"Die Sozialsätze reichen in München überhaupt nicht aus. Davon kann man sich keine gesunden Lebensmittel, Obst und Gemüse kaufen." Es sind Aussagen wie diese, die dem Thema Armut auf der Fachtagung in der Katholischen Akademie in München eine Stimme geben. Im Tagungssaal haben die Organisatoren anonymisierte Zitate von Betroffenen auf Plakate gedruckt. "Wir wollen Armut sichbar machen. Das tun wir mit dieser Konferenz", erklärt Hermann Sollfrank, Direktor des Caritasverbands in der Erzdiözese München und Freising. Die Vielzahl an Krisen, wie der Krieg in der Ukraine, Inflation und steigende Preise hätten die Lebenssituation der Menschen existenziell verändert. In Deutschland sei ein Sechstel der Bevölkerung arm, in München betreffe das jeden Siebten, betont der Caritasdirektor.
Die anhaltend steigenden Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Energie bedrohten nicht nur die Existenz von Bedürftigen und Geringverdienenenden. Sie verunsicherten inzwischen auch die Mittelschicht und führten zu Abstiegsängsten. "Da kommt plötzlich ein Familienvater in die Schuldnerberatung, der die Raten fürs Haus oder die Wohnung nicht mehr bezahlen kann", erklärt Sollfrank.
Wohnungslage weiter problematisch
Ein zentrales Thema für die Caritas in München und Oberbayern bleibe die Wohnraumproblematik. "Wir brauchen endlich mehr Sozialwohnungen, eine Wohnungsbauoffensive, die diesen Namen verdient", so der Caritasdirektor. Gebraucht würden mehr Genossenschaften und Dienstwohnungen auch von großen Unternehmen. Das inzwischen erhöhte Wohngeld sei eigentlich ein gutes Signal. "Aber auf den Bescheid warten Antragsteller in der bayerischen Landeshauptstadt oft ein Jahr und länger."
Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier hebt hervor, dass aus "Armuts-Bekämpfung nicht Armen-Bekämpfung" werden dürfe, denn dann verrohe die Gesellschaft. Es genüge nicht, Arme nur zu versorgen. "Sie werden erst aus ihrer Abhängigkeit heraustreten können, wenn sie selbst zu Wort kommen und Gesprächspartner auf Augenhöhe finden", so Stark-Angermeier.