Fachtagung für Touristik und Seelsorge

Sinnsucher im Hotel: Menschen suchen im Urlaub nach Sinn

Laut aktueller Studien suchen Urlauber nicht nur die Idylle in den Ferien. Sie begeben sich immer öfter auf Sinnsuche und wünschen sich entsprechende Angebote. Dabei können sich Seelsorge und Tourismus ergänzen.

Die Kappelle Sankt Michael in Kienberg bei Bernbeuern im Landkreis Weilheim-Schongau. © IMAGO / imagebroker

Ein Kreis, ein Quadrat und ein Dreieck, die sich teilweise überschneiden. Dieses Bild wirft Referent Michael Seitlinger in der alljährlichen Fachtagung Tourismus und Kirche an die Wand, die unter dem Motto „Hier bin ich Mensch“ steht. Und als er die rund 50 Teilnehmer fragt, was denn dort zu sehen sei, sind die Antworten entsprechend. Der katholische Theologe und Zen-Lehrer macht aber auf die weiße Leinwand aufmerksam, ohne die diese geometrischen Figuren gar nicht zu sehen wären: „Ähnlich verhält es sich mit dem Sinn- und Seinsgrund, vor dem unsere Welt sich abspielt“, sagt Seitlinger. Das Bild sei ein Beispiel für den Alltag, in dem sich ständig neue Aufgaben und Herausforderungen vor diesem Sinngrund abspielten und ihn verdeckten. Dass das etwas mit Urlaub zu tun hat, leuchtet den in Kloster Seeon versammelten Reisefachleuten und Seelsorgern sofort ein.

Innere Erfahrungen in den Ferien sammeln

Sie bekommen das auch durch einen Experten bestätigt. Harald Pechlaner ist Professor für Touristik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und zeigt anhand aktueller Studien und soziologischer Befunde, dass immer mehr Menschen in den Ferien nicht nur eine Sommerrodelbahn oder ein gutes Frühstücksbuffet erleben wollen, sondern ebenso innere Erfahrungen. „Sinnsuche im Urlaub“, heißt eines von Pechlaners Büchern.

Ebenso sei das Verantwortungsgefühl für die Ferienorte gewachsen. Urlauber, die Einheimischen in den Fremdverkehrsregionen sowie die Touristiker selbst seien durch die Krisen der vergangenen Jahre wesentlich sensibler für Nachhaltigkeit und Umweltverantwortung geworden. Sie folgten damit allgemeinen Entwicklungen, so Pechlaner: „Wo Menschen reisen, kann man im Grunde von einem Spiegelbild der Gesellschaft sprechen.“ Dazu gehörten eben Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens oder des Miteinanders von Mensch und Natur, für die oft nur im Urlaub Zeit bleibt.

„Die Kirchenlandschaft prägt unsere Tourismusdestination“

Bayern bietet dafür viele Orte: „Die Kirchenlandschaft prägt unsere Tourismusdestination“, sagt Claudia Mitchell von der Bayern Tourismus Marketing GmbH.  Dazu zählt sie nicht nur die Gebäude, sondern auch die Menschen, die mit ihnen leben und davon erzählen können. Claudia Mitchell hat dafür auch gleich ein Beispiel parat: eine Führung, die ein Mönch in Kloster Ettal für eine Gruppe von Reiseveranstaltern gehalten hat. Er sei nicht mit kunsthistorischen, sondern mit Fragen zu seinem Leben im Kloster „bombardiert“ worden, erinnert sich die Touristikerin, „und wir sind alle total beseelt aus dieser Klosterführung herausgegangen“. 

Kirche bietet spirituellen Schatz

An solchen Angeboten, die Urlauber beseelen, arbeitet Robert Hintereder, der im Erzbistum München und Freising für die Tourismuspastoral zuständig ist. Dazu müsse „alles, was mir machen, Berggottesdienste, Wanderexerzitien, Meditationen und Musik, wirklich gut sein“. Nur so könnten Tourismusämter überzeugt werden, dafür zu werben. Doch dann ergäbe sich ein Gewinn für beide Seiten: „Allein als Kirche erreichen wir viele Menschen gar nicht mehr, haben aber einen spirituellen Schatz zu bieten, der die Tourismusregionen in Bayern bereichert.“

Die stehen nach der Kündigungswelle während der Coronapandemie jedoch vor einem großen Problem: es fehlen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Eine Herausforderung, die auch Oswald Pehel vom Partnernetz Tourismus Oberbayern meistern muss, der zu dieser Tagung mit eingeladen hat. Auch für die Beschäftigten im Gastgewerbe müsse gelten: Hier bin ich Mensch. Das umfasse gute Entlohnung und Arbeitsbedingungen, so Pehel, „aber auch die Wertschätzung durch die Arbeitgeber, also eine gute Unternehmenskultur, und das Gefühl, dass die Arbeit Freude macht, weil sie erholungssuchenden Menschen gut tut.“ Kurzum, dass sich die oft stressige Arbeit für die Gäste vor einem Sinngrund abspielt.