Katholische Bibelarbeit

Die Einheitsübersetzung der Bibel – das macht sie besonders

2016 wurde von der Deutsche Bischofskonferenz (DBK) die überabeitete Einheitsübersetzung veröffentlicht. Seit drei Lesejahren ist sie in den Gottesdiensten zu hören. Die Veränderungen fallen auf.

An die Veränderungen der Einheitsübersetzung der Bibel müssen sich Gläubige erst gewöhnen. © manusapon - stock.adobe.com

Die Einheitsübersetzung ist die katholische Übersetzung für alle Bereiche kirchlichen Lebens (Liturgie, Katechese, Verkündigung, private Lektüre et cetera) im gesamten deutschsprachigen Raum. Von daher hat sie den Namen „Einheits“-Übersetzung erhalten. Den Anfangsimpuls zu diesem besonderen Bibelübersetzungsprojekt gab 1960 das Katholische Bibelwerk e. V. mit einer sogenannten „Denkschrift“ und dem Wunsch nach einer einheitlichen deutschen Übersetzung.

Die Einheitsübersetzung ist ein „Kind“ der innerkirchlichen Erneuerungen Anfang des 20. Jahrhunderts und rund um das Konzil. Sie bietet auch in der Revision eine Übersetzung aus den Urtexten in ein gehobenes Gegenwartsdeutsch, weder zu feierlich noch zu alltagssprachlich.

Evangelische und katholische Bibelübersetzung hören

Nach über 20 Jahren mehrten sich aber die Stimmen, die vor allem eine neue Annäherung an die aktuelle Gegenwartssprache sowie die Korrektur von Übersetzungen forderten, deren Textgrundlage oder theologische Interpretation sich verändert hatte. Die Intensität der Veränderungen ist je nach Buch verschieden stark ausgeprägt.

Fast zeitgleich erschien auch eine Revision der Lutherbibel. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx empfahlen anlässlich einer ökumenischen Bibeltagung 2017 in Stuttgart eindrücklich, in ökumenischen Kontexten immer Texte aus beiden Fassungen zu Gehör zu bringen. Dies ist in vielen Gemeinden und Bibelgruppen seit Jahren üblich und wird auch beim ökumenischen Bibelsonntag so praktiziert.

Besondere Schreibweise vom Namen Gottes in neuer Einheitsübersetzung

Analog zu anderen deutschsprachigen Übersetzungen wie zum Beispiel der Lutherbibel umschreibt die neue Einheitsübersetzung den Gottesnamen „JHWH“ mit „herr“ (in der besonderen Schreibweise von Kapitälchen) und macht ihn so eindeutig erkennbar – wenn auch nicht in der Liturgie hörbar. Das geschah vor allem aus Respekt gegenüber der jüdischen Praxis, den heiligen Gottesnamen nie auszusprechen, sondern mit Ehrenworten wie beispielsweise „Herr“ oder „der Name“ zu umschreiben.

Im hebräischen Text stehen nur die Konsonanten des Gottesnamen J-H-W-H, die später eingefügten Vokale stammen vom Ersatznamen, zum Beispiel adonaj – mein Herr. Beim Vorlesen wird mit dem Ersatzwort „mein Herr“ die Nennung des Gottesnamens vermieden. Das zu erkennen, lernen jüdische Kinder in ihrer religiösen Erziehung. Weiß man das nicht, wird aus „J-H-W-H“ zum Beispiel der Unfug „JeHoWaH“. In der alttestamentlichen Lesung aus Nehemia 8 von diesem Sonntag wird das etwa in Vers 10 sichtbar: „… heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn (kein Gottesname). … die Freude am „herrn“ (Kapitälchen verweisen auf den Gottesnamen) ist unsere Stärke.

Eine Überraschung wird für viele die Einführung von inklusiver Sprache sein, wenn eine Gruppe aus Männern und Frauen besteht, wie beispielsweise in der Anrede an die Gemeinde als „Brüder und Schwestern“ in den Paulusbriefen. Im Lesungstext aus Nehemia 8 wird auch im hebräischen Text in Vers 2 inklusiv formuliert: „… der Priester Esra brachte die Weisung vor die Versammlung, Männer und Frauen, und alle, die schon mit Verstand zuhören konnten.“

„Frohe Botschaft“ in Jesaja

In diesem Vers zeigt sich eine weitere Neuerung in der revidierten Fassung der Einheitsübersetzung. Oft hatte die „alte EÜ“ die Texte im Blick auf die Verständlichkeit „einfacher“ gemacht und viele sprachliche Bilder abgeflacht. So hieß es in der alten Fassung in Neh 8,2: „… die das Gesetz verstehen konnten“ – das ist etwas anderes als „zuhören können“. Zudem verwendet die neue Fassung hier nicht mehr den oft antijüdisch missverstandenen Begriff „Gesetz“, sondern gibt „Tora“ als „Weisung“ wieder.

