Reformprozess Synodaler Weg

Pastoralreferent Bischoff: "Hatte gehofft, dass die Lust am theologischen Streit größer sein würde"

Der Synodale Weg steht kurz vor seinem Abschluss. Die Abstimmungen der letzten Vollversammlung haben für Aufregung gesorgt. Pastoralreferent und Synodaler Konstantin Bischoff spricht im Interview über seine Erfahrung.

Konstantin Bischoff ist Teilnehmer des Synodalen Wegs. © SMB/Sichla

mk online: Der synodale Weg ist nicht nur Frischekur für die römisch-katholische Kirche in Deutschland, sondern ganz konkrete Gegenmaßnahme gegen Missbrauch – wird der Synodale Weg diesem Anspruch gerecht?

Konstantin Bischoff: Vielen Teilnehmern ist bewusst, dass strukturelle Veränderungen eine Antwort auf die in der MHG-Studie genannten Ursachen für Missbrauch sind und verhalten sich dementsprechend. Aber es gibt immer noch Synodale, die die Ursachen für Missbrauch im Fehlverhalten einzelner sehen – nicht im System – und Reformen weiter ablehnen.

Wenn Reformen deshalb scheitern, wären Teilnehmer des Synodalen Wegs beziehungsweise Teile der Bischofskonferenz dann mitverantwortlich für künftige Missbrauchsfälle?

Bischoff: Wir müssen uns diese Frage auf alle Fälle stellen, denn wir tragen Mitverantwortung für den Erfolg des Synodalen Wegs. Leider ist es ist bisher nicht gelungen, ausreichend strukturelle Veränderungen herbeizuführen und es wird uns auch beim letzten Treffen nicht gelingen. Alle Synodalen sollten sich daher die Frage stellen: Habe ich durch Wort, Beitrag und Abstimmung alles mir mögliche getan?

Welches der vier Foren hat Ihrer Meinung nach die größten Fortschritte erzielt?

Bischoff: Drei Foren haben durchaus erfolgreich geliefert. Allen voran Forum 1 zu Fragen von Macht und Gewaltenteilung. Bemerkenswert ist hier die Einführung des Synodalen Ausschusses mit dem Ziel einen dauerhaften Synodalen Rat zu etablieren. Das hat einen Point of no Return geschaffen. Es kann und wird kein Zurück geben zur früheren Struktur der katholischen Kirche in Deutschland. Die Partizipation von Laien und die Transparenz innerhalb der Kirche werden sich nachhaltig verändern. Synodale Prozesse werden auch nach dem Ende des Synodalen Wegs fortgesetzt. Für uns als Teilnehmer ist das ein Riesenerfolg, auch wenn er eher binnenkirchlich ist. Nach Außen den größten Erfolg hatte meiner Meinung nach das Forum zu Sexualmoral erreicht.

Aber hier ist doch sogar der Grundtext gescheitert?

Bischoff: Die Ablehnung des Grundlagentextes hat ironischerweise zu besonders viel Aufmerksamkeit für die Themen geführt. Hier hat eine echte Veränderung stattgefunden: das Forum hat Kirche wieder sprachfähig gemacht. Wir haben den Anschluss an die Gesellschaft wiedergefunden – auch wenn die Ablehnung des Textes die Kirche gleichzeitig wieder diskreditiert hat. Da ist Musik drin! Darüber hinaus wurde trotz abgelehntem Grundlagentext der Handlungstext zur Neubewertung von Homosexualität angenommen. Aber man darf nicht vergessen: Dieser Erfolg wurde auf dem Rücken von Opfern errungen. Zuvor wurden Menschen retraumatisiert, die danach auch nicht mehr an der Versammlung teilnehmen konnten. Das ist ein Desaster und inakzeptabel!

Was ist das dritte erfolgreiche Forum?

Bischoff: Den theologisch größten Beitrag hat das Forum zu Frauenfragen geliefert. Die Zukunft von Frauen in der Kirche ist hier theologisch neu erschlossen worden. Nicht nur im Sinne des Mainstreams oder der universitären Theologie. Auch lehramtlich ist hier etwas vorangekommen – immerhin haben zwei Drittel der Bischöfe zugestimmt.

