Auswirkungen von Corona

Papst und Vatikan im Ausnahmezustand

Seit März ist der Betrieb im Vatikan stark heruntergefahren. Trotz Shutdown schafft es Papst Franziskus sich Gehör zu verschaffen und Menschen Hoffnung zu spenden.

Ungewöhnlich leer präsentiert sich der Petersplatz Papst Franziskus bei seinem Blick aus dem Fenster. © imago images / Independent Photo Agency Int.

Der Petersplatz abgesperrt, die Vatikan-Basilika menschenleer, alle öffentlichen Papst-Termine abgesagt. Schweizergarde und Gendarmerie tragen Schutzmasken, auch in den Kurienbehörden haben sie sich inzwischen durchgesetzt. Die Generalaudienzen und das sonntägliche Mittagsgebet von Franziskus, zu denen sonst viele Tausende in den Vatikan kommen, sind nur als Livestream zu verfolgen. Seit die Corona-Krise Italien dramatisch erfasst und einen Lockdown ausgelöst hat, herrscht auch im Vatikan ein Ausnahmezustand.

Am 10. März hatte Italien sein öffentliches Leben weitgehend heruntergefahren. Der Vatikan schloss sich am gleichen Tag mit ähnlich strengen Normen an. Die 5.000 Mitarbeiter des Papstes in der Kurie und im Vatikanstaat mussten ihre Arbeit umstellen, teilweise einstellen. Zwar blieben Gesundheitsamt, Apotheke und Supermarkt geöffnet, aber die Museen, eine der Haupteinnahmequellen des Vatikan, machten zu, ebenso die Buchläden und Postämter.

Schrittweise aus dem Shutdown

Seit Anfang Mai fährt der Vatikan wieder langsam und schrittweise aus dem Shutdown hoch. Aber noch für viele Monate wird Corvid-19 den Alltag des Papstes und die Abläufe im Vatikan bestimmen. Papstreisen werden für absehbare Zeit nicht stattfinden. Auch die nächsten Großveranstaltungen bis hin zum Weltjugendtag (WJT) 2022 in Lissabon wurden verschoben, der WJT auf 2023. Auch in die Kirchengeschichte wird 2020 als Ausnahmejahr eingehen. Und damit verbunden bleibt die Frage, wie der Vatikan mit den Herausforderungen umgegangen ist, und was er daraus gelernt hat.

Ganz anders als sonst waren diesmal die Liturgien der Kar- und Ostertage in Rom. Papst Franziskus zelebrierte sie vor gerade zehn Gläubigen in der Vatikan-Basilika. Auch den Ostersegen „Urbi et orbi“ spendete er im leeren Dom. Schon im März hatte er ein außergewöhnliches Zeichen gesetzt, als er mit diesem feierlichsten Segen der Kirche auf den Stufen des leeren Petersplatzes ein Ende der Pandemie erflehte.

Trotz Corona keine Pause

Mit Beginn der Krise hatte der Papst alle Audienzen und öffentlichen Termine abgesagt. Wegen der Reisebeschränkungen konnten ohnehin keine offiziellen Besucher kommen. Franziskus, der mit seinen 83 Jahren und einem Lungendefekt selbst zur Risiko-Gruppe zählt, wurde mehrfach auf das Virus getestet – negativ. Aber auch im Lockdown ging die Arbeit für ihn und die Kurialen weiter, wenn auch teilweise auf Sparflamme. Die Behörden führten Schichtdienst und Gleitzeit ein. Homeoffice war aufgrund der vatikanischen Geheimhaltungs-Normen nur bedingt möglich. Aber die täglichen Ernennungen neuer Bischöfe oder der Erlass neuer Dekrete zeigten, dass der Vatikan auch unter Corona nicht Pause macht.

Anstelle öffentlicher Audienzen und persönlicher Begegnungen setzt Franziskus verstärkt auf digitale Präsenz – mit überraschender Außenwahrnehmung. Die aus dem Papst-Palast übertragene Generalaudienz wird von mehr Personen verfolgt, als üblichcherweise auf dem Petersplatz teilnehmen. Als medialer Erfolg erweist sich auch die Frühmesse, bei der Franziskus jeden Morgen neu auf die vielen Facetten der Pandemie eingeht.

Papst Franziskus findet in der aktuellen Krise breite Resonanz mit seinen Appellen und Gebeten, mit politischen Botschaften und diskreter Diplomatie, mit akademischen Expertisen und humanitären Gesten. Seine Osterbotschaft erreichte ein Milliarden-Publikum, in der er eine Lockerung internationaler Sanktionen und einen Schuldenerlass für arme Länder forderte. Er ist gefragter Gesprächspartner, der etwa mit Bundeskanzlerin Merkel über Zusammenhalt und Solidarität in Europa und in der Welt telefonierte, aber auch über besondere Hilfen für ärmere Länder.

Moralische Bezugsgröße

Zu Beginn der Epidemie Anfang Februar schickte der Vatikan 700.000 Schutzmasken in das besonders betroffene China. Die Chinesen revanchierten sich später mit Hilfslieferungen an den Papst und die italienische Caritas. Außerdem gründete Franziskus bei seinem Entwicklungs-Ministerium eine Kommission, die Leitlinien für den weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie erarbeiten soll. In einem offenen Brief an katholische Arbeitnehmerverbände brachte er ein Grundeinkommen für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen – Müllsammler, Erntearbeiter, Kleinbauern, Bauarbeiter – ins Gespräch. Schließlich unterstützte der Papst die Initiative des von den Arabischen Emiraten getragenen „Hohen Komitees der menschlichen Brüderlichkeit“ für die weltweite Gebetsaktion aller Religionen am 14. Mai gegen die Pandemie. Auch ein Indiz, wie sehr Franziskus in der Krise zu einer moralischen Bezugsgröße über Länder- und Religionsgrenzen hinweg geworden ist. (Johannes Schidelko, Redakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie