmut, erklärt Semel, denn es gäbe noch keine klaren Regelungen, wer wie viel Geld bekommt: „Wie will man das bewerten, was Menschen tief in ihrem Inneren verletzt und gedemütigt hat? Wie will man das in Zahlen ausdrücken?“ Dennoch sei es für viele sehr unzufriedenstellend, nicht zu wissen, wie die Summen berechnet werden.

Missbrauch der vergangenen Jahrzehnte soll sich nicht wiederholen

Das sei eines der Themen, die sich bei der Missbrauchsaufarbeitung noch weiterentwickeln müssen, meint der Leiter der Stabstelle. Dennoch äußert er sich vorsichtig positiv: „Es gibt immer wieder neue Überlegungen, neue Denkanstöße und neue Impulse. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Missbrauch in der Form, wie er in den Jahrzehnten zuvor passiert ist, so in kirchlichen Bereichen nicht mehr möglich ist.“

Missbrauch verhindern - das will auch die Stabstelle „Prävention“. „Ziel all unserer Präventionsbemühungen ist es, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren, sie zu befähigen, sichere Räume zu schaffen, aber auch ihr Wissen und ihre Handlungssicherheit zu erhöhen, um im Verdachtsfall adäquat, aber auch kompetent reagieren zu können“, sagt die Leiterin Christine Stermoljan. Dafür hat das Team der Stabsstelle ein E-Learning Programm entwickelt, das für alle pastoralen Mitarbeitenden, also zum Beispiel Gemeindereferenten, verpflichtend ist. Das habe nach einer Evaluation zu erheblichem Wissenszuwachs geführt. Außerdem bieten die Mitarbeitenden der Präventionsstabsstelle Schulungen zum Thema an und unterstützen Pfarreien, Schutzkonzepte zu entwickeln. Dabei gehe es vor allem darum, Strukturen zu schaffen, in denen Kinder niederschwellige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner haben. 

Radfahrt von Betroffenen nach Rom 

Gemeinsam mit der Stabsstelle „Seelsorge und Beratung für Betroffene“ hat die Stabsstelle „Prävention“ auch eine Pilger-Radreise organisiert. Im Sommer radeln Betroffene nach Rom. „Ziel der Pilger-Radreise ist es unter anderem auf Betroffene aufmerksam zu machen, sie zu ermutigen, nicht aufzugeben und die Wichtigkeit des Themas in der Öffentlichkeit präsent zu halten“, erklärt Stermoljan. Auch sie ist davon überzeugt, dass bereits wichtige Schritte in der Missbrauchsaufarbeitung gegangen werden, aber: „Sexualisierte Gewalt kann niemals zu 100 Prozent verhindert werden.“ Kirche wird sich also noch sehr lange mit dem Thema beschäftigen müssen. (Magdalena Rössert)