Osteuropa-Hilfswerk

Renovabis-Kongress: Kritik an Arbeitsmigration

Mit dem Ruf nach besseren Arbeitsbedingungen für Osteuropäer in Deutschland ist der diesjährige Renovabis-Kongress zu Ende gegangen.

Zum ersten Mal fand der Renovabis-Kongress online statt. © Renovabis/Daniela Schulz

München – Bei der erstmals online abgehaltenen Konferenz des katholischen Osteuropa-Hilfswerks kritisierte der Leiter der Betriebsseelsorge Stuttgart, Pfarrer Wolfgang Herrmann: "Die Stimmen der Hilfsorganisationen und Kirchen legen seit Jahren den Finger in die Wunde, doch die Appelle wurden einfach nicht gehört."

Die Situation osteuropäischer Arbeiter sei durch Corona zeitweise für Medien interessant gewesen, ergänzte Herrmann. Die Pandemie habe gezeigt, dass die Arbeiter eben doch systemrelevant seien, auch wenn sie nur selten wahrgenommen würden. "Ich sehe, dass die mediale Welle aber schon wieder zurückgeht." Herrmann forderte eine nachhaltige Debatte, um das Leben der nach seinen Worten oft ausgebeuteten Frauen und Männer vor allem in der Pflege, Landwirtschaft und Fleischindustrie zu verbessern.

Ähnlich äußerte sich Dragana Bubulj von der Stuttgarter Beratungsstelle Faire Mobilität: "Arbeitgeber haben in der Krise jede Chance genutzt, um die Kosten zu senken, meist zu Lasten der ohnehin schon übervorteilten Arbeiter." Oft hätten Arbeitsmigranten ihre Familien über Monate nicht gesehen. Zusätzlich hätten sie vor dem Problem gestanden, nach einer Reise aus Deutschland in ihre Heimat wegen der Corona-Bestimmungen nicht mehr zurück zu ihrer Arbeit fahren zu können.

Keine gute Zukunftsperspektive

Der Bulgare Emil Antonov berichtete, junge Menschen verließen das Land wegen schlechter Arbeitsmöglichkeiten vielfach. "Wir haben hier ein strukturelles Problem und keine gute Zukunftsperspektive für neue Generationen."

Ein Problem, das auch Tado Juric von der Katholischen Universität in der kroatischen Hauptstadt Zagreb beobachtet. Verantwortlich dafür macht er die Migrationspolitik der EU. Sie habe zu wenig gegen Korruption in südosteuropäischen Ländern getan. Insgesamt seien 2019 etwa zehn Prozent der Kroaten ausgewandert, darunter viele gut ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte. Davon profitiere vor allem die Bundesrepublik, so Juric. Er verlangte: "Die EU und besonders Deutschland muss das kroatische Bildungssystem mitfinanzieren. Das wäre nur gerecht." Kroatien habe in den vergangenen Jahren 18 Milliarden Euro in die Bildung investiert, ohne etwas davon zu haben.

Der Renovabis-Kongress hatte sich seit Dienstag als reine Internet-Veranstaltung mit den Corona-Folgen für die Kirchen in Ost- und Westeuropa sowie mit aktuellen Themen befasst. An den acht Foren nahmen rund 280 Menschen aus etwa 30 Ländern teil. Unter anderen forderte der Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz einen konstruktiven Dialog in seiner Heimat. Dieser sei wegen verhärteter Fronten aber nicht absehbar. Der Präsident der katholischen EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich, rief die EU zur Solidarität auf: "Die Krise hat uns gezeigt, dass wir sterblich sind, und viele Menschen sind in Armut gefallen." (kna)