"Es gibt keine Alternative als den Dialog"

Kirche will Friedensprozess in Kolumbien stärker unterstützen

Kolumbiens linkspopulistischer Präsident Gustavo Petro bekommt bei seinem ambitionierten Projekt "Paz total" Hilfe aus Deutschland. Er wird sie brauchen können.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro © imago images - ZUMA Wire

Es ist eine Woche, in der Gustavo Petro wieder mal all seine politischen Facetten erkennen lässt. Zu einer klaren Verurteilung des Hamas-Terrorangriffs auf Israel will er sich nicht durchringen. Dafür liefert er sich auf Twitter mit dem israelischen Botschafter ein Verbal-Duell über die Deutung der Ereignisse und befürchtet, der Gazastreifen werde ein "Konzentrationslager".

In Kolumbien lösen Petros Tweets heftige innenpolitische Reaktionen aus. Der Jüdische Weltkongress sah sich zu der Stellungnahme genötigt: "Was Sie sagen, ist eine Beleidigung für die sechs Millionen Opfer des Holocaust und für das jüdische Volk." Petros Kommentare ignorierten völlig die Hunderte Tote und Entführte während des mörderischen Angriffs der Hamas auf israelische Zivilisten, so der Kongress weiter; und: "Dieser Beitrag ist eine Schande für Sie und Ihr Land."

Die andere Seite des Präsidenten ist ein innenpolitischer Erfolg, der wieder mal von Petros im besten Fall ungeschickter Kommunikation in den Hintergrund gedrängt wurde. Denn nach dem bilateralen Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla gelang nun auch - wenn auch unter enormem Druck - eine Einigung mit den sogenannten FARC-Dissidenten. Die Einheit "Estado Mayor Central", die in einem Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte: "Wir sind das Original", und die Regierung einigten sich ebenfalls darauf, ab Mitte Oktober die Waffen schweigen zu lassen.

Politische Erfolge und Herausforderungen für Präsident Petro in Kolumbien

In einem von beiden Seiten unterzeichneten Schreiben, das der KNA vorliegt, erklärten sich Staat und FARC-Dissidenten bereit, den eingeleiteten Friedensprozess fortzusetzen, "um einen stabilen und dauerhaften Frieden mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit zu erreichen." Zudem wollen beide Parteien ab sofort Offensivaktionen aussetzen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Am kommenden Montag (16. Oktober) soll die Regierung ein endgültiges Waffenstillstandsdekret erlassen - und danach die offiziellen Friedensgespräche beginnen.

Im Grunde sind das zwei große innenpolitische Erfolge, wenngleich große Teile des konservativen Lagers außen vorgelassen oder ignoriert werden. Vielleicht sind die Zustimmungsraten für die Regierung auch deshalb im Keller; Petro kann keinerlei Begeisterung in der Tiefe, sondern nur im eigenen Lager entfachen. Die Unberechenbarkeit des Präsidenten trägt dazu bei; immer wieder kommt er zu spät zu Terminen oder erscheint gar nicht. Ein Dutzend Personalwechsel im Kabinett lassen kaum kontinuierliche Arbeit zu. Hinzu kommen Attacken auf regierungskritische Medien, die Presseverbände mindestens irritiert zur Kenntnis nehmen.

In seinem Kernprojekt "Paz total" aber liefert Petro: Die Waffenstillstände mit der ELN und FARC sind handfeste Ergebnisse. Wenn sie denn eingehalten werden, wäre das für das unter Terror gegen Sozialaktivisten, Campesinos, afrokolumbianischer und indigener Bevölkerung leidende Land ein echter Fortschritt.

Deutsche Unterstützung für den Friedensprozess in Kolumbien

Nun bekommt Petro für seinen Plan Unterstützung aus Deutschland. Am Rande eines Treffens mit der Vizepräsidentin Francia Marquez sicherte der Chef des kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Hilfe zu: "Die Deutsche Bischofskonferenz möchte den Friedensprozess in Kolumbien unterstützen", sagte Pater Martin Maier in Bogota. Adveniat und die Kirche stünden im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung, um sich weiter einzubringen. Marquez nahm dieses Angebot an: "Es gibt keine Alternative als den Dialog als Ausweg aus diesem Konflikt", so die Vizepräsidentin.

Die Kirche sitzt bei den Verhandlungen zwischen Regierung und FARC-Dissidenten sowie ELN-Guerilla mit am Tisch, genießt das Vertrauen beider Seiten. Die Einhaltung des Waffenstillstands mit der ELN soll sie gemeinsam mit der UN beobachten. In keinem anderen lateinamerikanischen Land ist die Rolle der katholischen Kirche politisch so bedeutsam wie in Kolumbien. Umso wichtiger ist die Hilfe aus Deutschland für diese enorme Herausforderung. (kna)