Zu Besuch bei einem Bildhauer

Der Duft von Holz und Heimat

Christian Dögerl aus Marquartstein im Chiemgau ist Bildhauer, Medailleur und Familienvater. In seiner eigenen Werkstadt schnitzt er zurzeit eine Nepomuk-Figur.

Mit viel Liebe zum Detail schnitzt Christian Dögerl sorgfältig jede Falte in den Chorrock seiner Nepomuk-Figur. © SMB/Kelpe

Marquartstein – Die Haltung ist aufrecht, der Kopf leicht nach links gewandt, der Blick erhaben. Das Kreuz hält er vor dem Herzen. Die 1,20 Meter große Holzfigur des heiligen Nepomuks steht stolz auf der Werkbank von Bildhauer Christian Dögerl. Um sie herum liegen griffbereit Dutzende Schnitzeisen in unterschiedlichen Größen; dazwischen ringeln sich helle Späne. Es duftet nach frischem Holz. Die kleine Werkstatt des Künstlers liegt idyllisch in der Gemeinde Marquartstein im Chiemgau (Dekanat Traunstein). Draußen strahlt die Sonne am blauen Himmel und die angrenzenden Bergsilhouetten der Chiemgauer Alpen umschließen das Achental. Rund 200 Arbeitsstunden hat Dögerl bereits an der Nepomuk-Figur gearbeitet – von der Recherche und dem zeichnerischen Entwurf über die Gestaltung der Vorlage, einer kleinen Figur aus der Modelliermasse Plastilin, bis hin zur Arbeit am Lindenholzstamm, aus dem Stück für Stück seine Figur geboren wurde. Und doch fehlen noch rund 40 Stunden, bis sein Werk, der Auftrag einer Privatkundin aus München, gänzlich vollendet sein wird: Die feinen Gesichtszüge müssen noch detaillierter ausgearbeitet und die Falten des Chorrocks sauber ausgekerbt werden, damit es aussieht, als würde er wie weicher Stoff fallen.

Naturgetreue Details

„Da Pelz war as Schwierigste“, erzählt der 57-Jährige in weichem Bairisch, streicht liebevoll über die geschnitzte Pelzmozetta, ein wenig Holzstaub steigt auf. Dögerls Werke sind in erster Linie klassische, naturgetreue Darstellungen, ohne zu sehr abstrakte Formen aufzugreifen. „Olle Künstler ham in da Klassik ogfangt, sogar Picasso“, sagt er. „I bin beim Klassischen blim.“ Doch seine Figuren sind nicht nur bloße Abbildungen, sondern aus ihnen spricht auch Dögerls Künstlerherz: „Da heilige Nepomuk wead oft gebeugt unter da Last von am großen Kreiz dargstellt“, erzählt er und fügt hinzu: „Genau so woit i eam aba ned darstelln“, sagt er. Auch auf die gängige Darstellung des Nepomuk, der den Finger vor dem Mund hält als Zeichen des Schweigens, hat er verzichtet. Dögerls Nepomuk wirkt stolz und nicht gepeinigt, wie es die Legende darstellt. Der Erzählung nach weigerte er sich, das Beichtgeheimnis zu brechen, wurde daraufhin gefoltert und 1393 von der Prager Karlsbrücke geworfen. Bis heute wird er als Brückenheiliger und Patron des Beichtgeheimnisses verehrt.

Skulpturen, Medaillen und Münzen

Für Dögerl ist diese nicht die erste Nepomuk-Figur. Er schuf bereits vor einigen Jahren eine Skulptur  an der alten Marquartsteiner Brücke und setzte noch viele weitere Akzente mit seinen Arbeiten in der Region und darüber hinaus. So schuf er etwa Altäre und Jesusfiguren, schnitzte Waldgeister für den Märchenpark Marquartstein, einen heiligen Laurentius für die nahe Gemeinde Bernau und auch die Figurengruppe an der örtlichen Chiemgau-Klinik bestehend aus drei rund zwei Meter hohen Holzskulpturen mit dem Titel „Der richtige Weg“ stammt von ihm. Den Beruf des Bildhauers erlernte der gebürtige Marquartsteiner bereits im Alter von 15 Jahren. Dögerl besuchte damals die Fachschule für Holzbildhauerei in Berchtesgaden. Doch viele Jahre arbeitete er nicht primär als Bildhauer, sondern als Medailleur in ortsansässigen Prägestätten, wo er über 800 Modelle für Münzen und Medaillen anfertigte, unter anderem für die Deutsche Post, Gemeinden und Vereine. Rund dreißig Jahre widmete er den filigranen Münzmotiven, bis er wieder zurück zum Holz fand. Vor gut zehn Jahren begann er den Bau seines eigenen Ateliers – und seines Familienhauses, das direkt an die Werkstatt grenzt.

Familie und Beruf unter einem Dach

Hier lebt er heute mit seiner Frau Franziska und seinen beiden kleinen Töchtern. Im Foyer des Hauses mischt sich das Familienleben mit der Arbeit: In einem Vitrinenschrank schillern Münzen, das Holzmodell eines für eine Kirche geschnitzten Kruzifixes hängt neben Familienfotos augenfällig an der Wand, auf den Fensterbänken stehen Skulpturen- und Gipsmodelle. Hier kann er beides sein: Vater und Künstler. Die kleine Charlotte ist gerade mal ein paar Monate alt und liegt vergnügt in einem Stubenwagen, während die dreijährige Marlene neben dem Papa an einer Butterbreze herumzupft. In einem Kaminofen flackert ein Feuer. Seine Frau ist mittlerweile Eigentümerin der Münzmanufaktur „Solidus“ und so hat er die Möglichkeit, als freier Künstler Münzen zu entwerfen und Auftragsarbeiten als Bildhauer zu auszuführen, wie die Nepomukfigur. Dabei bleibt er seinem Handwerk treu, vertraut in erster Linie seinen Händen anstelle von Computersoftwares. So zeichnet und modelliert er nicht nur die Vorlagen für die Skulpturen selbst, sondern ritzt auch mit feinen Messern die Negativform für die Münzprägung in Gips. Und dann ist es für Dögerl auch schon wieder Zeit, er verschwindet in seiner Werkstatt, um den heiligen Nepomuk nach und nach zu vollenden. (Eileen Kelpe, Volontärin beim Michaelsbund