Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis

Hohe Auszeichnung für Jugendroman „Dunkelnacht“

Die renommierte Autorin Kirsten Boie hat ein Buch über den Mord an 16 Menschen im oberbayerischen Penzberg geschrieben. Sie wurden 1945 von NS-Fanatikern umgebracht.

Kirsten Boie erhält den Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis. © IMAGO/epd

28. April 1945: Amerikanische Truppen stehen kurz vor der oberbayerischen Bergarbeiterstadt Penzberg. Da stoßen versprengte Trupps fanatischer Nationalsozialisten in die Gemeinde. Sie ermorden 16 Bürgerinnen und Bürger, die die Stadt kampflos den Amerikanern übergeben wollten. Einige ihrer Opfer erhängen sie mitten im Ort, darunter eine schwangere Frau.

Während Lockdown auf die Geschichte gestoßen

Als Kirsten Boie während des ersten Corona-Lockdowns ihren Lektürestapel abarbeite, stieß sie in dem Buch „Wolfszeit“ von Harald Jähner auf diese Geschichte aus Penzberg. „Diese vollkommen fehlende Menschlichkeit hat mich sehr erschreckt“, so Boie gegenüber mk online. Und sie hat sie nicht mehr losgelassen. Nach intensiven Recherchen hat sie darüber einen Jugendroman geschrieben. Er trägt den Titel „Dunkelnacht“ und hat nun den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2022 erhalten. Die Auszeichnung bedeutet der 72-jährigen Autorin „sehr, sehr viel, denn das ist einer der großen Jugendbuchpreise in Deutschland“. Die Ehrung werde zudem von einer Jury vergeben, „die sehr kompetent und vielfältig besetzt ist“.

Junge Leser wollen Orientierung

Die grauenvolle Geschichte aus Penzberg wollte Kirsten Boie für Jugendliche ab 14 Jahren erzählen, „für die die NS-Zeit so weit weg ist wie die napoleonischen Kriege“. Der Roman soll jungen Lesern zeigen, „wohin am Ende ein unmenschliches Regime führt und vor welche Entscheidungen es alle Menschen stellt, die darin leben.“ Kirsten Boie hat zu den historischen Fakten drei Jugendliche hinzugefügt, die das Geschehene schildern. Auf die Frage, ob junge Leser eine solche Geschichte nicht überfordert, antwortet sie ganz entschieden „nein“. Man dürfe Jugendliche „nicht unterschätzen“. 14-Jährige seien „geradezu hungrig danach, sich mit Problemen auseinanderzusetzen“.

Zusätzliche Aktualität durch Ukraine-Krieg

Besonders Jugendliche, deren Eltern aus anderen Ländern zugewandert seien, wüssten zudem oft wenig über den Nationalsozialismus: „Auch sie gehören zu den Deutschen dieser und der nächsten Generation und sind Erben der deutschen Geschichte.“ Eine zusätzliche Aktualität für die Leser, aber auch für die Autorin selbst bekommt „Dunkelnacht“ durch den Ukraine-Krieg.

Im Rahmen der Lesereihe WELT l FRIEDEN l LESEN liest Autorin Kirsten Boie am Mittwoch, dem 23. März 2022, um 19 Uhr aus ihrem Jugendroman "Heul doch nicht, du lebst ja noch", der von drei junge Menschen erzählt, die den Zweiten Weltkrieg unterschiedlich erlebt haben. Anmeldung und mehr Informationen zur Lesereihe finden Sie auf der Website vom Michaelsbund.

„Ich selbst habe auf Trümmergrundstücken gespielt in meiner Kindheit“, berichtet Kirsten Boie, „und wenn ich sehe, was jetzt in der Ukraine passiert, trifft mich das schon sehr.“ Nach der Veröffentlichung von „Dunkelnacht“ haben sich auch viele 80- bis 90-jährigen Lesern des Buches bei Kirsten Boie gemeldet.

„Dunkelnacht“ beschäftigt Leser der letzten Kriegsgeneration

„Die schreiben mir ganz lange Briefe, in denen sie mir von ihren eigenen Erfahrungen im Krieg erzählen und das zeigt, wie furchtbar diese Erlebnisse für sie gewesen sein müssen, wenn sie einer fremden Frau davon schreiben.“ Diese Erfahrungen gibt das preisgekrönte Buch auch an Jugendliche von heute weiter. „Ohne zu moralisieren, zeigt Kirsten Boie… ethische Haltungen auf und kontrastiert sie mit dem Handeln jener, die bereits während der Tat damit beginnen, ihre eigene Biografie für ein ‚Danach‘ zu schönen“, heißt es in der Jurybegründung des diesjährigen Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises, in der auch der Sankt Michaelsbund mit seiner Landesfachstellenleiterin Claudia Pecher vertreten war.

Jury würdigt soziale Verantwortung in „Dunkelnacht“

„Gerade jetzt“ wollte die Jury einen Text auszeichnen, „in dem und durch den soziale Verantwortung und Nächstenliebe auf besondere Weise eingefordert werden.“ Die Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert. Kirsten Boie lässt ihre Preisgelder in eine Stiftung für Aids-Waisen in Swasiland fließen, die ihr Mann und sie gegründet haben. Vielleicht kommt in diesem Jahr noch eine weitere Würdigung hinzu: Sowohl die Jury aus professionellen Literaturkritikern ebenso wie die aus Jugendlichen bestehende Jury für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2022 hat „Dunkelnacht“ für die Auszeichnung vorgeschlagen.

Buchtipp

Dunkelnacht

In den letzten Tagen vor dem Kriegsende 1945 ereignen sich in der bayrischen Kleinstadt Penzberg schlimme Gräueltaten. In der Nacht vom 28. auf den 29. April werden acht Penzberger mitten in der Stadt gehenkt. Sieben weitere Menschen wurden erschossen. Inmitten dieses Geschehens spielt die fiktive Geschichte um Marie, Schorsch und Gustl. Drei Jugendliche, die diese dunkle Nacht ganz unterschiedlich durchleben.

13 € inkl. MwSt.

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Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de