Nachhaltiger Bau

Ein Campus aus Lehm

In Traunstein errichtet das Erzbistum München und Freising einen nachhaltigen Bildungscampus. Neben Internat und Kindergarten entsteht ein zentrales Campusforum – gebaut aus Lehm.

Schon beim Bau des neuen Bildungscampus wird auf Nachhaltigkeit geachtet. © SMB/Bauer

Wolfgang Dinglreiter führt eine Gruppe ehemaliger Internatsschüler über das Gelände von St. Michael in Traunstein. Es ist eine riesige Baustelle, so groß wie sechs Fußballfelder. Seit 2015 leitet der Theologe das Internat und ist außerdem Stiftungsdirektor des Campus St. Michael. Als das Internat 1929 gegründet wurde, wollte man jungen Menschen Zukunft ermöglichen. Dieser Leitgedanke soll am neuen Campus nicht nur in Bezug auf Bildung, sondern vor allem in Sachen Nachhaltigkeit sichtbar werden. Ganz im Sinne der Umweltenzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus. „Deshalb wollten wir schon beim Bau nachhaltige Stoffe verwenden“, erklärt
Dinglreiter.

Das neue Internat ist aus Holz. Der zentrale Forumsbau, der künftig ein inklusives Café, einen Secondhandladen, eine Mensa und Beratungsräume beherbergen soll, wird Deutschlands erster freitragender Lehmbau werden. Ausgedacht hat sich das Gebäude die Architektin Anna Heringer aus Laufen (siehe Seite 6). Gebäude aus Lehm sind ihr Spezialgebiet. Wo andere nur Dreck sehen, liegt für sie der „Champion unter den Baustoffen“.

85 Prozent weniger Energiebedarf als Zement

Lehm besteht aus erodiertem Gestein und kommt überall auf der Welt vor. „Er liegt quasi unter unseren Füßen“, so die Architektin, „bei uns gilt er aber als Abfallprodukt.“ Dieser sogenannte Aushub entsteht bei nahezu jeder Baumaßnahme. Der dabei abgetragene Lehm muss teuer entsorgt werden. „Dabei ist das ein wunderbares nachhaltiges Material für die Mitwelt und uns Menschen“, gibt Heringer zu bedenken. Ihr zufolge fördert Lehm ein besseres Raumklima und reduziert die Schimmelbildung. Das Campusforum besteht größtenteils aus vorgefertigten Stampflehmblöcken. Diese werden getrocknet, was rund 85 Prozent weniger Primärenergie verbraucht als das Brennen von Zement.

Grundsätzlich kann man überall mit dem wasserlöslichen Baustoff arbeiten. Selbst dort, wo es viel regnet und schneit, leidet ein Lehmbau nicht, wenn man bestimmte Regeln einhält. Es braucht ein gutes Fundament, und es gilt zu verhindern, dass es von oben in die Wände hereinregnet. An den Seiten haben die Mauern darüber hinaus Leisten, die das Wasser davon abhalten sollen, schnell die Wände hinunterzufließen. „Das bremst die Erosion wie eine Wildbachverbauung“, erklärt die Architektin.

Lehm kann fast unbegrenzt wiederverwendet werden

Die Wasserempfindlichkeit des Lehms ist zugleich auch eine seiner größten Stärken. Lehm kann nahezu unbegrenzt wiederverwendet und repariert werden. In Traunstein sind die Lehmwände deshalb naturbelassen. An der braunen Farbe der Mauern und daran, dass sie gerade in den unteren Stockwerken dicker sind als zum Beispiel Ziegelwände, sieht man sofort, dass das Gebäude anders ist als herkömmliche Bauten. Der gesamte vordere Teil besteht aus tragenden und sichtbar verwitterten Lehmwänden.

Trotzdem konnte nicht beim gesamten Gebäude auf diesen hierzulande bislang so ungewöhnlichen Baustoff zurückgegriffen werden. Das Fundament musste aus Beton gebaut werden. An anderen Stellen verhinderten Bauvorschriften und hohe Kosten die hundertprozentige Nutzung von Lehm. Obwohl das Material billig ist, sind die Kosten für Handwerker in dieser Nische des Bausektors enorm. Das trifft auf viele Bereiche ökologischen Bauens zu, bedauert Heringer. „Ein Irrsinn“, den auch der neue Lehmbau aufzeigen soll.

Gesamtkosten von rund 43 Millionen Euro

Die Architektur des Campus soll ein Zeichen für eine nachhaltige Zukunft setzen. Insgesamt rund 43,2 Millionen Euro wird das Projekt voraussichtlich kosten, finanziert von der Erzdiözese, der Bischof-Arbeo-Stiftung und öffentlichen Zuschüssen. Allein der zentrale Lehmbau schlägt mit fast 19 Millionen Euro zu Buche. Spätestens 2025 soll der Komplex fertig sein.

Dinglreiter ist überzeugt, dass das Geld gut angelegt ist. Die Kirche sei immer schon Vorreiter in der Architektur gewesen, so der Campusdirektor. Außerdem verkörpere der Lehmbau das Kernanliegen des Campus St. Michael, Nachhaltigkeit erlebbar zu machen. Da scheut sich der Theologe auch nicht vor einem Bibelvergleich: „Gott nimmt Lehm und haucht ihm Leben ein – und wir versuchen hier auch, Gottes Geist lebendig werden zu lassen.“ Menschen sollen hier erkennen, was ihre Verantwortung ist, und Inspiration finden, nachhaltig zu leben.

 

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
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