München – Dort, wo sie aufwuchs, kannte sie keine Christen, weil es kaum welche gab. An den Wänden zuhause hing kein einziges Bild. Heute gestaltet Mahbuba Maqsoodi (63) Malerfenster für Deutschlands älteste Klosterkirche. Die afghanische Künstlerin mit russischem Doktortitel hat einen weiten Weg hinter sich. Dabei kommt es ihr so vor, als hätte sich ein "versteckter Wunsch, der in mein Herz gesät wurde", erfüllt. Ihre Augen blitzen bei diesem poetischen Satz, eine kaum gebändigte graue Mähne umspielt ihre runden Wangen.
Es war in der achten Klasse im Fach Geografie, Europa war an der Reihe. Im Schulbuch fand Mahbuba Schwarz-Weiß-Fotos gotischer Kathedralen: Chartres, Notre-Dame. Deren schwerelos elegante Verbindung von Himmel und Erde faszinierte das Mädchen. Dass es selbst einmal für einen solchen Raum künstlerisch tätig sein würde - undenkbar.
Mit Bildung das Tor zur Welt geöffnet
Maqsoodi entstammt der Familie eines liberalen muslimischen Lehrers, sie ist die mittlere von sieben Töchtern. "Er hat uns nie geschlagen und er hat keine von uns verkauft", das rechnet sie ihrem Vater hoch an. Und dass er, der selbst eine Mädchenschule gründete, ihr mit Bildung das Tor zur Welt aufstieß, wo sie ihre große Neugier stillen kann.
Eines Tages zeigte ihr eine Schulfreundin ein bemaltes blaues Parfümfläschchen. Ein Erweckungserlebnis: Ich will malen können. Ihre Eltern engagierten einen Lehrer. Fazl Maqsoodi unterwies sie in der persischen Miniaturmalerei. So begann eine Liebesgeschichte, die sich nicht auf die Kunst beschränkte.
Die beiden heirateten, ein erster Sohn kam zur Welt, gemeinsam erhielten sie ein Stipendium, das sie über Umwege nach Sankt Petersburg führte. Das Paar genoss ein breites Kunststudium, mit Malerei auf Glas kam es erst später in Deutschland intensiv in Berührung. Nach Jahren bangen Wartens auf einen Asylentscheid, während in ihrer Heimat ein von ausländischen Mächten befeuerter Bürgerkrieg tobte. Mahbubas Lieblingsschwester war der Kugel eines Attentäters zum Opfer gefallen. "Ich habe durch die Flucht vieles verloren, aber auch die schönsten Entdeckungen gewonnen", sagt sie heute.