Kirchliche Reformen

Was Teilnehmer des Weltfamilientreffens von der Kirche erwarten

2.000 Delegierte aus 120 Ländern sprechen beim zehnten Weltfamilientreffen stellvertretend für Millionen katholische Familien. Wer sind die deutschsprachigen Auserwählten und mit welcher Einstellung fahren sie nach Rom?

Das Weltfamilientreffen in Rom dauert von 22. bis 26. Juni. © Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA

Rom – Die Teilnehmer des zehnten Weltfamilientreffens sollen nach dem Willen von Papst Franziskus als "Verstärker" wirken. Sie treten bei der Großveranstaltung in Rom stellvertretend für viele andere Familien auf. Aber wer sind die Menschen, die aus Diözesen rund um den Globus in die Ewige Stadt gesandt wurden?

Aus Deutschland sind die Lagodas mit dabei - Mutter Lucia (64) und Vater Jürgen (65), seit 38 Jahren verheiratet, sowie die beiden Töchter Marthe (28) und Birthe (35). Alle sind kirchlich engagiert; jedoch gehört nicht die ganze Familie der katholischen Kirche an. Der Gatte ist als evangelischer Laienprediger aktiv.

Einstellung zu Verhütung und Enthaltsamkeit nicht mehr zeitgemäß

Lucia Lagoda ist in katholischen Institutionen bestens vernetzt, als Bundesvorstand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), als Sprecherin für Familienfragen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), als Delegierte des Reformprojekts Synodaler Weg und als Beraterin der Deutschen Bischofskonferenz. Nun kam die Einladung zum Weltfamilientreffen nach Rom hinzu.

Die Funktionärin will das internationale Forum nutzen, um für weitreichende Reformen zu werben. Etliche Aspekte der Familienpastoral sind aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß, etwa wenn es um Enthaltsamkeit vor der Ehe oder Verhütung geht. "Es ist heute nicht mehr so, dass man gleich beim ersten Partner, bei der ersten großen Liebe bleibt." Zudem sei es "ganz schlimm", wenn Frauen in armen Ländern zugemutet werde, ein Kind nach dem anderen zu bekommen. "Da sollte die Kirche einen realistischeren Blick haben", meint die Duisburgerin.

Frauendiakonat auf den Weg bringen

Der Papst habe zwar "viele gute Ideen"; aber die kämen in der Kurie nicht an, bemängelt sie und fordert von Franziskus mehr Durchsetzungswillen. So solle Franziskus das Frauendiakonat auf den Weg bringen und perspektivisch das Priestertum für Frauen öffnen. Dass man nun in Rom über solche Fragen diskutiere, sei ein wichtiger Schritt. Die Kirche könne langfristig nur bestehen, "wenn sie die Zeichen der Zeit als Quelle nutzt". Das gelte besonders bei der Aufarbeitung von Missbrauch.

Jürgen Lagoda unterstützt gemeinsam mit den Töchtern die Forderungen seiner Frau. Vor allem wünscht er sich einen anderen Umgang mit homosexuellen Paaren. In dieser Frage müsse sich die katholische Kirche viel mehr öffnen. "Ich selbst habe kein Problem, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Da stehen schließlich Menschen vor mir, Gottes Geschöpfe", betont er.

Die "Schönheit des Verheiratetseins"

Die Eheleute Erik (48) und Maria Boorsma (54), verheiratet seit 19 Jahren, äußern sich deutlich zurückhaltender zur Reformdebatte. Neue Impulse seien wünschenswert; von "radikalen" Änderungen halten sie wenig. Beide koordinieren ehrenamtlich die Familienpastoral im Schweizer Kanton Tessin und leiten Ehevorbereitungskurse. Kinder hat das Paar nicht. "Wir haben uns im Jahr 2000 beim Weltjugendtag in Rom verliebt", erzählt Maria. Nun kehre man zum Weltfamilientreffen zurück.

Dort wollen sie die "Schönheit des Verheiratetseins" neu ins Bewusstsein rufen. Dieses Gefühl sei unter vielen Katholiken, vor allem bei den Jugendlichen, verloren gegangen. Die Trauung werde nicht selten nur der Tradition wegen vollzogen. Individualismus und Selbstbezogenheit sorgten dafür, dass Beziehungen rasch scheiterten, wenn es zu ernsten Krisen komme.

Vor der Ehe ein solides Fundament bauen

Die Boorsmas möchten zeigen, wie es anders gehen kann. "Wir haben zum Beispiel keinen Sex vor der Ehe gehabt und bis zur Heirat in getrennten Wohnungen gelebt", erzählt Erik. "Wir haben es beide so gewollt." Das sei sicher nicht einfach gewesen; aber ihnen sei es darum gegangen, ein "solides Fundament" aufzubauen. Einige Bekannte hätten sie dafür ausgelacht, aber letztlich habe sich die konsequente Enthaltsamkeit stärkend auf die Beziehung ausgewirkt. Andernfalls bestehe die Gefahr, nur aus sexuellen Gründen zusammenzuleben.

Den Boorsmas ist klar, dass die von ihnen praktizierte Ehevorbereitung heutzutage nicht mehr die Regel ist - auch nicht in katholischen Kreisen. "Aber es ist auf jeden Fall einen Versuch wert", sagen sie einhellig. Dies wollten sie heiratswilligen Paaren vermitteln.

Mittelweg zwischen Tradition und Reform

Günther (43) und Patricia Mayrhofer (40) aus Österreich plädieren für einen vernünftigen "Mittelweg" zwischen Tradition und Reform, um katholische Familien zu stärken. Sie sind Mitglieder der Schönstatt-Bewegung, seit 16 Jahren verheiratet und haben drei Kinder. Wie viele andere Delegierte sind sie ebenfalls in der Familienseelsorge aktiv: Die Mayrhofers leiten die Akademie für Familienpädagogik Schönstatt am Kahlenberg. "Eine neue Kirche braucht es auf keinen Fall", ist das Paar überzeugt. Es gebe genügend Potenzial, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. (Alexander Pitz/KNA)