Landkreis Ebersberg

Neue Poinger Kirche wurde geweiht

Im Erzbistum ist nach zehn Jahren erstmals wieder eine Kirche an komplett neuem Standort geweiht worden. Das suggestive Gebäude in Poing wurde von der Pfarrei freudig in Empfang genommen und weckt allerlei Assoziationen.

Nach zehn Jahren ist erstmals im Erzbistum München und Freising wieder eine Kirche an einem komplett neuen Standort geweiht worden. © Kiderle Kiderle

Poing – Natürlich müsste dieser Bericht mit den drei Schlägen beginnen, wenn Kardinal Reinhard Marx mit seinem Bischofsstab an die Pforte der neuen Poinger Kirche (Dekanat Ebersberg) klopft. Aber nur dumpf sind diese Schläge zu hören, gehen fast unter in der Präsenz der rund 1.000 Menschen auf dem Kirchenvorplatz. Sie alle sind ein Zeichen dafür, dass es eine junge, florierende Pfarrei ist, die hier die Weihe ihres neuen Gotteshauses feiert. Das erste Mal seit zehn Jahren wurde im Erzbistum wieder eine Kirche an neuem Standort nötig und damit ein Kirchenbau, der keinen bisher bestehenden ersetzt. Geweiht ist sie dem seligen Pater Rupert Mayer.

Und so sind es zuerst die Kinder der beiden Pfarrkindergärten und der Anni-Pickert-Grundschule, die die Gemeinde musikalisch empfangen, nachdem die im vergangenen Jahr gegossenen Glocken erstmals erklungen sind und der liturgische Dienst mit unzähligen Minstranten vor das Portal gezogen ist. Imposant ragt hinter ihnen die Kirche auf, mit den in der Sonne glitzernden, weißen Keramikkacheln an ihrer Fassade und dem goldenen Kreuz mit einem Hahn auf der Spitze. Dass viele in die Gesänge der Mädchen und Buben einstimmen, auch wenn die Noten nicht auf dem Liedzettel stehen, zeugt von den zahlreichen jungen Familien, die in die stark angewachsene Gemeinde gezogen sind. Sie stehen neben herausgeputzten Mitgliedern des Trachtenvereins, Fahnenabordnungen und Mitgliedern der in Poing beheimateten Kroatischen Katholischen Gemeinde in ihren kunstvoll bestickten Trachten. Von dieser Vielfalt erzählen Poings Pfarrer Christoph Klingan, Kirchenpfleger Rainer Lauterbach und der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Martina Hohl, die dem Brauch entsprechend den Erzbischof bitten, die Weihe vorzunehmen. „Lange haben wir auf diese Kirche gewartet“, sagen sie, „nun wollen wir sie als Gemeinde mit Leben füllen.“ Und das geschieht an diesem Sonntagvormittag. Mit den Worten „Wer auch immer diese Schwelle überschreitet, möge hier Heil und Segen erfahren, Hilfe und Trost“ öffnet der Erzbischof von München und Freising nach dem Anklopfen die Pforte, und nach ihm betritt die Gemeinde erstmals ihre neue Kirche. Auch wenn viele den Gottesdienst im benachbarten Pfarrzentrum mitverfolgen müssen, da die 350 Plätzen bei Weitem nicht reichen.

Unschätzbares Geheimnis

Noch ganz neu riecht es in dem lichten Kirchenraum, neu fasst sich das helle Holz der Bänke an. Die Blicke der Besucher schweifen neugierig umher. Niemand bleibt ungerührt von den dann folgenden Riten, die aus dem Bauwerk Schritt für Schritt einen Sakralraum werden lassen: als Kardinal Marx das Taufbecken segnet und die Gemeinde mit Weihwasser besprengt, als er den Segen über den Ambo spricht und sich erstmals das Sonnenlicht im goldgeprägten Einband des Evangeliars fängt. Dann werden Reliquien des Kirchenpatrons und des seligen Otto von Freising in den Altar eingelassen. Gespannte Aufmerksamkeit herrscht, als der Kardinal den Altar und die Wände bei den Apostelleuchtern salbt und Weihrauch auf dem Altar entzündet. Unter anderem mit Pfarrer Klingan sowie Poings ehemaligem Pfarrer Michael Holzner, Jesuitenpater Martin Stark und Pater Boris Caric, Leiter der Kroatischen Katholischen Gemeinde München, nimmt der Kardinal dann die erste Wandlung darauf vor. Nach der Kommunion erklingt Bruckners „Locus iste“, als erstmals die konsekrierten Hostien in den Tabernakel gesperrt werden und das Ewige Licht entzündet wird. „Dieser Ort ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm“, singt der Chor unter Leitung von Martina Kneißl auf Latein, „inaestimabile sacramentum, irreprehensibilis est“. Besser könnte man nicht beschreiben, was sich hier gerade vollzogen hat.

