Material für spirituelles Erschauern

Altäre aus Stein haben eine besondere Botschaft

Million und Milliarden von Jahren sind die Steine oft alt, die für Altäre verwendet werden. Als Boten der Ewigkeit feiern sie Liturgie und Eucharistie mit.

Der Altar des Bildhauers Ulrich Rückriem in der Kirche Seliger Pater Rupert Mayer in Poing wird geweiht. © Kiderle Kiderle

An manchen Stellen der Erde treten Gesteine an die Oberfläche, die der Schöpfung beim Werden zugeschaut haben. Im Norden Kanadas liegt die bisher älteste entdeckte Felsenformation, der Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel. Manche Wissenschaftler schreiben ihm ein Alter von 4,4 Milliarden Jahren zu, andere „nur“ von 4,28 Milliarden. Jedenfalls war die Erde noch ganz jung, als dieses Gestein entstanden ist, lange bevor organisches Leben den Planeten bevölkert hat. In später entstandenen Achatknollen sind manchmal noch Ur-Flüssigkeiten eingeschlossen: „Das ist das Wasser oder, zumindest , eine Flüssigkeit, die noch vor dem Wasser war und die sich aus so fernen Zeitaltern erhalten hat, dass diese gewiss weder Quellen noch Regen, weder Ströme noch Meer kannten“, schreibt der französische Philosoph Roger Caillois.

Heilige Steine 

Da wirkt ein Zauber, dem sich Menschen seit Beginn ihres religiösen Erwachens nicht entziehen können. „Als Altäre, besonders Opfer- und Ahnenaltäre, waren und sind heilige Steine vielfach der bevorzugte Ort der Begegnung mit der transzendenten Welt“ heißt es im Lexikon für Theologie und Kirche. Die frühen Christen pflegten allerdings das vom Auferstandenen eingesetzte Opfermahl an Holztischen zu feiern, auch nachdem sich die Eucharistie schon klar von der Agape, dem damit zunächst verbundenen Sättigungsmahl, getrennt hatte. Diakone trugen die mit Leinentüchern bedeckten Tische, in die Versammlungsräume der jungen Gemeinden, die oft in Privathäusern untergebracht waren. Auch wenn sie über den Gräbern der Heiligen das Messopfer darbrachten, errichteten sie meistens bewegliche Altäre.

In der Zeit nach Kaiser Konstantin, also im vierten Jahrhundert, setzten sich mit den ersten großen Kirchenbauten immer öfter feste Altäre aus Stein durch. Verbindlich schrieb das 1563 abgeschlossene Konzil von Trient eine steinerne Altar-Mensa, also Tischplatte, mit eingesenkten Reliquien vor. Schon in den Jahrhunderten zuvor feierten Bischöfe und ausgesuchte Priester besonders auf Reisen die Eucharistie auf transportablen Steinplatten, die ebenfalls Reliquien enthalten mussten. Die vergänglichen, zerbrechlichen Knochen, der Überrest eines Menschen verband sich mit dem „ewigen“ und geweihten Stein, der die Zeit symbolisch überwindet, für den sie keine Rolle zu spielen scheint.

Spirituelle Kraft

Große Steinblöcke sind immer noch ein bevorzugter Werkstoff, wenn zeitgenössische Künstler einen Altar gestalten. Der international bekannte Bildhauer Ulrich Rückriem lässt dabei das Material ganz für sich sprechen, das er meistens nur spaltet und wieder zusammensetzt. Er bearbeitet es kaum, lässt die Bruchstellen und Bohrungen bewusst stehen und setzt gerade dadurch die spirituelle Kraft des aus seinen uralten Verbindungen gelösten und nun für die Liturgie bestimmten Steins frei.

In der Kirche Seliger Pater Rupert Mayer in Poing im Landkreis Ebersberg steht ein solcher Rückriem-Altar. Er ist aus Anröchter Stein und 2018 geweiht worden. In jeder Messe vollzieht sich die Eucharistie über dem uralten Gestein. Auch wenn der Anröchter Stein mit 90 Millionen Jahren relativ jung ist, kann es einen erschauern lassen, wenn der Priester an diesem Altar Wein und Brot konsekretiert. Dann verknüpft sich die versprochene Gegenwart Christi mit einem Material, das schon lange vor dem Menschen auf der Welt war und ein kosmisches Versprechen von Ewigkeit in sich trägt.  

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de