Zum Jahr der Orgel

Tobias Skuban führt Medizin und Musik zusammen

Seit er 11 Jahre alt ist, sitzt Skuban jede freie Minute an der Orgel. Das Instrument hat es ihm angetan. Trotzdem entschied er sich zunächst gegen ein Musikstudium.

Tobias Skuban ist Mediziner und Organist. © Götzfried

München – Sachte bewegt er die Pedale, während seine Finger anmutig über die Tastatur tänzeln. Die Orgel in St. Bonifaz erklingt. Tobias Skuban kennt dieses Instrument wie kaum ein anderer: Seit Jahren spielt er hier, begleitet Gottesdienste oder gibt Konzerte. Aber nicht nur in München, auch anderswo lauschen dem 42-jährigen Psychiater Musikliebhaber und -kenner.

Seit dem elften Lebensjahr sitzt Skuban in fast jeder freien Minute an der Orgel. „Als Ministrant hat mich das Instrument einfach fasziniert“, erinnert er sich. „Ich fand die Orgel in ihrer Mächtigkeit, in ihrer Vielfalt und auch in ihrer Exposition innerhalb des Raumes so unheimlich beeindruckend.“ Eine „sehr rührige Mesnerin“ in seiner Heimatgemeinde Heilige Familie in Geretsried habe ihm jeden Samstag bei der Reinigung die Kirche aufgesperrt, damit er spielen konnte. Weil Skuban damals noch keine Noten lesen konnte, „habe ich mir Notenhefte angeschaut, in denen die Klaviertastatur aufgezeichnet ist, und mir so dann ausgerechnet, auf welcher Taste welcher Ton ist“.

Faszination für die Königin der Instrumente

Der Abiturient überlegt, Musik zu studieren, doch sein Notendurchschnitt ist so gut, dass „dann ein gewisser äußerer Druck entstanden“ sei. Damit fiel die Entscheidung auf Medizin, „mein Berufswunsch war Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurg“. Doch die Königin der Instrumente lässt ihn nicht los. „Einfach so“ nimmt er bei den Aufnahmeprüfungen an den Musikhochschulen in Köln und München teil – und besteht beide prompt.

Er beginnt ein Studium im Konzertfach Orgel bei Professor Edgar Krapp an der Musikhochschule München. Die Orgel bringt den vielseitig Begabten schließlich nach Frankfurt am Main zu Professor Martin Lücker, der zu seinem Mentor wird und ihm rät, beides, Medizin und Musik, unter einen Hut zubringen, besser noch: zusammenzuführen. So entscheidet sich Skuban, in München Medizin zu studieren und daneben im Orgelunterricht bei Lücker zu bleiben. Skuban: „Das war für mich eine wunderbare Verbindung und stellte nie irgendeine Form der Belastung dar.“ Unterstützt wurde er durch die Hochbegabten-Förderung des Freistaates Bayern, deren Stipendiat er war.

Musik hilft zu reflektieren

Auch heute, Skuban arbeitet seit gut sieben Jahren als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Atriumhaus in München, mittlerweile als Oberarzt, ergänzen sich Musik und Psychiatrie für ihn. „Ich arbeite in einem Fach, in dem es sehr viel um Sprache und Worte geht, den ganzen Tage rede ich und höre zu. Da merke ich am Abend auch gewisse Ermüdungserscheinungen, was Sprache betrifft. Für mich ist Musik dann das angemessene Medium der Kommunikation.“ Außerdem komme man in seinem Leben immer wieder an seine Grenzen, und da sei die Musik für ihn auch hilfreich, die Dinge zu reflektieren.

Mit existentiellen Fragestellungen wird Skuban regelmäßig in den Gesprächen mit seinen Patienten konfrontiert. „Mich fragen Menschen danach, warum sie ein bestimmtes Schicksal getroffen hat“, erzählt Skuban, „Sie fragen mich, warum sie einen Menschen verloren haben oder warum sie nicht das erreichen konnten, was andere im Leben geschafft haben.“

Demut ist hilfreiche Tugend

Als Arzt könne er derartige Fragen nicht abschließend beantworten, „aber die Offenheit zu haben, so etwas gemeinsam anzuschauen und auch das Nicht-Beantwortbare zusammen aushalten zu können, prägt mich sehr und auch meine Haltung dem Leben gegenüber“. Auch er müsse es aushalten, dass er für die Tatsache, dass wir krank werden oder sterben, keine Antworten habe.

Und weil dies alles auch für Seelsorger wichtig ist, hat er gemeinsam mit dem Moraltheologen Joachim Sautermeister das Buch „Psychiatrisches Grundwissen. Ein Handbuch für die Seelsorge“ herausgegeben, das erste seiner Art. Damit sollen Seelsorger Hilfestellung bekommen, um sich im Dschungel von Krisen und psychischen Erkrankungen zurechtfinden zu können.

Skuban wirkt selbstsicher, optimistisch und äußerst humorvoll. Doch auch er hat Ängste. „Vor Spinnen, vor Höhen und bis vor einiger Zeit hatte ich auch Flugangst.“ Aber, dies habe er in seinem Leben gelernt, Angst sei ein Signal, dass irgendetwas nicht passt. Überhaupt helfe ihm sein Glaube sehr. „Vor allem dann, wenn der Glaube in mir eine Haltung erzeugt, die mit Demut in Zusammenhang steht“, erklärt der Katholik. Er halte Demut „für eine zwar altmodische Tugend, aber eine sehr hilfreiche, denn Demut ist auch damit verbunden, dass ich nicht alles kontrollieren kann, dass ich ein Stück weit auch Vertrauen haben muss“.

Selbst zum Engel werden

So musste Skuban auch irgendwann feststellen, dass „24 Stunden halt auch nur 24 Stunden sind“. Sein Alltag sei sehr strukturiert, um möglichst alles unterzubringen, Arbeit, Musik, Laufen, Schwimmen und Lesen, denn dabei könne er tatsächlich entspannen. Dem 42-Jährigen ist es sehr wichtig, „meine Lebenszeit so zu verbringen, dass ich den Konjunktiv der Vergangenheit an meinem Sterbebett möglichst gering halte“. Dies sei sein Lebensprinzip: „Ich möchte, wenn es ans Sterben geht, die Liste mit ‚Hätt ich doch …‘ möglichst kurz halten.“

Glaubt der Psychiater an Engel? „Nicht in einer anthropomorphen Art, aber ich glaube, dass wir Menschen uns gegenseitig zu Engeln werden können, indem wir selber Gott spürbar machen.“ Und in diesem Zusammenhang möchte er vielleicht Engel sein „für andere, so gut es geht“. (Susanne Hornberger, ehemalige MK-Chefredakteurin)

Buchtipp

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