Flüchtlingsgipfel der katholischen Kirche

Kirche gegen "Unterbietungswettbewerb" bei Flüchtlingshilfe

Bei ihrem siebten Flüchtlingsgipfel warb die katholische Kirche in Deutschland für menschenwürdige Lösungen in der Asylpolitik. Die jüngste Schiffskatastrophe im Mittelmeer zeigt die Dringlichkeit des Problems.

Teilnehmer des 7. Katholischen Flüchtlingsgipfels am 15. Juni 2023 in Berlin © Gordon Welters/KNA/DBK

Berlin – Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße hat vor einem "flüchtlingspolitischen Unterbietungswettbewerb" gewarnt. Angesichts der großen Herausforderungen bei der Versorgung und Integration geflüchteter Menschen "helfen Polarisierungen nicht weiter", erklärte der Hamburger Erzbischof am Donnerstag in Berlin.

"Stattdessen bedarf es pragmatischer und auf jeden Fall menschenwürdiger Antworten im Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen", forderte der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz beim siebten Flüchtlingsgipfel der katholischen Kirche in Deutschland.

Zur Begründung verwies Heße auf den jüngsten Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der griechischen Küste und äußerte sich schockiert über die mehreren hundert ertrunkenen Menschen. "Wir dürfen die Rettungsversuche nicht den Nichtregierungsorganisationen überlassen", mahnte der Erzbischof, "sie sind auch eine gemeinsame Aufgabe der europäischen Staaten". Zugleich kritisierte Heße, der auch die Migrationskommission der Bischofskonferenz leitet, die jüngste Einigung der EU-Innenminister auf eine einheitliche Asylpolitik, die auf eine Verschärfung hinausläuft, als Rückschritt mit Blick etwa auf Flüchtlinge mit Kindern.

Besonders schutzbedürftige Geflüchtete im Mittelpunkt

Solche besonders schutzbedürftigen Geflüchtete standen beim Flüchtlingsgipfel im Zentrum der Beratungen. Vor rund 100 Fachleuten rief Heße dazu auf, geeignete Formen der Unterstützung für sie anzubieten. Beispielhaft nannte der Erzbischof "Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, Personen mit Traumafolgen, unbegleitete minderjährige Geflüchtete, Betroffene von Menschenhandel oder sexualisierter Gewalt, Geflüchtete, die wegen ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität Gewalt erfahren haben". Heße räumte ein, dass die katholische Kirche ihr Engagement für schutzbedürftige Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung noch erheblich verstärken müsse.

Matthias Dörr von Renovabis war auf dem Gipfel in der Arbeitsgruppe "Betroffene von Menschenhandel im Kontext von Flucht" vertreten. Die Not von Menschen auf der Flucht würde gezielt ausgenutzt und sie in Abhängigkeiten gebracht, so der Leiter der Abteilung Kommunikation und Kooperation des katholischen Osteuropa-Hilfswerks. Auch hier in Europa sei dies der Fall. Auf die oft mehrfache Traumatisierung von Geflüchteten müsse im Asylverfahren mit entsprechenden Angeboten reagiert werden, fordert Dörr gegenüber mk online. "Die Kirchen sind hier mit Beratungsangeboten und Begleitung aktiv, aber die Behörden müssen sensibler sein." Positiv sei, so Dörr, dass durch gute und schnelle Aufklärungsarbeit bisher relativ wenig Fälle bekannt sind, bei denen geflüchtete Frauen aus der Ukraine Opfer von Menschenhandel geworden sind.

Dienst am Nächsten

Friederike Foltz vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) erklärte, für ein faires Asylverfahren müssten besondere Belastungen von Geflüchteten frühzeitig erkannt und berücksichtigt werden. Die Theologin Anja Middelbeck-Varwick (Frankfurt/Main) wertete das Engagement für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge als eine Form des nach christlicher Tradition geforderten Dienstes am Nächsten.

Angesichts wieder stark steigender Flüchtlingszahlen warb der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, für die Forderung, Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern soweit möglich zurückzuführen. Dagegen empfahl die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, Flüchtlingen leichter eine "Spurwechsel" in die Regelungen für Arbeitsmigranten zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang warnte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Kirche davor, in der Flüchtlingspolitik ideale Lösungen einzufordern. Angesichts der komplexen Probleme müssten bis zu einem gewissen Grad auch "widersprüchliche Lösungen" hingenommen werden. (kna/me/ksc)