Migration und Flüchtlinge

Ordensleuten wird wegen Kirchenasyl der Prozess gemacht

Seit Jahren gehen bayerische Staatsanwälte gegen Kirchenleute wegen der Gewährung von Kirchenasyl vor. Innerhalb weniger Wochen findet der zweite Prozess gegen Ordensleute statt. Der erste endete mit einem Freispruch.

Kirchenleute mussten sich wegen der Gewährung von Kirchenasyl vor Gericht verantworten. © Brian Jackson - stock.adobe.com

Würzburg – Die beiden Frauen lebten auf der Straße und mussten sich prostituieren, um zu überleben - in Italien. Den Nigerianerinnen gelang zwar die Flucht nach Deutschland, sie hätten aber wieder zurückgeschickt werden sollen. So sieht es das europäische Asylrecht vor. Schwester Juliana Seelmann und die Oberzeller Franziskanerinnen haben das durch Kirchenasyl verhindert. Deshalb muss sich die Ordensfrau am kommenden Mittwoch vor dem Würzburger Amtsgericht verantworten. Es ist der zweite Fall innerhalb weniger Wochen in Bayern, bei dem Ordensleute auf der Anklagebank sitzen. Der erste Prozess endete mit einem Freispruch.

Aus christlicher Überzeugung heraus

"Ich konnte gar nicht anders", sagt Schwester Juliana vor der Hauptverhandlung. "Aus unserer Sicht wären beide Frauen bei einer Rückkehr nach Italien in sehr großer Gefahr gewesen, erneut Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu werden." Die 38-jährige Ordensfrau verweist auf ihre christlichen Überzeugungen. Die Anfrage für die beiden Kirchenasyle in den Jahren 2019 und 2020, wegen derer der Schwester nun der Prozess gemacht wird, kam über den Verein SOLWODI. Die internationale Menschenrechts- und Hilfsorganisation berät und betreut Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Zuvor hatte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg es abgelehnt, den beiden Nigerianerinnen im Alter von 23 und 34 Jahren ein Asylverfahren in Deutschland zu gewähren. Nachdem sie erstmals innerhalb der Europäischen Union (EU) in Italien registriert wurden, ist dieses Land auch für das Verfahren zuständig. Das regelt die Dublin-Verordnung.

Alle Regeln wurden eingehalten

"Wir wägen jeden einzelnen Fall ganz genau ab und gewähren Kirchenasyl nur in schwerwiegenden Härtefällen", sagt Generaloberin Schwester Katharina Ganz. Zudem halte man sich an die Regeln, die Kirchen und Staat für das Kirchenasyl 2015 vereinbart hatten. Dazu gehört, dass die Behörden solche Fälle gemeldet bekommen und über das Katholische Büro in Bayern geprüft werde, ob es sich um einen Härtefall handele, der dem Bamf erneut zur Entscheidung vorgelegt werde.

Das war auch im Fall der beiden Frauen so. Die Nürnberger Behörde entschied aber wiederum negativ. Schwester Juliana blieb in Absprache mit dem Katholischen Büro und der Oberzeller Generalleitung trotzdem dabei: Die beiden Frauen sollen nicht zurück nach Italien müssen, das Kirchenasyl wird aufrecht erhalten, bis sie Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland haben - in der Regel sechs Monate später.

Entscheidung mit "Signalwirkung"

Dies traf genauso auf einen Fall von Kirchenasyl in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach im vergangenen Jahr zu. Im Mittelpunkt stand ein im Gazastreifen geborener junger Mann, der nach Rumänien zurück sollte. Auch hier wurde gegen den verantwortlichen Ordensmann, Bruder Abraham Sauer, ermittelt. Einen Strafbefehl lehnte die Richterin am Amtsgericht Kitzingen jedoch ab. Am 26. April kam zur Verhandlung, der ersten dieser Art in Bayern. Sie endete mit einem Freispruch. Bruder Abraham habe zwar eine Straftat begangen, jedoch ohne Schuld gehandelt. Denn er habe aufgrund seines Glaubens gehandelt. Und die Gewissens- und Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz geschützt.

Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft Würzburg Rechtsmittel einlegen will. Der Anwalt des Mönchs, Franz Bethäuser, sprach trotzdem von einer Entscheidung mit "Signalwirkung". Er wird auch Schwester Juliana verteidigen.

Der Würzburger Bischof Franz Jung führte gleichfalls den Richterspruch aus Kitzingen an, als er am Mittwoch seine Solidarität mit der Ordensfrau erklärte. "Das Kirchenasyl legt die besonderen humanitären Härten im Rahmen des europäischen Asylsystems offen", sagte der Bischof. "Schwester Juliana hat aus tiefster christlicher Überzeugung gehandelt und zwei Frauen in Not vor Obdachlosigkeit und vor allem erneuter Zwangsprostitution geschützt." Eine von ihnen hat mittlerweile ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Bei der anderen steht die Entscheidung noch aus. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Flucht & Asyl