Interview

Me Time statt Social Media

Schokolade, Fleisch oder Alkohol: Das sind gängige Dinge, auf die viele Menschen in der Fastenzeit verzichten. Unsere Radioredakteurin Anna Parschan fastet hingegen ihre Handyzeit. Was das bedeutet und welche Rolle bei diesem Fastenprojekt ein Arzt spielt, klären wir im Interview.

Anna Parschan nimmt sich in der Fastenzeit dem Thema Handykonsum an. © privat (Rebecca Neubarth)

mk online: Immer mehr Menschen nehmen in der Fastenzeit Abstand vom Smartphone. Wie sieht dein Fastenverzicht genau aus?

Anna Parschan: Daher habe ich mir dieses Jahr vorgenommen, die letzte Stunde vorm Schlafengehen handyfrei zu verbringen. Besonders in dieser Zeit klicke ich mich nämlich sonst im Bett lange durch Apps wie Instagram oder YouTube. Ich verbringe allgemein viel Zeit am Handy, einerseits für nützliche Dinge, wie etwa Online-Überweisungen, auf der anderen Seite lasse ich mich auch oft auf Social Media berieseln. Dieses belanglose Rumstöbern möchte ich in den sieben Wochen reduzieren. Jetzt schalte ich mein Handy abends auf Flugmodus, lege es weg und widme mich meinen Hobbys.

Was heißt das genau, wie nutzt du deine Zeit jetzt abends?

Parschan: Um ehrlich zu sein, wusste ich am Anfang nicht so recht wohin mit mir. Das hat sich aber schnell geregelt, jetzt stricke ich wieder viel, höre Musik oder lasse einfach den Tag für mich Revue passieren. Mein diesjähriges Fastenprojekt ist eigentlich nur die Light-Version vom letzten Jahr, in dem ich komplett zwei Wochen auf Social Media verzichtet habe. Dafür hatte ich alle Social Media-Apps gelöscht und auf digitalen Austausch verzichtet. Ich war nur noch telefonisch erreichbar.

Das klingt nochmal eine Stufe extremer. Warum hast du das Social Media-Fasten damals gemacht?

Parschan: Die Jahre davor habe ich meistens auf Süßigkeiten verzichtet und wenn ich ehrlich bin, ist mir das nie besonders schwergefallen. Ich war dann an einem Punkt, an dem ich etwas fasten wollte, was mich wirklich herausfordert. Nachdem meine damalige Handy-Bildschirmzeit oft bei acht Stunden pro Tag lag, war da die Entscheidung schnell klar. Ich habe mich für das Social Media Fasten entschieden, weil ich da meine größte Zeitverschwendung und Ablenkung im Leben gesehen habe.

Wie ging es dir in der Zeit ohne Social Media?

Parschan: Dieser Verzicht war nicht leicht für mich, ich habe mich am Anfang ziemlich verloren gefühlt, irgendwie auch sehr isoliert von meiner Familie und meinen Freunden. Mit denen war ich sonst täglich im Kontakt. Zu dem Zeitpunkt habe ich nicht in Bayern gelebt und habe sie auch nur selten gesehen. Ungewohnt war für mich auch die Stille in meiner Wohnung. In der Regel läuft bei mir immer ein Video, ein Podcast oder eine Sprachnachricht, das fiel dann ja alles weg. Nach drei bis vier Tagen war diese Ruhe aber normal für mich und ich habe mich eher befreit gefühlt.

Gab es auch einmal schwache Momente, in dem du das Fasten gebrochen hast?

Parschan: Ja, es gab schwache Momente, vor allem eben am Anfang meines Fastenprojekts. Situationen, in denen ich mich einfach schnell und unkompliziert mit Freunden kurzschließen wollte. Aber schwach geworden bin ich tatsächlich nicht. Ich habe mich auf den Verzicht eingelassen und dann wollte ich das auch durchziehen.

Was ist eigentlich Social Media?


Soziale Netzwerke sind virtuelle Gemeinschaften. Hier können sich Menschen über einen Onlinedienst aus aller Welt online verbinden, treffen, chatten und sich über Hobbys, gemeinsame Interessen und Vieles mehr austauschen. Dazu gehören zum Beispiel Plattformen wie Instagram, Snapchat, YouTube oder Facebook. Unter dem Begriff „Social Media“ versteht man die Gesamtheit der digitalen Technologien und Medien wie Weblogs, Wikis, soziale Netzwerke und ähnliches, über die Nutzerinnen und Nutzer miteinander kommunizieren und Inhalte austauschen können.

