Auslandsreise von Franziskus

Papst ruft zu mehr Solidarität auf

Am zweiten Tag seines Slowakei-Besuchs hat Papst Franziskus mehr Solidarität und Geschwisterlichkeit angemahnt, von der Kirche eine größere Kreativität gefordert und gleichzeitig vor Geschichtsvergessenheit gewarnt.

Papst Franziskus spricht bei dem Besuch des Bethlehem-Zentrums in Bratislava. © Paul Haring/CNS photo/KNA

Bratislava/Bonn – Am Montagmorgen wurde der Papst von der slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova in ihrem Amtssitz in der Hauptstadt Bratislava empfangen. Nach einem privaten Gespräch mit der Präsidentin sprach Franziskus im Garten des Präsidentenpalastes vor Vertretern aus Politik, Diplomatie, Zivilgesellschaft und Religion. Dabei hob er die Wichtigkeit von Solidarität und Geschwisterlichkeit für die Überwindung der Pandemie hervor. Dafür reichten das Konjunkturpaket der EU und der damit erhoffte wirtschaftliche Aufschwung aus seiner Sicht nicht aus.

"Viele, viel zu viele in Europa", sagte Franziskus, "schleppen sich müde und frustriert voran" und stünden durch Hektik unter Stress, ohne Motivation und Hoffnung schöpfen zu können. "Die mangelnde Zutat", so der Papst weiter, "ist die Sorge um die anderen. Sich für jemanden verantwortlich zu fühlen, gibt dem Leben Würze."

Kirche braucht mehr Freiheiten

Im Anschluss reiste der Papst zu einem Treffen mit Geistlichen in der Martins-Kathedrale von Bratislava. In seiner Rede vor Bischöfen, Priestern und Ordensleuten rief der dazu auf, der Kirche mehr Freiheit zu geben und kreativ zu sein. Wenn die Kirche "keinen Raum für das Abenteuer der Freiheit lässt, auch nicht im geistlichen Leben", warnte der Papst, laufe sie "Gefahr, zu einem starren und abgeschlossenen Ort zu werden". Daher sei Kreativität verlangt, um vor allem jüngeren Generationen wieder den Glauben verkündigen zu können.

Am Nachmittag besuchte Franziskus ein von Mutter-Teresa-Schwestern geleitetes Sozialzentrum im Stadtteil Petrzalka. Nach einer Besichtigung der Einrichtung dankte er den Ordensfrauen für ihre Arbeit. "Auch wenn Gott nicht sichtbar ist, so ist er uns doch immer nahe, besonders in den schwierigen Momenten", so der Papst zu den anwesenden Gästen

Papst verurteilt Antisemitismus

Danach kam es zu einer Begegnung mit der jüdischen Gemeinde am historischen Fischplatz (Rybne namestie) in der Altstadt von Bratislava. Dort stand bis 1969, in direkter Nachbarschaft zur katholischen Kathedrale, die jüdische Synagoge. In seiner Rede erteilte der Papst dem Antisemitismus erneut eine scharfe Absage. Es fehle nicht "an leeren und falschen Götzen, die den Namen des Höchsten verunehren". Neben Gleichgültigkeit oder der Manipulation von Religion nannte das Kirchenoberhaupt "das Vergessen der Vergangenheit, Unkenntnis, die alles rechtfertigt, die Wut und den Hass".

Zuletzt empfing Franziskus Parlamentspräsident Boris Kollar und Ministerpräsident Eduard Heger in der Apostolischen Nuntiatur. Über Inhalte der getrennten Gespräche teilte der Vatikan zunächst keine Einzelheiten mit.

Der Papst war am Sonntag in der Slowakei angekommen, nachdem er zuvor in Budapest dem Abschlussgottesdienst des 52. Eucharistischen Kongresses beigewohnt hatte. Am Abend hatte er sich zu einem rund eineinhalbstündigen Gespräch mit Mitgliedern des Jesuiten-Ordens getroffen. Am Dienstagmorgen wird Franziskus in die Ostslowakische Metropole Kosice fliegen und dort unter anderem mit Mitgliedern der Roma-Gemeinschaft im Stadtteil Lunik IX zusammenkommen. (kna)