Kardinal Reinhard Marx klopfte mit seinem Bischofsstab an das Kirchenportal.
Kardinal Reinhard Marx klopfte mit seinem Bischofsstab an das Kirchenportal. © Kiderle

Symbol lebendiger Gemeinde

Kirche sei zuallererst ein Ort der Versammlung der Gemeinde, in der Gott gegenwärtig sei, betont Kardinal Marx zuvor in seiner Predigt. Die Räume dafür änderten sich mit den Geschmäckern der Zeit: „Aber es ist nicht wichtig, wie diese Tradition aussieht, sondern dass sie uns hilft, diese Versammlung und ein Öffnen auf Gott hin zu ermöglichen.“ Schließlich seien alle Gläubigen „lebendige Bilder Gottes“. „Macht was draus“, ermutigt der Erzbischof die Gemeinde, sie solle „Pulsgeber“ für den Ort sein. Das hat die Pfarrei auch vor, wenn man dem eigens für die neue Kirche komponierten Lied Glauben schenken darf, das zum Abschluss angestimmt wird. „Was uns antreibt, Gott, bist du“, heißt es in dem flotten und eingängigen Stück.

Nach dem Gottesdienst setzt sich der Zug zum Festgelände in Bewegung. Viele verweilen aber noch in der Kirche, der Bedarf ist groß, sich über Gebäude und Ausstattung auszutauschen. Hände fahren nochmals über den Naturstein des Tabernakels, Kinder schmiegen sich an die Marienstatue. Der vom Münchner Architekten Andreas Meck realisierte, 14,6 Millionen teuere Kirchenbau löst auch am Tag seiner Weihe viele Reaktionen aus. „Sprungschanze“ und „Kristall“ hatte man als Spitznamen schon im Vorfeld gehört. Nun raunen sich die Besucher Assoziationen wie „kleine Elbphilharmonie“, „Statistikkurve“ oder für den Glockenturm „Trafostation“ zu. „Wenn man heute eine Kirche baut, muss es etwas Herausragendes sein, das ist hier gelungen“, so etwa das Fazit von Helmut Hötscher vom Trachtenverein Aubergler. Seine Frau Doris gibt zu, dass sie zunächst skeptisch war. „Aber jetzt überzeugt mich der Bau, schließlich hat jede Epoche ihren Baustil, und diese Kirche wird Meinung nach vor allem die Jugend ansprechen“, ergänzt sie. „Von außen ist sie mir zu wuchtig“, findet hingegen Anna Haini. Ihre Tochter Susi hatte heuer Erstkommunion, ihr Sohn Andreas hat heute ministriert. „Aber innen ist sie sehr einladend, die Lichtführung gefällt mir“.

Beheimatung schaffen

Auch wenn sich mit der Architektur der Kirche nicht alle anfreunden könnten, wolle man alle einladen und die Akzeptanz sei schon gestiegen, berichtet Pfarrer Klingan der Münchner Kirchenzeitung. „In dieser Kirche wurden viele Steine verbaut, jetzt hoffen wir, dass auch lebendige Steine dazukommen und sich zu einer starken Gemeinde verbinden“, hofft er. „Aber es ist wichtig, dass die Menschen sich an beiden Kirchenorten beheimatet fühlen“, erläutert er, denn die bisherige Poinger Pfarrkirche St. Michael wird künftig als Filialkirche genutzt. Daher sei mit dem Pfarrgemeinderat (PGR) bereits eine neue Gottesdienstordnung diskutiert worden. PGR-Vorsitzende Hohl erzählt, dass auch neue Angebote geplant seien, um die neue Kirche zu etablieren, zum Beispiel eine monatliche Besinnung mit Texten und Musik unter dem Motto „Atemholen“. „Schließlich vollzieht sich in Poing nicht nur in der Pfarrei ein großer Wandlungsprozess“, führt sie aus. Um die Kirche herum entstehe ein neues Ortszentrum. So befindet sich in unmittelbarer Nähe auch das neue Max-Mannheimer-Bürgerhaus und die evangelische Kirche. Eine Mitte für den Ort zu bilden, dazu soll die neue Kirche also beitragen. Poings Erster Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) griff in seinen Grußworten den ebenfalls schon kursierenden Begriff „Stadtkrone“ auf. Ein Orientierungspunkt, der viel Raum für persönliche Interpretation und Glaubenserfahrung lässt, ist sie auf jeden Fall jetzt schon.

Die Autorin
Karin Basso-Ricci
Münchner Kirchenzeitung
k.basso-ricci@michaelsbund.de

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