Meinung
Eucharistie in Corona-Zeiten

Wirklichkeit unter dem Vergrößerungsglas?

Die Coronakrise lässt viele Probleme an die Oberfläche treten. Eines davon ist die gemeinsame Feier von Gottesdiensten.

Die Eucharistie steht im Zentrum des christlichen Glaubens. © imago images / UIG

Je länger die Krise dauert, desto mehr fällt auf, wie sehr sie eine Vielzahl längst vorhandener Probleme mit Macht an die Oberfläche spült. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die jetzt wider Erwarten hochkochen. Manchmal dagegen sind es schwerwiegende Dinge, die in der Krise ihr entsprechendes Gewicht zeigen – alte Probleme, die in Corona-Zeiten neu eingeordnet werden müssen.

Beispielsweise entpuppt sich derzeit als wirklich belastend die Wohnsituation mancher Familien in viel zu kleinen Wohnungen. Bisher konnten sie es miteinander in ihrer beengten Bleibe nur deshalb aushalten, weil sie sich an fünf Tagen der Woche von morgens bis abends aus dem Weg gehen konnten, indem sie sich in Schule, Kita und am Arbeitsplatz aufhielten. Und jetzt? Ploppen die Probleme ausgerechnet in einer Zeit hoch, in der die Möglichkeiten der Suche nach Lösungen so unglaublich eingeschränkt sind.

Probleme kommen an die Oberfläche

Konflikte lassen sich plötzlich nicht mehr unter der Decke halten. Es sind Beziehungsprobleme aller Art, Probleme mit anderen Personen, sogar mit dem eigenen Selbst, oder solche mit Strukturen und Organisationen. Jeder spürt es an irgendeiner Stelle, jeder hat Erfahrung damit. Jeder kann etwas dazu sagen, denn: Corona spült gnadenlos alles an die Oberfläche. Selbst bei der Feier der Eucharistie tauchen Fragen auf.

Viele Wochen mussten die allermeisten von uns auf ein Mitfeiern in der Kirche verzichten. Besonders schmerzlich: Selbst in der Karwoche und am Hochfest von Ostern galt es, das auszuhalten. Sicher, es gab (und gibt weiterhin) Gottesdienstübertragungen im Fernsehen, Streaming-Gottesdienste in mittlerweile nicht mehr überschaubarer Anzahl und Qualität, aber als wirklichen Ersatz haben es die wenigsten von uns empfunden. Eher als ein „Besser als nichts“.

Da wurden und werden Hausgottesdienste gefeiert. Sie haben so mancher kleinen Gemeinschaft tiefe und intensive Freude gebracht, getreu dem Wort Jesu aus Mt 18,20: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Eine Urform von Gottesdienst im Christentum, der auch nach Beendigung der Krise weitere Verbreitung zu wünschen wäre.

Unterschiedliche Erfahrungen

Mittlerweile finden in vielen Kirchen wieder öffentliche Eucharistiefeiern statt. Allerdings sind die Hygienebestimmungen, die dabei einzuhalten sind, beträchtlich. Und dies führt zu einer gespaltenen Reaktion der Gläubigen auf das Angebot: Teilnehmer berichten von tief empfundener Dankbarkeit und Glück, endlich wieder die Eucharistie mitfeiern zu können. Am anderen Ende der Skala stößt man auf heftige Ablehnung von Gottesdiensten in dieser Form, weil sie unter den verlangten Hygienemaßnahmen unwürdig seien. Daran will man erst gar nicht teilnehmen.

Dazwischen: viele Varianten, etwa die, dass man mit größten Bedenken in den Gottesdienst gegangen sei, es aber dann gar nicht als so schlimm empfunden habe. Oder andersherum: Da habe jemand voller Erwartung teilgenommen, aber die Handdesinfektion und das Anlegen der Handschuhe vor der Kommunionausteilung als so slapstickartig empfunden, dass er nicht mehr habe hingehen können.

Und nun? Was machen wir mit diesen Erkenntnissen? Einerseits müssen wir uns wohl darüber klar werden, welche Bedeutung hier und heute Eucharistie für uns hat. Das ist eine der Fragen, die jetzt mit Macht nach Antworten verlangen. Was bedeutet sie uns? Wie werden wir, wie können wir in Zukunft damit umgehen? Dass wir darüber reden müssen, wissen wir schon lange. Ansätze, wie das geschehen könnte, sind erfreulicherweise in den einzelnen Foren des Synodalen Wegs erkennbar.

Jede Empfindung legitim


Anderseits stecken wir immer noch mitten in der Krise. Und hier sollten wir anerkennen, dass jede und jeder von uns das Recht hat, anders mit der derzeitig möglichen Form von Eucharistie umzugehen. Denn es hat viel mit Empfinden und Emotion zu tun, ob ich sie in der beschränkten Form trotzdem gut mitfeiern kann, oder ob ich mich damit unwohl oder sogar abgestoßen fühle. Jedes Empfinden ist legitim, auch deshalb bleibt es bei der Aufhebung der Sonntagspflicht. Es gilt, dass wir uns gegenseitig in unserem Empfinden akzeptieren. In keinem Fall ist das eine weitere Auseinandersetzung wert, zumal dies irgendwann wieder vorbei sein wird.

Die jetzige Form öffentlicher Gottesdienste findet niemand wirklich gelungen. Wir alle warten sehnsuchtsvoll auf das Ende der Pandemie, um wieder zu unseren alten Gemeinschaftsformen zurückkehren zu können, ob in Kirche oder Gesellschaft. Bleiben wir in dieser Zeit miteinander im Gebet verbunden! (Hiltrud Schönheit ist Vorsitzende des Katholikenrates der Stadt und Region München.)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie