Turmsegen vom Alten Peter

Nachgeholte Neujahrswünsche vom Kirchturm

Weit im neuen Jahr nutzten Studierende das Angebot der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG), auf dem Kirchturm des Alten Peters für Freunde und Angehörige zu beten.

Blick vom Alten Peter in München © IMAGO / Heinz Gebhardt

Klirrend kalt ist es, während Maria Anna Möst auf die restlichen Teilnehmer ihrer Gruppe wartet. Eine Handvoll junger Erwachsener hat sich schon um die Frau im orangegrauen Daunenmantel versammelt. Der Rest stecke noch im S-Bahnchaos, weiß ein junger Mann mit Brille und Wollmütze. Wenige Minuten später bewegt sich der Tross Nachzügler zielstrebig auf die kleine Gruppe um Möst zu. Sie sind leicht zu finden, sind es doch die einzigen, die bei den eisigen Temperaturen auf dem zugigen Plätzchen vor Münchens ältester Pfarrkirche stehen. Die wenigen anderen Passanten an diesem frühen Abend eilen auf der Suche nach wärmeren Gefilden vorbei. Vor ein paar Tagen noch ist man sich hier in der Fußgängerzone gegenseitig auf die Zehen gestiegen, jetzt ist sie fast leer. Der Christkindlmarkt ist abgebaut, die Geschenke umgetauscht und Überreste der Silvesternacht wurden von den städtischen Abfallbetrieben schon lange wieder eingesammelt. Trotzdem hat sich die Gruppe hier versammelt, um nochmal Neujahrswünsche loszuwerden – rund zwei Wochen nach Silvester.

Das in der Silvesternacht Verpasste nachholen

„Wir wollen vom Turm zu den Menschen schauen, die uns wichtig sind und ihnen gutes wünschen“, erklärt Möst den rund zwölf Teilnehmenden. Möst ist Seelsorgerin an der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) der LMU. Den „Turmsegen“ von St. Peter hat sie selbst als Studentin bei den Jesuiten kennen gelernt. „Als ich selbst Seelsorgerin an der Uni wurde, wollte ich das unbedingt fortsetzen.“ Das lateinische Wort für Segnen „benedicere“ bedeutet übersetzt so viel wie Gutes sagen – also genau das, was man an Silvester um 12 Uhr macht, wenn man mit Freunden und Familie auf das neue Jahr anstößt. Doch wie das so ist: Zwischen Sekt entkorken und Raketen anzünden, werden meist nur diejenigen mit Neujahrswünschen bedacht, die unmittelbar mit einem feiern. Den Großteil der Verwandten und Freunde, die andernorts leben und feiern, gehen leer aus und am Neujahrsmorgen mischt sich dann der Kater mit dem schlechten Gewissen, die Großeltern nicht erreicht zu haben. 

Ein Segen reicht bis Indonesien

306 Stufen später steht Mösts Gruppe auf der Aussichtsplattform des Alten Peters 56 Meter über dem Marienplatz. Johannes Schmelz ist schon zum zweiten Mal mit dabei. „Mir gefällt daran, an wie viele Menschen man denkt, wenn man einfach in eine bestimmte Himmelsrichtung schaut.“ Besonders lang bleibt der angehende Maschinenbauingenieur auf der Ostseite der Balustrade stehen. Durch die Dunst- und Nebelglocke, die über der Stadt liegt, kann man noch nicht mal die knapp 800 Meter bis zum Deutschen Museum sehen. Dafür fällt es Schmelz mit ein bisschen Fantasie umso leichter, in dieser Blickrichtung an seine Schwester zu denken. „Die ist letzte Woche nach Indonesien gezogen.“ Knapp 12.000 Kilometer entfernt vom Alten Peter.

Turmgebet gegen Heimweh

Auf allen vier Seiten haben sich die KHG-Studenten auf dem Rundgang verteilt, um zu beten. Außer ihnen hat sich kaum ein Besucher auf die windige Aussichtsplattform verirrt. Das tonnenschwere Geläut ein paar Stufen darunter ruft derweil die Gläubigen zur Abendmesse und lässt den Turm leicht schwanken. Auf der Westseite schaut Ida Heindel in die diffus beleuchtete Altstadt. Dass sie bei ihrem ersten Besuch auf einem der schönsten Aussichtspunkte der Stadt so gut wie nichts sieht, stört die 24-Jährige nicht. „Ich finde es richtig schön, weil man sich dadurch umso mehr auf die Menschen konzentrieren kann, an die man denkt.“ Für die Verlagspraxisstudentin sind das ihre Familie und Freunde in ihrer Heimat, dem Ostalbkreis – gleich hinter dem Nebel. 

Nach 20 Minuten versammelt sich die Gruppe um Möst wieder in der Turmwächterstube. Von hier achtete der Feuerwächter der Stadt bis 1936 auf die Bürger Münchens und warnte vor Bränden. Jetzt legen die KHG-Studenten ihre Bitte an Gott, auf ihre Freunde und Verwandten zu achten, in ein letztes Gebet und einen gesungenen Segen. „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unseren Wegen.“

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de