Ehemaliger Mediendirektor des FC Bayern im Gespräch

"Ich glaube im Stillen"

Markus Hörwick war über 30 Jahre lang Pressechef des FC Bayern. Nach seiner Zeit im aufreibenden Medienbetrieb gewinnt er nun allmählich Abstand zum Fußball. Im Interview spricht er über sein Leben und seinen Glauben.

Markus Hörwick spricht über seinen Glauben. © Klaus Schlaug/SMB

Er steigt den kleinen Hang zur Pestkapelle bei Wackersberg hinauf, dann dreht er sich um, schaut lächelnd in die Runde und sagt: „Dieser Ort strahlt so eine Ruhe aus!“ Seit Jahren kommt Markus Hörwick immer wieder hierher, betrachtet die idyllische Landschaft des Isarwinkels und lässt die Gedanken schweifen. „Hier geht der Puls runter, hier kann ich über die wichtigen Dinge im Leben nachdenken“, verrät er, und erinnert an den gerade in Corona-Zeiten interessanten Ursprung dieser Kapelle, die 1638 von den Überlebenden einer Pestepidemie gebaut wurde.

Die Kirche als ein Ort der Ruhe und der Selbstreflexion

Dem Medienprofi ist anzumerken, dass er es genießt, einmal nicht über PR-Strategien und Ablösesummen befragt zu werden, sondern über Grundsätzlicheres zu reflektieren. Worauf kommt es an im Leben? Und welche Rolle spielt Gott? Bei Fragen wie diesen lässt sich der 63-Jährige Zeit, sucht nach den richtigen Worten, zeigt sich von einer nachdenklichen und feinfühligen Seite – und wirkt ganz und gar nicht wie ein abgeklärter Pressesprecher, der immer eine schlagfertige Antwort parat hat. „Ich glaube im Stillen“, beschreibt Hörwick seine Glaubenspraxis. „In diesen Momenten der Ruhe halte ich Zwiesprache mit Gott, ich erforsche mein Gewissen, und vor allem: Ich sage Dank.“

Schon als Dreijähriger habe er den Vater gern in Gottesdienste begleitet. Die Eltern seien sehr gläubig, die Erziehung streng gewesen. „Ministrant durfte ich leider nie werden“, erzählt er schmunzelnd, „ich wollte, aber die Eltern haben es nicht erlaubt, weil ich schon so viele andere Aktivitäten hatte.“ In der Jugend habe er sich dann als Spieler beim FC Bayern versucht, und auch wenn ihm der ersehnte Sprung in den Profifußball nicht gelungen sei – auf Umwegen habe es „durch die Hintertür“ doch geklappt, indem er erster Pressesprecher überhaupt im deutschen Sport wurde. Von 1983 bis 2016 verantwortete Markus Hörwick die Medienarbeit des FC Bayern, sah berühmte Spieler und Trainer kommen und gehen, erlebte 47 Titelgewinne hautnah mit und prägte mit seiner Philosophie der offenen Kommunikation eine ganze Branche. „Menschlichkeit und Empathie“ habe er in dieser anspruchsvollen Position gebraucht, um erfolgreich zu sein, „und ein dickes Fell“.

Aufreibende Arbeit im Medienbetrieb des Profifußballs

Doch wie hält man es über 30 Jahre im Medienwahnsinn rund um den Profifußball aus? Hörwick zeigt mit ernstem Blick auf seinen Bauch und sagt ungeniert: „Frustessen. Du bist da in einem Hamsterrad, wirst schmerzunempfindlich. Erst hinterher habe ich gemerkt, wie viel Kraft das alles gekostet hat.“ Immer wieder habe es aufreibende Diskussionen mit der Medienseite gegeben, dazu nicht immer pflegeleichte Spieler oder unvorhersehbare Aufreger wie die legendäre Wutrede von Giovanni Trappatoni 1998, die der Pressechef nur deshalb nicht abbrach, um nicht vor laufender Kamera die Autorität des Trainers zu beschädigen. Oft sei es zu Sieben-Tage-Wochen in der Arbeit gekommen, und manchmal habe er auch mit dem Gedanken gespielt, hinzuschmeißen.