Du hast deinen Bekannten- und Freundeskreis schon angesprochen. Wie haben die denn darauf reagiert, dass du offline bist?

Parschan: Die Reaktionen waren unterschiedlich, die meisten fanden es sehr interessant. Andere wiederum haben sich in der Zeit weniger gemeldet, weil es ihnen zu umständlich war, immer anzurufen. Worauf aber alle gespannt waren, wie es mir ergeht und was das Projekt mit mir macht. Ich habe nämlich einen Psychologen einer Suchtklinik, der auf Internetkonsum spezialisiert ist, kontaktiert und um Begleitung gebeten. Der fand die Idee direkt interessant und war offen für eine Art Experiment mit mir. Mit ihm wollte ich herausfinden, ob und wie sich dieser Verzicht körperlich auswirkt.

Und was kam dabei raus?

Parschan: Ich musste vor und nach dem Verzicht Fragebögen ausfüllen und diverse Tests machen, die mein Verhalten und meine Leistungen gemessen haben. Das Ergebnis nach einer zweiwöchigen Social Media – Abstinenz war erstaunlich: Mein Reaktionsvermögen hat sich gesteigert und meine Konzentrationsfähigkeit war drei Mal so gut. Und unabhängig von den wissenschaftlichen Ergebnissen, habe auch ich Veränderungen festgestellt: insgesamt waren meine Gedanken sortierter, ich habe mich fitter und mehr bei mir gefühlt und nachts habe ich erheblich ruhiger geschlafen. Sich bewusst für eine gewisse Zeit gegen Social Media zu entscheiden, war das Beste, was ich bis zu diesem Zeitpunkt gefastet hatte. Es hat mich enorm weitergebracht und mir geholfen, mich und mein Verhalten insgesamt zu reflektieren.

Das zeigt in jedem Fall, dass eine Auszeit vom Smartphone nie schaden kann. Jetzt ist diese Erfahrung genau ein Jahr her. Was hat sich seither bei dir verändert?

Parschan: Nach dem Fasten habe ich für mich neue Handy-Regeln aufgestellt, die ich bis heute so handhabe: Ich habe die Push-Up-Benachrichtigungen bei allen Apps ausgeschaltet, habe mir Sperrzeiten pro App eingerichtet und insgesamt gehe ich viel bewusster online. Dazu logge ich mich jedes Mal, wenn ich zum Beispiel auf Instagram war, aus. Diese Barriere, dann immer das Passwort eingeben zu müssen, hilft mir die jeweilige App-Nutzung in dem Moment zu überdenken: Brauche ich das jetzt oder ist das nur sinnloser Zeitvertreib. Von dieser Erfahrung und den Regeln zehre ich heute noch und einiges kann ich noch optimieren, weshalb ich mich dieses Jahr bewusst meiner Handyzeit in der Fastenzeit annehme.

Kompakte Fakten zum Thema Onlinenutzung


Durchschnittlich verbringen die Deutschen drei Stunden pro Tag mit sozialen Netzwerken und dem Versand von Nachrichten.

76 Prozent der Menschen in dem Alter zwischen 18 und 33 Jahren verfolgen Social Media-Kanäle. Mit 68 Prozent ist außerdem der Bereich Social Media der meistgenannte Grund bei den Befragten, im Alltag abgelenkt zu sein. Am meisten nutzen Personen zwischen 18 und 33 Jahren Social Media, am wenigsten Menschen im Alter zwischen 50 und 56 Jahren. Des weiteren besagt die TK-Studie „Schalt mal ab, Deutschland“: Bei einer Internetnutzung von fünf Stunden oder länger klagen 59 Prozent der Befragten über Muskelverspannungen, 40 Prozent sind durch Depressionen eingeschränkt. (Quellen: Globalwebindex 2018, Statistisches Bundesamt (Pressemitteilung Nr. 035, Januar 2021), TK-Studie „Schalt mal ab, Deutschland“ 2021)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Fastenzeit