Spirituell sprayen

Graffiti-Künstler Loomit und die Kirchenmalerei

Loomit gehört zu den international bekanntesten Malern, die mit der Spraydose arbeiten. Dabei sieht er sich in der Tradition barocker Künstler.

Sprayen im Chorraum: Loomit arbeitet in Sankt Maximilian, München. © Kiderle

München - Loomit blättert durch seinen Zeichenblock. Eine Skizze ist schon detailliert ausgearbeitet. Es zeigt einen mächtigen Hai in einer Schraubzwinge, dessen Unterkiefer aus einem bedrohlich aussehenden Einkaufswagen besteht. Es ist die Skizze für ein großes Wandbild im Münchner Werksviertel am Münchner Ostbahnhof.

Wenn Loomit solche Bilder auf über hundert Quadratmeter sprüht, dann hat er neben Comics auch Vorbilder im Kopf, die der Betrachter nicht erwartet: bayerisch-schwäbische Kirchenmaler aus der Barockzeit. „Die haben auch nicht auf ein Stück Papier gearbeitet, sondern auf einer Mauer und ein Graffiti-Sprayer setzt sich ebenfalls mit der Architektur auseinander.“

Spicken bei Barockmalern

Loomit, der mit bürgerlichen Namen Mathias Köhler heißt, zählt zu den Pionieren und bekanntesten Vertretern dieser Kunst in Deutschland und hat auf der ganzen Welt gearbeitet. Daheim in München und Bayern ist er oft in Kirchen oder Kapellen zu finden. Dort holt sich der 51-jährige Anregungen für seine Wandbilder, die er mit der Spraydose malt, schaut sich Farbkompositionen, Ornamente oder Schriftzüge ab. Erst neulich hat er in einer Kirche bei Augsburg ein Deckengemälde bewundert, „und die Farben waren so, wie ein Graffiti-Künstler sie auch ausgesucht hätte“.

Loomit sieht noch eine weitere Verwandtschaft. So wie er heute, wollten seine Kollegen aus dem 18. Jahrhundert ihre Bilder nicht in Museen oder Galerien vor der großen Masse versteckt wissen, sondern möglichst viele Menschen ansprechen und erreichen. Obwohl er sich selbst als nichtgläubig bezeichnet, packt ihn zudem die spirituelle Ausstrahlung dieser Fresken, „denn ich respektiere und sehe, was aus Glaubenskraft erschaffen worden ist.“

Dass Bilder in einer sakralen Architektur besonders stark wirken, weiß Loomit aus einer Kindheit als Ministrant im schwäbischen Buchloe. Da hat er sich das Deckenfresko der Heilig-Geist-Kirche jeden Sonntag immer wieder gebannt und genau angeschaut. Darum nimmt Loomit auch gerne Aufträge aus einem Kloster oder einer Pfarrei an.

Sakraler Raum und Graffiti

Zuletzt hat er in der Münchner Sankt-Maximilians-Kirche ein monumentales Wandbild auf Leinwand gesprüht, ungefähr so groß wie zehn hochkant nebeneinander gestellte Tischtennisplatten. Wenn er eine S-Bahn-Unterführung ausmalt, würden die Menschen das Bild nur flüchtig im Vorbeigehen wahrnehmen, völlig anders als im Gottesdienst, erklärt Loomit. In Sankt Maximilian habe er sich in der Messe „wohlgefühlt, weil hier kommen Menschen zusammen, die eine soziale Interaktion haben, keiner das Smartphone herauszieht und die letzten What´s app-Nachrichten ansieht“.

Damit geht natürlich auch ein veränderter Blick auf die umgebende Kunst einher: „Dass es einen Ort gibt, wo einem gesagt wird, sei mal achtsam, das beeindruckt mich und kauft mir den Schneid ab“, bekennt der Graffiti-Star. Viele Kollegen in der Szene, die sich ebenfalls für religiöse Darstellungen interessieren, habe er aber nicht. In Südamerika, in Russland, aber auch im Iran, in einer muslimischen Spielart, sei das anders. An großen Graffitiarbeiten in Deutschland fallen ihm nur die Marienkirche im badischen Goldscheuer von Stefan Strumbel und die Matthäuskirche in Frankfurt des brasilianischen Künstlers Speto ein.

Kunst für junge Menschen

Dabei würde sich Loomit gerne noch stärker in die große Tradition der Beziehung von Kunst und Kirche einreihen. Gerade bei der Neugestaltung oder auch Zwischengestaltung von kirchlichen Gebäuden kann er sich eine engere Partnerschaft vorstellen. Auch zum Nutzen der Auftraggeber, „weil Graffiti-Kunst junge Leute anspricht“. Diese Art der Malerei und sakrale Räume gehen für ihn aber auch sonst gut zusammen. „Die Architektur bekommt eine andere Wirkung, das Historische wird etwas gebrochen, aber die vermittelten Inhalte basieren trotzdem weiter auf dem Glauben.“ Loomit hat sich beispielsweise auf einer Wand in New York auch mit den sieben Todsünden befasst und viele Kollegen haben diesen Impuls aufgegriffen.

Eigentlich befasst sich das geplante Wandgemälde mit dem unersättlichen Hai ebenfalls damit, denn es geht darin um nichts Anderes als um die Habsucht. Deshalb könnte das Bild sogar Papst Franziskus gefallen. Als eine bunte Riesen-Illustration zu seinem berühmt gewordenen Satz: „Diese Wirtschaft tötet“. Und Loomit könnte sich das Wandgemälde durchaus auch in einer Kirche vorstellen.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de