Gefährliche Situation in ehemaliger Stiftskirche

Das "Glockenwunder" von Beuerberg

Und plötzlich herrschte größte Absturzgefahr: Die große Glocke von St. Peter und Paul in Beuerberg - immerhin mit Klöppel fünf Tonnen schwer - hing vor kurzem am seidenen Faden und drohte abzustürzen. Wie die Geschichte dennoch ein gutes Ende fand.

So ruht die Glocke nun auf den Holzbalken auf. Gefahr gebannt. © Häglsperger

Beuerberg – Dass es ein Wunder war, sagte zunächst nicht ich als Pfarradministrator, dem berufsbedingt solche Aussagen ja naheliegen. „Es war ein Wunder“, so urteilte der sachkundige Glockengießer Rudolf Perner aus Passau, „dass die fünf Tonnen schwere Peter-und-Paul-Glocke in Beuerberg nicht abstürzte.“

Stahlbolzen waren gerissen

Was war passiert? Am Abend vor Christi Himmelfahrt war Mesner Franz Zimma in der ehemaligen Stiftskirche St. Peter und Paul mit den letzten Vorkehrungen für den Festgottesdienst am folgenden Tag beschäftigt, als das programmierte Gebetsläuten einsetzte. Dabei bemerkte er, dass der Anschlag der großen Glocke einseitig und aus dem Takt klang, und schaltete sicherheitshalber die Automatik ab. Als er im Turmaufgang nachschaute, entdeckte er am Boden zwei Schraubenköpfe liegen, mit denen die Glocke am Joch befestigt war. Der zweite Mesner Andreas Urban kletterte am Glockenstuhl empor und schoss Fotos aus nächster Nähe: Zwei der vier 35-Millimeter-Stahlbolzen aus der Aufhängung waren gerissen.

Bilder und Nachricht gingen an die Glockengießerfirma Perner nach Passau, die mit dem Wartungsdienst der Läuteanlage betraut ist. Rudolf Perner gab postwendend folgenden Befund ab: Es bestehe „größte Absturzgefahr“ bei der Peter-und-Paul-Glocke aus Gussstahl mit einem Gewicht von 4,4 Tonnen (mit Klöppel fünf Tonnen). Sie hänge am sprichwörtlichen seidenen Faden und sei „nur noch nicht abgestürzt, weil einer der gerissenen Bolzen in der Glockenbohrung noch drinsteckt. Dieser ist aber schon verbogen und hält nur noch mit Verklemmung zwischen Glocke und Joch! Wenn dieser Bolzen bricht, dann brechen auch die anderen und die Glocke stürzt ab. Unter der Glocke zu stehen, ist bereits lebensgefährlich.“

Doppelter Boden sorgt für Sicherheit

Ein Befund, der die Pfarrei Beuerberg in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Perner bot an, sofort ins Auto zu steigen, um vor Ort zusammen mit den Verantwortlichen der Pfarrei und dem staatlichen Hochbauamt Weilheim, welches für den Bauunterhalt der einstigen Klosterkirche zuständig ist, nach einer Lösung zu suchen. Ergebnis: Die Glocke musste schnellstens mit Holzbalken unterbaut werden, sodass sie an den Rändern aufruht und nicht mehr abstürzen kann. Dieses Vorgehen erschien insofern möglich, da im Turm neben dem Glockenstuhl ausreichend Platz war und sich so eine Plattform als sichere Arbeitsfläche außerhalb des unmittelbaren Gefahrenbereichs direkt unter der Glocke befand. Sollte diese während der Sicherungsarbeiten abstürzen und Teile des Holzbodens beim Durchschlagen nach oben katapultiert werden, wurde mit einigen Holzläden auf den Eisenträgern des Glockenstuhls ein doppelter Boden als Arbeitsfläche eingezogen, sodass keine Gefahr durch hochgeschleuderte Holzteile bestand.

Gefahr durch Absturz konnte vermieden werden

Als glücklicher Umstand befindet sich über dieser Arbeitsfläche fast auf gleicher Höhe mit der Glocke in der Turmwand eine kleine Luke, durch die von außen die Holzbalken eingeführt und dann unter die Glocke geschoben werden konnten, ohne dass sich jemand unter die Glocke begeben musste. Gesagt, getan. Kirchenpfleger Vitus Sterzer, der einen ortansässigen Zimmereibetrieb führt, schnitt sofort einige Kubikmeter Holz zurecht, lud sie auf seinen Anhänger und brachte sie zur Stiftskirche. Er konnte auch die Brüder Thomas und Josef Demmel gewinnen, die ebenfalls eine Zimmerei am Ort betreiben und über einen entsprechenden Hebekran verfügen, und die damit gleich nach Dienstschluss zur Stelle waren.