Dann bleibt nur noch ein Forum übrig: Priesterliche Existenz heute…

Bischoff: Das ist das Thema, an das durch die MHG-Studie eigentlich die größten Anfragen gestellt worden sind. Hier sind wir aber nicht ausreichend weitergekommen. Nicht einmal der Grundlagentext ist beschlossen.

Woran lags?

Bischoff: Die Energie hat gefehlt, die Einigkeit hat gefehlt und manchmal hat sogar der Wille zum Streit gefehlt.

War das Ihre desillusionierenste Erfahrung auf dem Synodalen Weg?

Bischoff: Es schockiert mich einfach, dass es dort immer noch Menschen gibt, die sich Debatten nicht stellen wollen oder sich ihnen nur scheinbar stellen. Zum Beispiel durch Selbstimmunisierungen á la „Meine Meinung ist eh nicht mehrheitsfähig, dann kann ich mich dem Diskurs gleich ganz entziehen“. Ich habe gedacht und gehofft, dass die Lust am theologischen Streit größer sein würde. Wir haben sowohl in der deutschen als auch in der Weltkirche sehr unterschiedliche Positionen. Um das anzugehen, gibt es nur einen Weg: Wir müssen die Themen offen, ehrlich, pragmatisch und strategisch ansprechen. Da war es besonders enttäuschend zu sehen, dass es Personen gibt, die aus Foren austreten, nicht an ihnen teilnehmen, Abstimmungen boykottieren und Entscheidungen, ohne sie vorher kommentiert zu haben, ablehnen.

Meinen Sie hier bestimmte Bischöfe?

Bischoff: Nicht nur, aber auch. Bei manchen Bischöfen fällt es einfach besonders auf, wenn Sie sagen, sich unter Druck gesetzt zu fühlen. Immerhin behaupten sie das aus einer Position der extremen Stärke heraus. De facto sind sie Monarchen in diesem System. Ihnen kann niemand ernsthaft an den Karren pinkeln. So versucht man sich nur Diskussionen zu entziehen. Aber egal ob Bischof oder Laie: Auch in einer Minderheitenposition muss man sich der Debatte stellen! Die Bischöfe vertreten immerhin auch die Gläubigen ihres Bistums. Manche Bischöfe sehen sich aber mehr als Verteidiger des Lehramts gegen ihre Gläubigen. Das ist meines Erachtens ein problematisches Amtsverständnis.

Kardinal Reinhard Marx kann man das wohl kaum vorwerfen, trotzdem überrascht es doch, dass sein Einfluss von außen so stark eingeschätzt wird, gleichzeitig aber gerade „seine“ bayerischen Bischöfe in Abstimmungen nicht hinter ihm stehen?

Bischoff: Diese Diskrepanz zwischen vielen bayerischen Bischöfen und unserem Erzbischof ist offenkundig. Sogar einer seiner eigenen Weihbischöfe stimmt nicht mit ihm überein. Die Aufgabe eines Bischofs ist es aber zusammenzuhalten! Deshalb muss der Erzbischof jetzt den theologischen Diskurs anstoßen. Wer vorangehen will, muss auch Mehrheiten organisieren. Auch das gehört zu einer synodaleren und demokratischeren Kirche. Marx hat hier eine große Aufgabe – und meine volle Unterstützung. In meiner Loyalität bin ich aber auch kritisch: Er muss es angehen, aussitzen ist keine Lösung. Wir müssen ein positives Bild von Synodalität etablieren. Der klassische theologische Dreischritt „sehen, urteilen, handeln“ muss konsequent auf mehr Schultern verteilt werden. Auch das urteilen und handeln.

Zur Person


Konstantin Bischoff ist Pastoralreferent und Pfarrbeauftragter in der Münchner Pfarrei Herz Jesu. Beim Synodalen Weg vertritt er den Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands e.V.

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de