Sakraler Rückzugsort

Neugestaltete Turmkapelle in Maria Ramersdorf

Durch bunte, runde Glasscheiben fällt das Licht in die Turmkapelle der Münchner Wallfahrtskapelle. Künstlerin Susanne Wagner ließ auch die Coronapandemie in ihr Werk einfließen.

In die neugestaltete Turmkapelle integrierte die Künstlerin auch Anliegen der Mitglieder der Pfarrei Maria Ramersdorf. © Achim Bunz

München – Noch ist die Gittertür zur Turmkapelle mit einem braunen Vorhang verhängt. Nur der obere Teil des Torbogens ist nicht bedeckt – und ein Blick hindurch lässt erahnen, was sich hinter dem provisorischen Sichtschutz verbirgt: Einige Glasscheiben blitzen in verschiedenen Gelbtönen hervor, rund und hell. Sie leuchten vom hindurchfallenden Licht und spiegeln sich auf dem Fließenboden der bekannten Münchner Wallfahrtskirche.

Tor mit Ausblick

Die Installation aus Buntglas und Aluminium ist Teil der neugestalteten Turmkapelle von Maria Ramersdorf, an der die Münchner Künstlerin Susanne Wagner in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet hat. Von 2014 bis 2018 hat sie bereits den Innenraum der Kirche liturgisch neu ausgestattet – mit dem traditionsreichen Sakralraum ist sie also bestens vertraut. Dem zuständigen Pfarrer Harald Wechselberger war Kontinuität ein großes Anliegen: „Mir war wichtig, dass kein Bruch entsteht.“ Ihm schwebte ein moderner, auch junge Menschen ansprechender Andachtsraum in der Turmkapelle vor. Gleichzeitig sollte dieser den restlichen Kirchenraum und besonders das direkt gegenüberliegende Gnadenbild am Hochaltar miteinbeziehen. 

Nachdem die Finanzierung – Spenden in Höhe von 159.000 Euro – gesichert war, wurde Wagner 2019 mit der Gestaltung der Turmkapelle beauftragt. An deren Stelle befand sich einst das Kirchen-Hauptportal. Mit Blick auf den kleinen quadratischen Gewölberaum samt Spitzbogen und Fenster war ihr schnell klar: „Ich schaffe, vereinfach gesagt, ein Paradiestor. Eine Art Tor mit Ausblick.“ Dazu schichtete Wagner Aluminiumröhren gleichen Durchmessers in dem bestehenden, spitzbogigen Wandausschnitt aufeinander. Vorne sind die unterschiedlich langen Zylinder mit bunten Glasscheiben verschlossen. Die Farbe verläuft von violett über rot und orange bis zu gelb im oberen Bereich, „von der Trauer ins Licht“.

Impulse und Gedankenanstöße

Orientiert hat die Künstlerin sich dabei am gestapelten Kreismuster der Kirchenfenster. Beleuchtet wird jede einzelne Scheibe durch künstliches Licht oder vom natürlichen Sonnenschein, der durch das dahinterliegende Fenster fällt. 16 der insgesamt 159 Glasscheiben hat die Münchner Künstlerin außerdem explizit hervorgehoben: In Anspielung auf traditionelle Wallfahrtsplaketten zieren sie sowohl klassische Mariensymbole als auch Motive aus dem Kirchenraum oder etwa ein Coronavirus-Modell. Sie sind zusammen mit gebetshaften Formulierungen („Maria, segne mich!“, „Im Kreuz ist Heil“) in das Glas modelliert. Die Texte wählten Pfarreimitglieder aus, erklärt Wagner: „Je mehr Menschen sich einbringen, desto besser.“

Die so gestalteten Scheiben sollen den Besuchern Impulse und Gedankenanstöße geben, hofft Pfarrer Wechselberger. Er sieht die neugestaltete Turmkapelle als Rückzugsort „für Menschen, die ein Kreuz zu tragen haben, sei es wegen einer Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Schwierigkeiten in der Schule“. Von außen sei nicht einsehbar, wer auf den beiden Bänken neben der Gittertür sitze. Ein Buch für schriftliche Anliegen liegt aus. Die Farbgestaltung verdeutliche die christliche Auferstehungshoffnung: „Es gibt immer einen Ausweg“, umschreibt sie der Geistliche. (Hannah Wastlhuber, Volontärin beim Michaelsbund)

Die neugestaltete Turmkapelle von Maria Ramersdorf (Ramersdorfer Straße 6) wird bei einem Gottesdienst mit Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg am Sonntag, 12. September, um 18 Uhr gesegnet. Auch die Künstlerin ist anwesend. Sie wird zusammen mit Pfarrer Wechselberger an diesem Abend den braunen Vorhang vor dem Kunstwerk lüften.