Wie viel Kirche braucht Kirche?

In Forstenried wird an kirchlicher Immobilienstruktur gearbeitet

Das Dekanat München-Forstenried wurde angefragt, eines von zwei Pilotprojekten der Immobilienstrategie des Erzbistums zu werden. Worum es dabei geht und wie sich das Projekt auswirken könnte, erfahren Sie hier.

Die Kirche Wiederkunft des Herrn in Neuforstenried © Wikimedia Commons - Cmcmcm1

Im Rahmen des Projektes soll für die Gebäude der Pfarreien des Dekanats eine Immobilienstrategie entwickelt werden, die zukünftig finanziell tragbar ist. Der finanzielle Bedarf soll ermittelt, die zur Verfügung stehenden Eigenmittel mit den zu erwartenden Ausgaben verglichen werden. Aus dem pastoralen Konzept sind die erforderlichen pastoralen Räume abzuleiten.

Sollte bei dem Vergleich herauskommen, dass eine Immobile erforderlich, aber nicht finanzierbar ist, so soll innerhalb des Dekanates geprüft werden, ob benachbarte kirchliche Einrichtungen mitgenutzt werden können. Dabei ist zu erwarten, dass einige kirchliche Immobilien aus der bisherigen Nutzung fallen, anders genutzt oder verwertet werden.

Eigene Pfarrkirche identitätsstiftend

Das Dekanat Forstenried ist ein Großstadtdekanat mit rund 47.000 Katholiken auf einer Fläche von 49 Quadratkilometern. 14 Pfarreien mit 21 sakralen Bauten sind vorhanden. Heute stehen statistisch 6.000 Euro Bauzuschuss pro Gebäude und Jahr zur Verfügung. Das reicht für die Einzelgarage des Pfarrhauses, aber nicht für eine Kirchensanierung. Würde man jede zweite Pfarrkirche des Dekanats schließen, würde sich die Gehzeit von zehn auf rund 20 Minuten erhöhen. Bei einer Gottesdienstbesucherquote von etwa 4 Prozent am Sonntag wäre eine große Kirche für die 1.800 Gottesdienstbesucher des Dekanats mit Vorabendmesse und drei Messen sonntags ausreichend.

Historisch gehörten etliche Pfarrgemeinden vor 1938 zu eigenständigen Gemeinden. Das Dorfbewusstsein ist noch vorhanden und die eigene Pfarrkirche identitätsstiftend. Etliche Kirchenstiftungen besitzen erheblichen Grundbesitz, der in der teuren Stadtlage ein Vermögen darstellt. Dieser wurde oft zweckgebunden gestiftet, zum Beispiel für die Errichtung der Kirche oder für eine Nutzung durch bedürftige Personen. Auch die „reichen“ Pfarreien in unserem Dekanat schwimmen nicht mehr im Geld und müssen den Haushalt genau planen.

Sanierungskosten lassen sich kaum mithilfe von Statistik berechnen

Wie soll das Team des Pilotprojektes sicher bewerten, was die Sanierung der Gebäude heute, in zehn oder 20 Jahren kostet? Die Kosten einer Sanierung bei einem alten Bauwerk kann man nicht verlässlich aus statistischen Daten ableiten. Baukosten bedürfen stets einer Kostenschätzung oder Kostenberechnung nach DIN 276, welche auf unterschiedlich tiefen Planungen der Maßnahme beruht. Die gibt es meistens nicht. Alles andere ist eine unsichere Schätzung. Insofern stellt der Prozess der Immobilienstrategie eine notwendige, jedoch grob geschätzte Momentaufnahme dar. Sollten sich Randbedingungen wie Kirchensteuer oder Heizungsgesetz ändern, muss nachgesteuert werden.

Unabhängig von Kennzahlen und Priorisierungen bleibt es allen Kirchenstiftungen überlassen, den Bauunterhalt finanziell eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Dafür wünschen wir uns mehr Freiheit von den Vorgaben und Bauvorschriften der Diözese. Warum gehen wir davon aus, dass die Kirchensteuereinnahmen nun länger sinken werden? Haben nicht Wohlstand und Sicherheit die Kirche und Gott lange überflüssig gemacht? Die Krisen um uns geben Anlass zur Sorge und zum Umdenken. Hoffentlich führt dies längerfristig zu einer Rückbesinnung auf den christlichen Glauben und zu einem Bekenntnis zur Kirche vor Ort. Dann müssten wir nur eine Übergangszeit bewerten und hätten nicht nur an Weihnachten volle Kirchen, die wir sonst nicht finanzieren könnten. (Jens-Uwe Raab, Vorsitzender des Dekanatsrats München-Forstenried)