Handlettering und Kalligrafie

Schönschrift gegen Corona-Frust

Schönschrift boomt. Experten sehen im "Handlettering"-Trend auch eine Gegenbewegung zum hektischen Alltag. In den unruhigen Wochen dieses Frühjahrs kann meditative Handarbeit eine besondere Wohltat sein.

Handlettering und Kalligrafie sind derzeit sehr im Trend. © marioav - stock.adobe.com

Sinnsprüche, Liedtexte, Bibelverse: Wer beim Bilderdienst Instagram nach "Handlettering" sucht, findet unzählige Beiträge. Das Schreiben per Hand ist wieder in. Um präzise Regeln geht es beim "Handlettering" - im Unterschied zur Kalligrafie - nicht, sagt die Designerin und Buchautorin Katja Haas. Die schicken Buchstaben entstehen hier durch einen dünnen Auf- und einen dicken Abstrich. Besonders Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 begeistern sich für den Schönschreib-Trend.

 

Neu ist dieser Boom nicht unbedingt. Seit über 30 Jahren widmet sich der Verein "Ars Scribendi" der Schriftkunst. Es sei vielen Menschen ein Anliegen, Texten, die ihnen etwas bedeuten, eine entsprechende Form zu verleihen, sagt der Vorsitzende Thomas Hoyer. Der gelernte Kommunikationsdesigner gibt Kurse in klassischer und expressiver Kalligrafie.

Wie wichtig ist die Schreibschrift?

Die klassische Kalligrafie führt quer durch die Schriftgeschichte. Ab dem 20. Jahrhundert haben die Menschen verstärkt die eigene Handschrift eingebracht, so Hoyer: "Vielen reicht es langfristig nicht, bestehende Schriften zu erlernen. Sie wollen selbst kreativ werden." Den Handlettering-Trend sieht er positiv: "Diese Form spricht zunächst mehr Menschen an, weil es eben nicht um Perfektion geht." Viele Hobbykünstler fänden sogar über das Handlettering zur Kalligrafie.

Schreibschrift ist allerdings auch ein Politikum. Immer wieder wird über ihren Stellenwert diskutiert. In den USA etwa lernen Schüler keine gebundene Schreibschrift mehr, sondern nur Druckschrift und Tastaturschreiben. Befürworter bezeichnen die Handschrift indes als "Denkwerkzeug". Hoyer betont, im Kopf passiere viel, wenn Kinder schreiben lernen.

Handlettering ist meditativ

Auch Erwachsene durchbrechen mit dem Schönschreiben durchaus den Alltag am PC, ergänzt Maria Glukhova. Gemeinsam mit Christiane Baumann betreibt sie den Designblog "dots and stripes". "Handlettering ist sehr meditativ", sagt Glukhova. "Man muss sich darauf konzentrieren und kann nicht noch drei andere Dinge nebenher machen." Und: Am Ende steht ein greifbares Ergebnis. "Es ist wieder en vogue, Dinge im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand zu nehmen", erklärt Baumann - das zeige der Do-It-Yourself-Trend seit Jahren.Menschen stricken, bauen selbst kleine Möbel, pflegen Gemüsebeete - oder lettern. Damit könne jeder sofort anfangen, betont Katja Haas: "Es ist schon ein spannender Prozess, einmal bewusst mit einem Bleistift das Alphabet zu schreiben." In ihren Handlettering-Büchern gibt sie weiterführende Tipps - inklusive Übungsseiten und Ideensammlung. Sie schmunzelt: "Es besteht durchaus Suchtgefahr."

Beliebt ist Handlettering insbesondere rund um Feste. Etwa bei Weihnachtsgrüßen - oder Hochzeitsdeko, denn viele Paare möchten ihren großen Tag mit einer persönlichen Note feiern. Genau darum geht es beim Handlettering, sagt Glukhova: "Nicht unbedingt um Schönschreiben, sondern um Besonders-Schreiben." In ihrem Buch geben sie und Baumann Tipps, wie sich dieser persönliche Stil entwickeln lässt - ausgehend von der eigenen Handschrift.

Frustration gehört dazu

Die Autorinnen empfehlen, mit einzelnen Worten anzufangen. "Lange Texte sind schwierig, da misslingt schnell mal ein Buchstabe", sagt Glukhova. Wer eine Herausforderung sucht, findet in den Sozialen Netzwerken sogenannte Lettering Challenges: Jeden Tag wird dazu aufgerufen, etwa ein jahreszeitlich passendes Wort zu lettern, zu verzieren und zu posten. Dieses Ausprobieren mache für viele die Faszination aus. Momentan bieten Künstler und Designer auch verstärkt Online-Workshops oder Video-Kurse an.

Anfängern raten die Expertinnen vor allem, nicht zu verzagen. "Auch wenn es mal frustrierend ist - und das ist es stellenweise", räumt Haas ein: "Solange es Spaß macht, einfach dranbleiben." Dabei sei es nicht ratsam, sich sofort mit Top-Künstlern zu vergleichen. "Inspiration und Vorbilder sind super", so die Österreicherin. "Aber die eigenen Fortschritte lassen sich besser messen, wenn man das Ergebnis mit dem Vortag vergleicht." Baumann macht Anfängern ebenfalls Mut: "Wir alle haben schreiben gelernt - also können wir auch Handlettering lernen." (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie