Katholische Kirche in Deutschland

Viel begonnen, wenig abgeschlossen: Dem Synodalen Weg geht die Zeit aus

Wo steht der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland? Das ist die zentrale Frage beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe in Rom. Drei Münchner Laien, die am Synodalen Weg teilnehmen, ziehen ein Zwischenfazit.

Die Synodalversammlung tagt seit Beginn in Frankfurt. © kna

Die Zeit wird nicht reichen. Das ist schon lange vor der fünften und letzten Vollversammlung des Synodalen Wegs im März klar. Ein Großteil der Texte, um die es beim größten Reformprojekt der katholischen Kirche geht, ist bis jetzt nicht einmal über die erste Lesung hinausgekommen. „Es ist bisher nicht gelungen, ausreichend strukturelle Veränderungen herbeizuführen“, bemängelt Konstantin Bischoff, „und es wird uns auch beim letzten Treffen nicht gelingen“. Er vertritt den Berufsverband der Pastoralreferenten*innen auf dem Synodalen Weg.

Seit drei Jahren beschäftigen sich hier Laien und Bischöfe mit der Frage, wie sich die Kirche verändern muss, um zukunftsfähig zu werden. Ein Experiment sagen die einen. Für andere wie die Teilnehmerin Schwester Maria Stadler ist es eine alternativlose Notwendigkeit: „Synodalität ist Ernstfall und wenn wir die Strukturen nicht ändern, ist es mit der Kirche vorbei.“

Priesterfragen bleiben auch nach drei Jahren ungeklärt

Genau diese institutionellen Strukturen sind maßgeblich für den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche verantwortlich. Dieses Ergebnis lieferte 2018 die MHG-Studie, der Auslöser für den Reformprozess war. Über die Konsequenzen wird seit Herbst 2019 in vier Foren auf dem Synodalen Weg beraten. Insgesamt 34 Dokumente wurden dabei erarbeitet, doch nur sieben davon wurden bisher endgültig beschlossen.

Aktuell größtes Sorgenkind: Forum 2, das sich mit der Priesterlichen Existenz heute auseinandersetzt und sich damit dem Thema widmet, an das die MHG-Studie die meisten strukturellen Anfragen gestellt hat. Soll der Zölibat auch in Zukunft verpflichtend sein? Wie steht die Kirche zu nicht-heterosexuellen Priestern? Wie geht man mit Missbrauchstätern um? Hier ist man nicht ausreichend vorangekommen, so das Fazit von Konstatin Bischoff. „Dafür haben Energie, Einigkeit und der Wille sich zu streiten gefehlt.“ Nicht einmal der Grundlagentext ist bisher beschlossen. Viele Fragen werden im synodalen Anhang aufgehen, schätzt Bischoff. Doch er ist optimistisch, dass es nach dem offiziellen Ende des Synodalen Wegs weitergehen wird.

Synodaler Weg


Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien. In ihrem Reformdialog auf dem Synodalen Weg wollen die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) gab es in Deutschland neben Diözesansynoden zwei landesweite Synoden, die die Beschlüsse des Konzils umsetzen und konkretisieren sollten. In der Bundesrepublik war dies die Würzburger Synode (1971-1975). Manche ihrer Voten wurden von Rom abgelehnt oder blieben unbeantwortet. Für die katholische Kirche auf dem Gebiet der DDR gab es von 1973 bis 1975 die Dresdner Pastoralsynode. (kna)

Grund zur Hoffnung lieferte auf der letzten Synodalvollversammlung im September das Forum 1 zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. 92,78 Prozent stimmten dafür, einen Synodalen Rat für die Kirche in Deutschland einzurichten. Das Gremium aus Bischöfen und Laien soll die Arbeit des Synodalen Wegs nach dessen Ende fortsetzen. „Für uns ist das ein Garant, dass auch die bisher nicht endgültig beschlossenen Dokumente weiterbehandelt werden“, hofft Sr. Maria Stadler. Sie ist froh, dass sich Bischöfe und Laien hier einig waren. Kurz vor diesem Beschluss fürchteten vielen noch einen Abbruch des Reformprozesses. Eine Minderheit von 21 Bischöfen hatte den Grundtext von Forum 4 für eine Erneuerung der Sexualethik trotz der Zustimmung von 159 Teilnehmern völlig überraschend zu Fall gebracht.

