Papst und Pandemie

Ende der Papstreise

Kaum ein Staatsmann tritt bei Auslandsbesuchen mit solchem Rückhalt der Massen auf; kein Popstar genießt solche protokollarischen Rechte: Der Papst reist wie kein Zweiter. Doch jetzt lähmt ihn die Pandemie.

Reisen wie hier in Abu Dhabi sind oft wichtige diplomatische Signale. © Paul Haring/ Cns/ Kna

Vatikanstadt – Das Virus dünnt den päpstlichen Kalender aus. Nachdem schon die Osterfeiern statt mit Zehntausenden in einem leeren Petersdom stattfanden, verschob der Vatikan den für September geplanten Eucharistischen Weltkongress in Budapest, das katholische Weltfamilientreffen 2021 in Rom und selbst den Weltjugendtag 2022 in Lissabon. Betroffen sind auch Pastoralbesuche im Ausland. Voraussichtlich wird 2020 das erste Jahr ohne Papstreise seit 1979.

Eine Visite in Malta Ende Mai ist bereits abgesagt. Im September sollte Franziskus neben Osttimor und Papua-Neuguinea auch Indonesien besuchen, das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt; doch örtliche Organisatoren baten um Verschiebung. Auch im Irak hofft man dieses Jahr nicht mehr auf den Papst - und an die ökumenische Friedensreise in den Südsudan mit Anglikaner-Primas Justin Welby, zugesichert im November, ist ohnehin derzeit nicht zu denken.

Züge eines Triumphzugs

Die Pandemie lähmt ein bedeutendes Instrument des Heiligen Stuhls; eine einzigartige Kombination von Staatsbesuch und religiösem Massenereignis. Als Souverän des Vatikanstaates betritt der Papst ausländisches Terrain stets nur auf offizielle Einladung und mit allen Ehren. Zugleich kommt er als Hirte seiner Kirche und bewirkt in der Regel eine erhebliche Mobilisierung.

Selbst wenn man Teilnehmerzahlen realistisch eindampft, bringt ein Papstbesuch Hunderttausende, ja manchmal Millionen Menschen auf die Beine und dominiert über Tage das Mediengeschehen. Seine Fahrten tragen teils Züge eines Triumphzugs. Als Staatsgast kann er seine Anliegen auch dort adressieren, wo die katholische Lehre nicht gern gehört wird. Große Gottesdienste dienen dazu, die Vitalität der Ortskirche zu demonstrieren.

Rekordpapst Johannes Paul II.

Welchen religionspolitischen Hebel und welche Ausdrucksform kirchlicher Identität Päpste mit dem Reisen in der Hand hielten, entdeckten sie erst in den 1960er Jahren. Davor hatte zuletzt Pius VII. eine längere Kutschfahrt unternommen - 1812 als Gefangener Napoleons nach Fontainebleau. 1964 eröffnete Paul VI. die Reihe der Papstreisen mit einem ökumenischen Versöhnungstreffen in Jerusalem. Johannes Paul II. war es dann, der das besondere Format von politischen Missionen und massenwirksamen Events schuf.

Der Papst aus Polen besuchte bei 104 Reisen 129 Länder, legte fast 1,2 Millionen Kilometer zurück. Seine Weltjugendtagsmesse in Manila 1995 vor einer unübersehbaren Menschenmenge sprengte alle bis dahin bekannten Dimensionen. Als er zu Pfingsten 1979 vor Hunderttausenden in Warschau um eine Erneuerung "dieser Erde" betete, wurde das zum Auftakt jener Bewegung, die zum Untergang des Kommunismus im "Ostblock" führte.

Wichtige Signale

Diese Besuchspolitik setzten seine Nachfolger fort, auch wenn sie bei Amtsantritt jeweils anderes erwarten ließen. Benedikt XVI. liegt mit 3,5 Visiten pro Jahr nicht sehr weit unter dem Schnitt des polnischen Reisepapstes, Franziskus mit 4,5 sogar darüber. Ob es den Oberhirten persönlich in den Reiseschuhen juckt oder nicht: Alle paar Monate in ein Charterflugzeug zu steigen - einen eigenen Jet besitzt der Vatikan nicht - gehört inzwischen zum päpstlichen Leitungsdienst.

Gerade auf diplomatisch schwierigem Terrain erwies sich immer wieder als hilfreich, wenn sich der Chef selbst in Bewegung setzte. In Großbritannien konnte Benedikt XVI. die traditionell kühle Stimmung gegenüber dem Katholizismus zum Besseren wenden. Das historische Treffen zwischen Papst Franziskus und dem russischen Patriarchen Kyrill I. war weder in Rom noch in Moskau möglich, aber in Kuba. Dass der Vatikan auf die Arabische Welt zugehen will, erhielt Nachdruck durch den Papstbesuch in Abu Dhabi.

Die Stärke wird zum Schwachpunkt

Ein Signal wäre im Herbst die Reise nach Indonesien gewesen, mit 227 Millionen Muslimen das größte islamische Land der Welt. Die Kardinalsernennung von Jakartas Erzbischof Ignatius Suharyo Hardjoatmodjo im Oktober deutete an, dass Franziskus aufmerksam auf diese Region schaut.

Wann er wieder zu solchen Missionen aufbrechen kann, steht dahin. Ihre zwangsläufige Verbindung mit Großereignissen, sonst eine Stärke, zeigt sich in Corona-Zeiten als Schwachpunkt - umso mehr in Ländern ohne solides Gesundheitssystem. Und das sind die meisten, für die sich der Papst interessiert, und größtenteils die Wachstumsregionen der katholischen Kirche in Afrika und Asien. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie