Freie Meinungsäußerung

Schweigen kommt nicht in Frage

Viele Christen haben zum Unrecht der NS-Diktatur geschwiegen. Für Pater Rupert Mayer und Fritz Gerlich war das unvorstellbar.

Fritz Gerlich und Pater Rupert Mayer © privat/wikpedia

München - Als US-Truppen vor 75 Jahren Anfang Mai das Kloster Ettal in den Ammergauer Alpen erreichen, endet die Leidenszeit für einen Kirchenmann, den die Nationalsozialisten mundtot gemacht hatten. Der Jesuitenpater Rupert Mayer ist nach jahrelanger Internierung bei den Benediktinermönchen wieder ein freier Mann. In dieser Zeit nicht öffentlich auf die Kanzel steigen zu können, ist für den Priester eine harte Strafe. Immerhin hat Pater Mayer es vor seiner Verbannung nach Ettal sieben Jahre lang erfolgreich geschafft, sich seine Meinung nicht nehmen zu lassen.
Auch als Presse und Rundfunk schon längst gleichgeschaltet sind, warnt er in der Münchner Jesuitenkirche Sankt Michael unablässig vor den Gefahren der NS-Diktatur. Für Pater Mayer ist klar, dass er nicht wie viele andere in der Kirche überwintern wird, indem er schweigt, wenn er sieht, wie die Nazis nach und nach auch die Religionsfreiheit einschränken. Er nennt das Unrecht auf der Kanzel laut beim Namen. In einer seiner Predigten sagt er: „Nie dürfen wir für einen faulen Frieden eintreten. Wenn es um Dinge geht, die Gott gebietet, müssen wir durchhalten, auch wenn es Kampf und Streit gibt. Wo die Interessen Gottes in Frage stehen, hört der Friede auf.“

Weiterpredigen trotz Einschüchterung

Im April 1937 ist es aber erst einmal vorbei mit der Meinungsfreiheit. Pater Mayer bekommt Redeverbot. Er hält sich nicht daran und wird Anfang Juni verhaftet. Noch reicht die Empörung der Kirchenleitung und der Münchner Bevölkerung aus, um den beliebten Priester wieder frei zu bekommen. Trotzdem nutzt Pater Mayer die Gelegenheit, sich klar für das Recht auf Meinungsfreiheit zu positionieren. Vor dem Sondergericht erklärt er schriftlich: „Trotz des gegen mich verhängten Redeverbotes werde ich weiterhin predigen, selbst dann, wenn die staatlichen Behörden meine Kanzelreden als strafbare Handlungen und als Kanzelmissbrauch bewerten sollten.“
Als Pater Mayer seine Ankündigung wahrmacht, folgt ein Katz-und-Maus-Spiel aus Verhaftungen und Freilassungen, bis der Jesuit 1940 einen Tag vor Heilig Abend ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt wird. Die KZ-Haft bringt ihn an den Rand des Todes, so dass der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber, der bislang Pater Mayers Vorgehen toleriert hat, mit der Gestapo einen Kompromiss schließt: Er ordnet dessen Verbannung mit Predigtverbot nach Ettal an und erfüllt damit die Bedingungen der Gestapo für eine Entlassung aus dem KZ.

Der Nationalsozialismus ist eine Pest!

Pater Rupert Mayer erfüllt die Vereinbarung unfreiwillig, trägt sie aber im Gehorsam mit. Damit bleibt ihm das Schicksal erspart, das den katholischen Journalisten Fritz Gerlich bereits 1934 ereilt hat. Der Hitler-Gegner wird im KZ Dachau umgebracht, nachdem er die Nazis zuvor jahrelang schonungslos in seiner Wochenzeitung „Der Gerade Weg“ kritisiert und an den Pranger gestellt hatte. Wie Pater Mayer ist Gerlich eher der Mann fürs Grobe. „Der Nationalsozialismus ist eine Pest!“ titelte er in den Jahren 1932 und 1933, als Deutschland in die Diktatur abdriftet, in seiner Zeitung in großen roten Lettern. Und: „Deutsche, Eure Menschenrechte sind in Gefahr!“ Und noch eines verbindet die beiden Männer, auch wenn sie aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten stammen: Wie Pater Mayer erkennt Gerlich die nationalsozialistische Gefahr schon früh. In dieser Zeit konvertiert der Calvinist Gerlich zur katholischen Kirche. Die Begegnung mit der stigmatisierten „Resl von Konnersreuth“ macht aus dem Skeptiker einen überzeugten Katholiken. Es ist der schlichte Glauben der „Resl“, der ihn anzieht.

Obwohl Gerlich weiß, dass er auf der schwarzen Liste der Nazis steht, lehnt er es ab, Bayern Richtung Schweiz zu verlassen. Nach dem 30. Januar 1933 werden dann die schlimmsten Befürchtungen wahr: SA-Schläger bringen ihn in das Polizeigefängnis in der Ettstraße, später kurzzeitig nach Stadelheim, schließlich wieder zurück in die Ettstraße. Mehrfach wird Gerlich in der sogenannten Schutzhaft, die bis Juni 1934 andauert, schwer misshandelt. Als Adolf Hitler sich Ende Juni der SA-Führung entledigt, müssen auch missliebige Kritiker wie Gerlich daran glauben. Gleich nach seiner Einlieferung ins KZ Dachau wird der meinungs-starke Journalist erschossen.
Es mag auch an Gerlichs vielschichtiger Persönlichkeit gelegen haben, dass die Kirche ihn lange nicht als möglichen Blutzeugen auf dem Schirm hatte. Das hat sich vor einigen Jahren geändert. Im Dezember 2017 hat das Erzbistum München und Freising schließlich den Seligsprechungsprozess für Gerlich eröffnet. Auch wenn Fritz Gerlich wohl nie die Popularität des 1987 selig gesprochenen Jesuitenpaters Rupert Mayer erreichen wird, lohnt sich die Beschäftigung mit ihm. Er ruft uns zur Wachsamkeit auf in Zeiten, in denen die Errungenschaft der Meinungs- und Pressefreiheit selbst in einigen westlichen Demokratien wieder zur Disposition gestellt wird.

Tag der Pressefreiheit


Jedes Jahr am 3. Mai wird der Tag der Pressefreiheit begangen. Dieser wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeführt. Am 3. Mai 1991 verabschiedeten afrikanische Journalisten und Verleger die "Erklärung von Windhoek". Ziel war die Förderung einer unabhängigen und pluralistischen Presse in Windhoek/Namibia.Die Unterzeichnenden erinnerten an Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der die Meinungsfreiheit und die freie Meinungsäußerung als grundlegende Menschenrechte benennt.

Der Autor
Paul Hasel
Radio-Redaktion
p.hasel@michaelsbund.de