Und die Familie? „Ich habe bis heute ein schlechtes Gewissen“, gesteht der dreifache Vater und dreifache Großvater, „weil ich meine Kinder vielleicht nicht so begleitet habe, wie ich es gern getan hätte. Ich habe 19 Deutsche Meisterschaften miterlebt – aber wäre es nicht wichtiger gewesen, bei meiner Tochter zu sein, als sie Liebeskummer hatte?“ Und er betont, dass ohne den jahrelangen Rückhalt von seiner Frau gar nichts gegangen wäre. „Ich bin ein Glückskind“, resümiert Hörwick und kommt zum wiederholten Male auf das Thema der Dankbarkeit zu sprechen, das nun, mit Mitte 60, eine immer wichtigere Rolle in seinem Leben spiele.

Die Papstaudienz als "magisches Erlebnis" für eine ganze Mannschaft

Sportliche Sternstunden hat er viele miterlebt, etwa 2014, als die Bayern den AS Rom auswärts mit 7:1 aus dem Stadion fegten. Doch bereits am Tag darauf sei jener Fußballabend vor einem noch prägenderen Erlebnis verblasst: Die Mannschaft erhielt eine Privataudienz bei Papst Franziskus, wovon Hörwick noch heute mit Ehrfurcht und Staunen erzählt. „Als der Papst reinkam, haben alle den Atem angehalten und eine unbeschreibliche Wärme gespürt.“ Ein magischer Moment sei es auch gewesen, als sich Franziskus nach der Audienz beim Hinausgehen noch einmal umgedreht und die Bitte geäußert habe: „Beten Sie für mich – ich brauche es!“ Bei der Busfahrt zum Flughafen habe dann unter den Spielern, auch den muslimischen, ein so ergriffenes Schweigen geherrscht, wie es noch nie vorgekommen sei.

Aufgehört hat Hörwick bei den Bayern 2016 nicht zuletzt deshalb, weil er sich in der neuen Medienwelt mit ihren über Soziale Netzwerke lancierten Schmutzkampagnen nicht mehr wohlfühlte. Seitdem sei er nicht mehr „Leibeigener des FC Bayern“, sondern widme viel mehr Zeit sich selbst und der Familie – und beschäftige sich intensiv mit der Frage nach wahrer Lebensqualität. Ob er auch konkret über den eigenen Tod nachdenke? „Nein“, entgegnet Hörwick entschieden, „der Tod ist für mich weit weg“. Auch auf ein „Danach“ mag er sich nicht festlegen – überlegt dann aber doch mit einem Lächeln, ob sein verstorbener Vater vielleicht bei Weißwürsten und Weißbier „da oben“ sitzt und auf ihn herabschaut.

Eine unvergessliche Jugendsünde

Sein Vater kommt auch ins Spiel, als er von einer Jugendsünde erzählt. Eine Zeitung für 25 Pfennig habe er mitgenommen, ohne zu bezahlen – und sei prompt erwischt und am Ohrwaschl zur Polizei geschleppt worden. Während er dort darauf wartete, dass ihn die Mutter abholt, habe er „sämtliche Sünden abgebüßt“. Noch schlimmer sei dann zu Hause das bange Warten auf den Vater gewesen – doch der wusste schon, dass der kleine Markus genug bestraft worden war, und sagte nur: „Wos is? Morgen spuit Bayern, geh ma ins Stadion?“

In den vergangenen Jahren hat Markus Hörwick etwas Abstand zur Fußballwelt gewonnen. Bayernfan ist er zwar noch immer. Aber was ist schon der Fußball, wenn du neu gewonnene Freiheiten und drei Enkel hast, mit denen du die Welt entdecken kannst? (Joachim Burghardt)

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de

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