Klimaaktivisten und der zivile Ungehorsam

„Wir brauchen keine Beliebtheit, wir brauchen Handlungen“

Co-Autorin Angela Krumpen stellt mit den Klimaaktivisten und Autoren das Buch „Die letzte Generation – das sind wir alle“ vor. In der Münchner Jesuitenkirche erzählen sie ihre Geschichten und Beweggründe.

Die Klimaktivisten und Buchautoren Henning Jeschke, Lina Eichler und Jesuit Jörg Alt © Kiderle

Straßenblockaden, beschmierte Kunstwerke und Hungerstreik: Schlagzeilen, die meist mit den Klimaaktivisten „Die letzte Generation“ einhergehen. Jetzt haben drei von ihnen mit der Journalistin Angela Krumpen ein Buch geschrieben und es am Mittwochabend in der Jesuitenkirche Sankt Michael in München vorgestellt: Lina Eichler, Henning Jeschke und Jesuit Jörg Alt.

Begonnen hat ihr gemeinsamer Aktivismus mit dem Hungerstreik vor der Bundestagswahl 2021. Henning Jeschke sah das als notwendige Maßnahme, denn „wenn ich hier sitze und hungere, kommen Kameras und Journalisten. Wenn Menschen im globalen Süden hungern, interessiert es keine Sau“. Und auch „weil wir es nicht mit einem Klima-Problem zu tun haben, sondern mit einer massenhaften Vernichtung der Menschen durch die Folgen des Klimawandels“, erklärte Jeschke. Das Ziel war ein öffentliches Gespräch mit allen Kanzleramtskandidaten vor der Wahl. 

Gemeinsamer Aktivismus begann mit Hungerstreik

Lina Eichler erfuhr von dem Streik und merkte: Da muss sie dabei sein: „Nicht, weil es schon immer mein Traum war, einen Hungerstreik zu machen. Nein, ich habe es als meine moralische Pflicht empfunden“. Jörg Alt bekam das Ganze über die Nachrichten mit und möchte helfen. Er unterstützte die Gruppe mit Kontakten in den Bundestag. Am 27. Tag des Hungerstreiks, als Henning Jeschke bereits in die Notaufnahme war, kam der lang ersehnte Anruf von Olaf Scholz: „Wir waren erleichtert! Wir fielen uns in die Arme“, erinnert sich Jeschke.

Zunächst Skepsis gegenüber Straßenblockaden

Nach dem Hungerstreik beschloss Eichler, das Abitur abzubrechen und sich komplett dem Aktivismus zu widmen. Alt startete zunächst mit containern: „Wenn schon Papst Franziskus sagt, dass wir aufhören müssen, auf den Kosten des globalen Südens zu leben, musste ich einfach mitmachen.“ Aktionen wie sich auf die Straße zu kleben, stand er zunächst skeptisch gegenüber. Ein Gespräch mit seinen Mitbrüdern änderte seine Meinung: „Meine Kollegen aus dem globalen Süden waren begeistert von der Idee, dass Menschen den Alltag unterbrechen. Denn bei ihnen ist der Alltag durch die Klimakatastrophen, also Überschwemmungen, Dürren und Hunger auch unterbrochen.“ Zu dritt klebten sie dann also auf einer von Nürnbergs Zentralverkehrsstraßen. „Wir gehen immer aus der Komfortzone heraus und bei den ersten Malen zittern sicher auch die Knie, aber die Gemeinschaft gibt einem Kraft“, erklärt Jeschke.

Jeschke: „Kein Problem der Enkelkinder“

Mit ihren Maßnahmen möchten sie aufmerksam machen, Gespräche anregen und den Ernst der Lage in die Köpfe der Menschen bringen: „Wir brauchen keine Beliebtheit, wir brauchen Handlungen“, sagt Jeschke. Sie beziehen sich auf das Gesetz der 3,5 Prozent von Erica Chenoweth. Es besagt, dass 3,5 Prozent der Bevölkerung ausreichen, um politische Veränderungen zu erzwingen. Genauso habe es zum Beispiel beim Frauenwahlrecht funktioniert, erklärt Moderatorin Krumpen. Jeschke hofft, dass seine Aktionen eine Art Motor sind und die Menschen inspirieren. Ihn besorge besonders der tatsächliche Mangel von Zeit, mit dem wir es zu tun hätten: „Das ist kein Problem der Enkelkinder. Laut Wissenschaftlern werden die Folgen des Klimawandels die Gesellschaft in zehn Jahren spalten. Was wir in den nächsten zwei Jahren tun, ist entscheidend!“

Straßenblockaden schaffen Aufmerksamkeit

„Es trifft die Falschen!“, lautet oft die Kritik gegen die Bewegung „Die letzte Generation“. „Wenn Sie was Besseres wissen, was nicht schon 40 Jahre lang vergeblich versucht worden ist, dann machen wir das. Aber Fakt ist, dass viele Sachen, die wir sonst machen, zum Beispiel Pipe Lines zu drehen, im Bundestag den Feueralarm auslösen oder Parteizentralen mit Farbbomben und Tomaten bewerfen, das juckt niemanden“, erklärt Alt. 30-mal hätten die Klimaaktivisten bereits eine Pipeline abgedreht, weiß Krumpen. „Das hat niemanden interessiert“, erklärt Lina Eichler. Die Straßenblockaden jedoch führen zu Diskussionen und „die brauchen wir auch“, meint Alt.

Alt: Auf Motivation der Aktionen konzentrieren

„Ziviler Ungehorsam, das ist euer Weg“, fasst Krumpen zusammen. Den Weg werden die drei auch weitergehen. Von der Bevölkerung, die diesen Weg nicht gehen möchten, fordern sie: „Ich wünsche mir von den Medien und von den Menschen, dass man sich nicht nur auf Aktion konzentriert, sondern auf die Motivationen“, erklärt Alt. Er erinnert auch an die Landtagswahlen im Oktober. Jeschke möchte, dass auch unangenehme Gespräche im Freundes- und Bekanntenkreis geführt werden: „Nutzt die Spannung, um darüber zu sprechen!“ Eichler macht auf die Protestmärsche in Berlin aufmerksam, an denen man auch friedlich teilnehmen könne.

Die Buchvorstellung „Die letzte Generation – Das sind wir alles“, war eine Veranstaltung des Michaelsbunds in Kooperation mit dem bene! Verlag. Etwa 100 Leute waren in der Kirche Sankt Michael in München. Der Veranstaltungsort wurde auf Grund der hohen Nachfrage dorthin verlegt.  (Magdalena Rössert, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund)

Buchtipp

Eichler, Lina; Jeschke, Henning; Alt, Jörg: Die letzte Generation - das sind wir alle

»Wir meinen es ernst, dass wir wirklich um unser Überleben kämpfen auf diesem Planeten.« Lina Eichler, Henning Jeschke - Mitstreiter_innen der Letzten Generation - und Unterstützer Jörg Alt beschreiben in ihrem gemeinsamen Buch, wie ihnen deutlich wurde, dass sie ihr Leben in die Waagschale werfen müssen, um für einen sofortigen, wirksamen Klima-Schutz zu kämpfen.

18 € inkl. MwSt.

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