Eucharistie

Geistgewirkte Gegenwart

Jahrhundertelang hat die Kirche ihr Eucharistieverständnis mit Hilfe philosophischer Denkmodelle begründet. Dogmatiker wie Bertram Stubenrauch rücken davon nun ab.

Für das Verständnis von Eucharistie gibt es verschiedene Ansätze. © IMAGO / IP3press

München - Es ist vielleicht das Schwierigste am katholischen Glauben: das Verständnis der Eucharistie. Christus wird in der Eucharistiefeier tatsächlich gegenwärtig bei der Wandlung von Brot und Wein: Wir essen und wir trinken ihn, so sagt es die Lehre der Kirche. Kritiker stoßen sich seit jeher an dieser Glaubenswahrheit. Für die einen ist es purer Kannibalismus, andere meinen, es gehe dabei doch eher um ein Erinnerungsritual an das Letzte Abendmahl.

Wieso hält dann aber die Kirche bis heute so beharrlich an der Realpräsenz Christi fest? Weil sonst die Verbindung von Christus zu seiner Kirche verloren ginge, erklärt der Münchner Dogmatiker Bertram Stubenrauch. Denn Christus und die Kirche seien nicht identisch. „Wir können nicht sagen: wir feiern Eucharistie, wir sind Kirche und wir sind auch Christus. Es bleibt diese Distanz, und die ist dazu da, dass das Zeichen der Hingabe Jesu als Zeichen der Liebe deutlich bleibt.“

Modell der Transsubstantiation kommt katholischer Sicht am nächsten

Wie diese Liebesrealität zu deuten ist, damit beschäftigt sich die Theologie schon seit Jahrhunderten. Sie hat sich dabei immer auch die Philosophie zunutze gemacht, so Professor Stubenrauch. Dabei sind verschiedene theologisch-philosophische Denkmodelle entstanden. Durchgesetzt hat sich schließlich im ausgehenden Mittelalter Thomas von Aquin mit seinem Modell der Transsubstantiation. Mit Hilfe der antiken Philosophie des Aristoteles schafft Thomas den Spagat. Für den Griechen kann eine unveränderliche Substanz sich nämlich auch verändern.

Für die Eucharistie bedeutet das: die Gestalten von Brot und Wein bleiben durch die Wandlung unverändert, aber die Substanzebene wandelt sich. Aus den Substanzen von Brot und Wein werden gleichzeitig die Substanzen des Fleisches und Blutes Jesu. Für Stubenrauch ist es wichtig zu betonen, dass die Transsubstantiation von der Kirche nie dogmatisiert worden sei. Klar sei aber auch immer gewesen, „es kommt der katholischen Auffassung am nächsten.“

Christus ist gegenwärtig durch den Hl. Geist, nicht durch Denkmodelle

Bis heute hält die Kirche an diesem Modell fest, auch wenn es im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils Versuche gab, neue zeitgemäßere Denkmodelle zu entwickeln. Im Pontifikat von Papst Paul VI. habe man von einer Transfinalisation gesprochen, also die „Überzeugung, dass Brot und Wein zwar Lebensmittel sind, aber in der Eucharistiefeier bekommen sie einen anderen Zweck: nicht mehr den Leib zu nähren, sondern das geistliche Leben.“ Mittlerweile habe die katholische Theologie die Philosophie in dieser Frage eher beiseitegeschoben. Auch weil das Denken in Modellen den Streit über die Realpräsenz eher verstärkt als gelöst habe, meint der katholische Dogmatiker.

Bei den heutigen Forschungsbemühungen, die Eucharistie tiefer zu verstehen, spielten die biblischen Hintergründe im Zusammenhang mit der jüdischen Liturgie eine zentrale Rolle. „Von daher muss man einen ganzheitlichen Blick auf die Eucharistie gewinnen. Streitigkeiten über Modelle und Formulierungen sind nicht mehr angebracht“, meint Stubenrauch. Für ihn ist die Realpräsenz Christi ein Glaubensakt, der sich vor allem aus dem Wort Gottes erschließt.

Dabei sei die „pneumatische Realität“ entscheidend: „In der Kraft des Heiligen Geistes ist die Gabe der Eucharistie etwas Unüberbietbares. Wir empfangen eben nichts anderes als Christus. Wir essen nicht Brot und trinken Wein und denken uns dabei, jetzt ist Christus da, sondern was wir in die Hand bekommen ist Christus selbst, und diese Realität wird verbürgt durch den Heiligen Geist und nicht durch irgendwelche philosophischen Modelle.“

Vertrauen auf den Hl. Geist bedeutet nicht Verzicht auf die Lehre

Damit rücken aber auch der Einzelne und sein Glaube an diese Realität stärker als bisher in den Fokus. Umfragen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass gerade in westlichen Ländern eine Mehrheit der Katholiken, die regelmäßig die Eucharistiefeier besuchen, nicht mehr an die Realpräsenz glaubt. Professor Stubenrauch sieht diese Entwicklung gelassen, „denn wer soll messen, ab welchem Grad des Glaubens bin ich willkommen? Das kann niemand messen. Was in den einzelnen Herzen geschieht, muss man dem Heiligen Geist überlassen.“

Diese Haltung bedeute aber nicht, dass man einfach die Lehre verwässern darf und nicht mehr nachdenke über das, was hier geschieht. Das wäre der falsche Weg, betont Stubenrauch. Die Theologie habe immer die Aufgabe, das Glaubensbild für die Getauften zu schärfen. Was der Einzelne und sein Gewissen dann daraus machen, könne niemand kontrollieren und schon gar nicht erzwingen. Und das gilt aus der Sicht von Professor Stubenrauch auch für das Verständnis von Eucharistie.

Der Autor
Paul Hasel
Radio-Redaktion
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