Der unter den Synodalen herrschende Druck habe viele der Bischöfe gezwungen, ihr „Nein“ im Vorfeld nicht anzukündigen, so die Erklärung. Sogar von Angst sprach der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser. Pastoralreferent Bischoff will das nicht gelten lassen: „Die Bischöfe sprechen aus einer Position der extremen Stärke, sie sind Monarchen in diesem System, und wer da behauptet, sich unter Druck gesetzt zu fühlen, versucht schlichtweg, sich der Diskussion zu entziehen.“ Gerade Bischöfe haben aber die Pflicht, sich diesen Debatten zu stellen.

Deutsche Kirche leistet synodale Vorarbeit für die Weltkirche

Kritik am Synodalen Weg gibt es indes schon seit Beginn des Reformprozesses. Gerade konservative Katholiken fürchten einen deutschen Alleingang wider der Weltkirche. Sogar von Kirchenspaltung ist die Rede. Die muss man aber nicht fürchten, ist sich Franz Xaver Bischof sicher. Der ehemalige Professor für Kirchengeschichte an der Münchner LMU ist Mitglied im Forum 1. Er verweist auf die Vertreter anderer Ortskirchen, die den Synodalen Weg als Beobachter verfolgen. „Von denen gibt es durch die Bank sehr positiv Rückmeldungen.“

Der Kirchenhistoriker glaubt, dass die Einheit der katholischen Kirche künftig nur dann gewahrt werden kann, wenn die Stimmen der Ortskirchen in Rom gehört werden. Zugleich warnt er davor, unter „katholisch“ eine erzwungene Einheit zu verstehen: „Es gibt ortskirchliche und weltkirchlich eine legitime Vielfalt, die es allein schon aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Großräume der Welt auch braucht.“

Bischoff betont außerdem, dass der weltweite Synodale Prozess, den der Papst letztes Jahr begonnen und gerade bis 2024 verlängert hat, auf die Arbeit der Deutschen Kirche angewiesen ist. Denn kaum eine andere Ortskirche weltweit hat überhaupt die Ressourcen, eigene synodale Wege durchzuführen. Die Rückmeldungen für den weltweiten synodalen Weg hätten darüber hinaus ergeben, dass genau die Themen, denen sich der Synodale Weg widmet, auch Christen überall beschäftigen, sagt Bischof. „Das zeigt, dass es globale und zentrale Fragen der heutigen Kirche sind, die gelöst werden müssen!“

Kardinal Marx unter Zugzwang

Ob die katholische Kirche den Sprung in die Zukunft schafft, hängt jetzt davon ab, wie die deutschen Bischöfe für die Ergebnisse des Synodalen Wegs einstehen. Einerseits in Rom, aber auch unter ihren Bischofskollegen und in ihren eigenen Diözesen. Mit eine der größten Aufgabe sieht Pastoralreferent Konstantin Bischoff hier bei Kardinal Reinhard Marx, dem Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz. Obwohl er den Synodalen Weg mit angestoßen hat, sind es vor allem die bayerischen Oberhirten, unter denen der Reformprozess die meisten Kritiker hat. „Als Bischof hat Marx die Aufgabe, zusammenzuhalten“, betont der Pastoralreferent.

Dass ihm das bisher aber nicht gelungen ist, wird schon unter seinen eigenen Weihbischöfen offenkundig: So votierte der für die Seelsorgsregion München zuständige Graf Rupert zu Stolberg in allen namentlich dokumentierten Abstimmungen bisher kein einziges Mal wie Marx. „Deshalb muss der Erzbischof jetzt den theologischen Diskurs anstoßen“, fordert Bischoff, „wer vorangehen will, muss auch Mehrheiten organisieren“. Auch das gehört zu einer synodaleren und demokratischeren Kirche. Zeit bleibt dafür nun noch bis Anfang nächsten Jahres: Vom 9. bis zum 11. März findet in Frankfurt dann die fünfte und letzte Vollversammlung des Synodalen Wegs statt.

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de