Proteste in Belarus

Religionsvertreter beten gemeinsam für Ende der Krise

Der katholische Erzbischof Tadeusz Kondrusiewic hat ranghohe Vertreter der Kirchen, des Judentums und des Islam eingeladen, um gemeinsam zu beten. Sie trafen sich in der Kirche Sankt Simon und Sankt Helena in Minsk.

Die römisch-katholische Kirche des heiligen Simon und der heiligen Helena im Zentrum der Hauptstadt Minsk. © imago images / epd

Minsk – Ranghohe Vertreter der Kirchen, des Judentums und des Islam haben am Dienstagabend in Minsk gemeinsam für ein Ende der politischen Krise in Belarus gebetet. Auf Einladung des katholischen Erzbischofs Tadeusz Kondrusiewicz kamen sie dazu in der Kirche Sankt Simon und Sankt Helena am Unabhängigskeitsplatz zusammen. Dort hatten am Sonntag mehr als 100.000 Menschen für den Rücktritt von Staatspräsident Alexander Lukaschenko demonstriert.

Beten für den Frieden

Kondrusiewicz sagte mit Blick auf die mutmaßliche Fälschung der Präsidentenwahl zugunsten von Langzeitpräsident Lukaschenko sowie die Polizeigewalt gegen Demonstranten, es sei "so viel Böses geschehen". Die Belarussen wollten wieder Brüder und Schwestern sein. Der Erzbischof betete dafür, dass Belarus ein Land des Friedens und ein Ort werde, an dem die Menschen nach Gottes Gesetz lebten. Die Spaltung des Landes solle überwunden werden. Er dankte auch der Konferenz der katholischen Justitia et Pax Kommissionen in Europa, die zu Gebeten für Belarus aufgerufen hatte.

Bereits am Mittag hatte Kondrusiewicz die Regierung zur sofortigen Freilassung der von der Polizei verhafteten Anhänger der belarussischen Demokratiebewegung aufgerufen. Zugleich appellierte er an Innenminister Juri Karajew, ihn persönlich zu empfangen, "um die gegenwärtige schwierige Situation zu erörtern und Gewalt in Zukunft zu verhindern", wie die katholische Kirche mitteilte. Kondrusiewicz bat Priester, verhaftete Demonstranten in Gefängnissen zu besuchen und sie seelsorglich zu unterstützen.

Katholische Kirche steht hinter Regime-Kritikern

Bei den Massenprotesten gegen Lukaschenko waren vergangene Woche laut Regierungsangaben rund 7.000 Menschen festgenommen worden. Bis auf 44 Teilnehmer an ungenehmigten Kundgebungen seien alle inzwischen wieder auf freien Fuß, teilte die Sprecherin des Innenministeriums im Kurznachrichtendienst Telegram mit. Laut Minsker Bürgerrechtlern werden noch mehr als 80 Teilnehmer der Demonstrationen vermisst.

Im Gegensatz zur orthodoxen Kirche hatte die katholische Kirche in Belarus sich zuletzt zunehmend hinter die Kritiker des autoritär regierenden Lukaschenko gestellt. Etwa 15 Prozent der 9,5 Millionen Belarussen sind katholisch. Die Mehrheit der Bürger des seit 1991 unabhängigen Landes sind orthodoxe Christen.

Der orthodoxe Minsker Metropolit Pawel hatte Lukaschenko zunächst zur Wiederwahl gratuliert. Am Montag besuchte er dann jedoch in einem Krankenhaus Patienten, die von Polizisten bei den Demonstrationen schwer verletzt worden waren, und forderte eine "gerechte Untersuchung der Straftaten". Auch die katholische Kirche bot Betroffenen von Polizeigewalt ihre Hilfe an. (kna)