Tagesablauf im Kloster

Wie heute der Schlaf der Mönche in St. Ottilien geregelt ist

Wenig Schlaf – viel beten. Dieses Klischee über Ordensangehörige hält sich hartnäckig. Dabei haben die Abteien und Konvente längst erkannt: nur wer ausgeruht ist, leistet auch gute Arbeit.

Der tagesablauf im Kloster Sankt Ottilien ist genaui festgelegt. © FMI - stock.adobe.com

Sankt Ottilien – In der stockdunklen Kirche stehen Mönche in den Bänken, lang nach Mitternacht. Nur einige Kerzen spenden Licht, der Gesang der Männer erfüllt das Gotteshaus… – diese Zeiten sind in der Erzabtei St. Ottilien (Landkreis Landsberg/Lech) lange vorbei.

„Wir halten in der Nacht keine Gebetszeiten mehr“, erklärt der emeritierte Abtprimas Notker Wolf. „Die Vigil der Nacht wird mit dem Morgenlob zusammen gebetet.“ Dazu versammeln sich die Bewohner des Klosters aber auch jeden Morgen schon um 5.40 Uhr in der Kirche, Abt Notker steht um 5 Uhr auf. Diese Verschiebung der nächtlichen Gebetszeit auf den frühen Morgen hat sich in so mancher monastischen Gemeinschaft inzwischen durchgesetzt. In seiner Regel gibt der Heilige Benedikt zwar vor, wie die Gebete und Gesänge auszusehen haben und zu welchen Zeiten sich die Mönche versammeln sollen. Aber er gesteht ausdrücklich den Äbten zu, diese Vorgaben zu ändern, wenn sie das für richtig halten, erklärt Notker Wolf.

Der Mittagsschlaf gehört zum Tagesablauf

Das Frühgebet ist Teil einer genauen Taktung des Tagesablaufs in der Abtei: sie wird der Tatsache gerecht, dass die in der Landwirtschaft tätigen Mönche einen anderen Rhythmus haben als die Gymnasiallehrer, die Krankenpfleger einen anderen als die Seelsorger. Andererseits wird so das Gebet fest in den Tagesablauf integriert. Nach dem Frühstück sind die meisten der etwa 100 Mitbrüder von Abt Notker gegen 7.30 Uhr am Arbeitsplatz, bis mittags. Dem gemeinsamen Essen folgt für viele der Frühaufsteher dann aber auch ein kurzer Mittagsschlaf. „Wir brauchen den Schlaf, um unseren Mann in den verschiedenen Aufgaben des Klosters zu stehen. Nach dem Mittagessen können sich unsere Leute hinlegen, um halb zwei läutet die Glocke wieder: ran an die Arbeit!“ lächelt Abt Notker. Der 82-jährige folgt diesem monastischen Rhythmus seit ziemlich genau sechs Jahrzehnten. Am Nachmittag wird gearbeitet, vor dem Abendessen ist noch eine Stunde Zeit für geistliche Lesung. Um 18 Uhr versammeln sich die Mönche zum Abendgebet, der Vesper. Abendessen, gemeinsame Zeit und das Schlussgebet (Komplet) um 20 Uhr schließen sich an.

Bei Einschlafproblemen hilft ein Gebet

Danach ist jeder Herr seiner Zeit: während manche fernsehen oder lesen, zieht es Notker Wolf wieder an den Schreibtisch zurück: er arbeitet Vorträge aus und bereitet Predigten vor. Für ihn sei das die „dritte Hälfte des Tages“, meint der Ordensmann. Um 23 Uhr endet auch für den ehemaligen Chef aller Benediktiner weltweit der Tag. Einschlafprobleme kennt er im Allgemeinen nicht: „Wenn ich mich hinlege, bin ich weg!“ Nur wenn er in der „Tagesschau in 100 Sekunden“ etwas sieht, was ihn aufregt, braucht er etwas länger. Ein Psalm hilft ihm dann – so schließt sich der Tag wieder mit einem Gebet: „Komm wieder zur Ruh, meine Seele, denn der Herr hat Dir Großes getan!“

Der Autor
Willi Witte
Radio-Redaktion
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