Sehr häufig ist in der neuen Fassung der biblische Sprachgebrauch viel wörtlicher beibehalten: Der „Bericht“ in Lukas 1,1 ist eben im griechischen Text „eine Erzählung“, die Botschaft des Propheten Jesaja, die Jesus in Lukas 4,18 vorliest, ist eine „frohe Botschaft“, keine „gute Nachricht“. Das „Buch“ in Lukas 4,20 ist eben eine jüdische „Schriftrolle“. In 1 Kor 12,12 liest man nicht mehr: „wie der Leib eine Einheit ist“, sondern „wie der Leib einer ist“. Damit wird das Sprachspiel von eins und viele deutlicher hörbar. Auch wird in 1 Kor 12,28 nicht mehr von „Wundern“ gesprochen, sondern wie im griechischen Wortlaut von „Machttaten“. 

Vollständig überarbeitet wurden auch die Einleitungen zu den biblischen Büchern, die Überschriften über Sinnzusammenhänge, der Anmerkungsapparat, sowie die Anhänge insgesamt. Schlägt man Lukas 4 in einer Bibelausgabe nach, wird man eben nicht mehr als Überschrift von der „Ablehnung Jesu in seiner Heimat“ lesen, sondern von seiner „Antrittsrede in Nazaret“.

Sensibilität für Übersetzungen fehlt an manchen Stellen

Vielleicht sind Sie auch am vergangenen Sonntag (oder gar am Heiligen Abend) erschrocken bei der alttestamentlichen Lesung aus Jesaja 62,5: „Wie der junge Mann die Jungfrau in Besitz nimmt, so nehmen deine Söhne dich in Besitz.“ Für unsere Ohren ist das ein unerträglicher Ausdruck. Und ja, man kann sich wirklich fragen, ob man hier nicht besser anders übersetzt hätte oder einfach bei der Variante der alten Einheitsübersetzung geblieben wäre: „wie sich der junge Mann mit der Jungfrau vermählt“. Das hebräische Wort für Ehemann kommt zwar vom Verb „besitzen, beherrschen“, und sicher entsprach die antike Praxis der Ehe nicht dem heute üblichen partnerschaftlichen Ideal. Trotzdem hört sich dieser Satz heute wie eine Vergewaltigung an.

Und man fragt sich, wieso die Übersetzenden hier nicht sensibler waren im Blick auf die Lesenden und Hörenden in liturgischen Kontexten. Die Assoziationen von Gewalt, ja sexueller Gewalt, verhindern es für die meisten Menschen, die frohmachende Botschaft des Abschnittes wahrzunehmen. Im Kontext von Jesaja 62 handelt es sich hier nicht um Androhung von Gewalt und Herrschaft, sondern gerade um das Gegenteil: Das Land Israel, das zerstört und unfruchtbar war durch die Kriegserfahrungen, wird wieder besiedelt, die Äcker und Felder werden wieder bestellt. Das Land kann die Menschen wieder ernähren, Getreide, Wein und Öl werden wieder geerntet werden. Das ist die Pointe des Vergleiches: ein Aufruf zur Zuversicht und Freude!

Übersetzungen in der Bibel können eigenen Vorstellungen widersprechen

Persönlich habe ich bisher am intensivsten Rückmeldungen zur Umschreibung des Gottesnamens in Ex 3,14 erhalten. Hier wurde aus dem so vertrauten „Ich-bin-da“ das sprachlich sicher korrektere „Ich-bin“. „Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt.“ Viele haben das Streichen des „da“ wie einen schmerzlichen Verlust des vertrauten Gottesbildes „Ich-bin-da“ erlebt. Auch diese Veränderung hat ihren Ursprung auch in dem Bemühen, näher am Wortlaut der Texte zu bleiben. Allerdings zeigt sich hier eben ein grundsätzliches Problem von Übersetzungen: dass niemals alle Sinndimensionen einer Aussage ganz korrekt in eine andere Sprache übertragen werden können.

Man verliert immer etwas. Im Beispiel von Ex 3,14 scheitern wir im Deutschen daran, dass wir nur in den Kategorien Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sprechen können. Das Hebräische organisiert aber seine Zeitwahrnehmung in abgeschlossene und nicht abgeschlossene Handlungen. Das Verb von „sein“ in der Selbstbezeichnung Gottes ist nicht abgeschlossen. Deshalb kann zum Beispiel die aktuelle Lutherübersetzung 2017 mit Futur übersetzen: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Die Einheitsübersetzung von 1980 versuchte diesen Aspekt im Wörtchen „da“ auszudrücken, die Einheitsübersetzung von 2016 entschied sich für eine Art „immerwährende Gegenwart“.

„Richtig“ werden Übersetzungen wohl immer nur im Wahrnehmen von verschiedenen Versuchen. Kostbar werden biblische Verse immer dann, wenn sie innerlich bei den Lesenden etwas zum Klingen bringen und wenn diese mit der eigenen Gottesbeziehung ins Gespräch kommen. (Katrin Brockmüller, Geschäftsführende Direktorin des Katholischen Bibelwerks e. V. und Autorin des Buches „Die neue Einheitsübersetzung entdecken“.)

Buchtipp

Bibel

Die Bibel, Einheitsübersetzung

Die offizielle Gesamtausgabe. Revidierte Einheitsübersetzung 2017

9.9 € inkl. MwSt.

Hier bestellen