Die Brüder Demmel, Bürgermeister Moritz Sappl und Mesner Urban packten mit an, um die Holzbalken mittels Hebekran von außen in die Höhe zu bringen und durch die kleine Luke ins Innere der Glockenstube zu manövrieren. Perner und Sterzer unterfütterten damit dann die Glocke, bis sie auf dem Balken aufruhte und die größte Gefahr eines Absturzes somit gebannt war.

Absturz hätte Sperrung der Kirche als Folge gehabt

Wäre die Glocke während des Läutens abgestürzt, wäre sie wohl innerhalb der Eisenverstrebungen des Glockenstuhles geblieben, an den Ecken des Mauerwerkes immer wieder aufgeschlagen und so ein Stockwerk nach unten „geeiert“. Von einem Vergleichsfall konnte Perner berichten, dass dabei der gesamte Glockenstuhl „wie Wachs“ verbogen wurde. Wäre die Glocke in Ruheposition nach unten gestürzt, hätte sie sicherlich die zwei Holzdecken darunter durchgeschlagen und wäre womöglich auf einer 25 Zentimeter starken, aus Brandschutzgründen eingezogenen Betondecke zum Ruhen gekommen oder bis ganz unten durchgeschlagen. Dies hätte sicherlich eine Sperrung der ganzen Kirche für geraume Zeit bedeutet, bis alle Schäden und Bedenken hinsichtlich der Statik und Einsturzgefahr des Turmes beseitigt worden wären.

Nun müssen verschiedene Messungen zur Statik und den Schwingungen des Turmes eine nachhaltige Lösung aufzeigen, wahrscheinlich eine komplette Neuanfertigung von Geläut und Glockenstuhl. Denn: Die bisherigen Glocken aus Gussstahl vom Bochumer Verein von 1949 sind zu wuchtig für den Beuerberger Kirchturm. Wenige Jahre nach dem Krieg wollte man schnell Ersatz für die eingeschmolzenen Bronzeglocken von 1924 haben. Die industrielle Stahlproduktion der Bochumer Glockenfirma machte dies möglich, allerdings zum Preis sehr schwerer Glocken. Man trotzte in Beuerberg diesem Umstand wohl deshalb, weil anfangs noch per Hand geläutet und damit noch keine solche Kräfteeinwirkung auf Turm und Material freigesetzt wurde wie ab 1958, als man dann elektrische Läutemotoren einbaute. Die ständige Beanspruchung durch so schwere Glocken führte nach knapp 70 Jahren wohl nun zur Ermüdung der schließlich gerissenen Stahlbolzen, eine Ermüdung, die trotz regelmäßiger Wartung nicht einsehbar war. Bis alle Fragen geklärt sind, müssen die Beuerberger Glocken auf unbestimmte Zeit schweigen.

Unsichtbare schützende Hand

Dass bei den ganzen Vorgängen auch eine unsichtbare schützende Hand mit dabei war, wurde allen Beteiligten klar, als eine Anwohnerin im Dorf mitteilte, ihr sei das unrhythmische Gebetsläuten in Beuerberg bereits drei Tage zuvor aufgefallen. Somit läutete die wuchtige Peter-und-Paul-Glocke schon ein paar Tage nur noch an zwei Stahlbolzen – oder treffender gesagt – am „seidenen Faden“ hängend. Dass sie dabei nicht abstürzte, kommt laut Perner tatsächlich einem Wunder gleich.

Ein Wunder war auf jeden Fall auch die Hilfsbereitschaft der Leute vor Ort, angefangen von Kirchenpfleger Sterzer, über den Bürgermeister Sappl bis zu den Brüdern Thomas und Josef Demmel und Mesner Urban. Wunderbar, dass Menschen ihre Kirche so viel wert ist, dass sie weder Mühe noch Risiko scheuen, und sofort helfen, wenn Hilfe gebraucht wird. Ein „Wunder“, das es verdient hat, „an die große Glocke“ gehängt zu werden! Und die Votivtafel, die der Pfarrer der Gottesmutter zum Dank für die glimpfliche Rettungsaktion der Glocke gelobt hat, ist auch schon in Auftrag. (Bernhard Häglsperger, der Autor ist Pfarradministrator des Pfarrverbands Königsdorf-Beuerberg)