Kultstätte entdeckt

1.000 Jahre alte Kultstätte auf Fraueninsel im Chiemsee entdeckt

Nur zwölf Hektar groß ist die Fraueninsel mit dem berühmten Benediktinerinnenkloster Frauenwörth. Auf dem kleinen Eiland im Chiemsee entdeckten Denkmalpfleger nun eine Sensation. Muss die Geschichte umgeschrieben werden?

Auf der Fraueninsel wurde bei Bodenradarmessungen eine bisher unbekannte Kultstätte entdeckt. © IMAGO / Pond5 Images

Ein Team des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) hat bei Bodenradarmessungen auf der Fraueninsel im Chiemsee unerwartet Grundmauern eines achteckigen Zentralbaus gefunden. Weder in Schriften noch auf historischen Karten sei die Kultstätte bisher überliefert gewesen, teilte das Landesdenkmalamt am Mittwoch in München mit. Eigentlich habe die Bauentwicklung des wohl durch Herzog Tassilo III. um 782 gegründeten Klosters als gut erforscht gegolten. Doch über den Rest der Insel sei relativ wenig bekannt gewesen.

"große Überraschung"

"Im Bereich des Fundes gab es die zum Kloster gehörende, erstmals für das Jahr 1393 überlieferte Kirche Sankt Martin", führt der Bürgermeister der Gemeinde Chiemsee, Armin Krämmer, aus. Sie habe sich auf dem höchsten Punkt der Insel befunden und sei 1803 im Zuge der Säkularisation abgerissen worden. Dass es einen älteren Vorgängerbau gegeben habe, "das ist auch für uns eine große Überraschung".

Um den genauen Standort der abgerissenen Saalkirche zu lokalisieren, fanden den Angaben zufolge im Sommer 2023 Messungen auf dem Dorfanger nördlich der bekannten Tassilolinde statt. In einer Tiefe von 50 bis 70 Zentimeter seien die Denkmalpfleger auf Fundamente gestoßen, deren Grundriss mit der Ansicht der Kirche auf dem 1701 veröffentlichten Stich von Michael Wening korrespondiere.

Die Radardaten zeigten aber auch, dass es an dieser Stelle noch einen älteren Bau gegeben habe: So zeichneten sich in einer Tiefe von 80 bis 100 Zentimeter weitere Grundmauern ab und ließen einen achteckigen Zentralbau mit einem durch acht Stützen gebildeten Umgang und vier kreuzförmig angeordneten Anbauten erkennen. Der Durchmesser des Bauwerks liege bei 19 Metern. Derzeit werde darüber nachgedacht, den Grundriss im kommenden Sommer in Form einer Bepflanzung sichtbar zu machen.

Bau zu Ehren der selige Irmengard?

Nach den Worten von Generalkonservator Mathias Pfeil sind Zentralbauten in der vorromanischen und romanischen Sakralarchitektur nördlich der Alpen äußerst selten. In Bayern wurden bisher lediglich Sankt Andreas in Bamberg (um 1050) und Sankt Gallus in Würzburg (um 1130) nachgewiesen. Die Wissenschaftler vermuten im Fall von Frauenchiemsee, dass der frühe Bau im Zusammenhang mit der Verehrung der seligen Irmengard stehen könne. Die Tochter König Ludwigs des Deutschen und Urenkelin Karls des Großen war Äbtissin des zum Reichskloster aufgestiegenen Konvents Frauenwörth.

Irmengard wurde 866 in der Abteikirche bestattet. Zwischen 1001 und 1020 wurde ihr Grab geöffnet, um eine Reliquie zu entnehmen und um damit ihre Verehrung zu fördern. Zeitgleich kam es zu einem Klosterneubau, von dem heute noch die Torhalle, die frühromanische Abteikirche und der Glockenturm erhalten sind. Möglicherweise sei dabei auch der zusätzliche Memorialbau entstanden, der in Anlehnung an die Jerusalemer Grabeskirche als Ziel für Pilger dienen sollte. - Irmengard wurde 1928 selig gesprochen. Zu ihrem Grab pilgern bis heute besonders Frauen mit Kinderwunsch. (kna)