Umfahrt und Pferdesegnung

Leonhardiwallfahrt mit Stute Bluna

Die Vorbereitungen zur traditionellen Pferdewallfahrt nach Siegertsbrunn laufen auf Hochtouren. Haflingerstute Bluna wird das Leitpferd für einen Wagen sein, auf dem ein ganzer Kindergarten sitzt.

Anna Strohmeier bereitet Haflingerstute Bluna auf die Wallfahrt vor. © SMB/Bierl

Siegertsbrunn – Bluna ist ruhig und routiniert. Fährt einmal ein Auto knapp an ihr vorüber, geht sie nicht durch. Anna Strohmeier war dabei, als die heute 22-jährige Haflingerstute auf die Welt gekommen ist. Bluna ist das Leitpferd, wenn sie den reich geschmückten Wagen für die Leonhardifahrt nach Siegertsbrunn anspannt, auf dem ein ganzer Kindergarten sitzt. Vier Rösser müssen ihn ziehen und Bluna gibt den Schritt vor.

Bevor die Umfahrt um die Kirche am Sonntagvormittag startet, ist Strohmeier schon stundenlang auf den Beinen. Seit Generationen ist die Familie der 35-jährigen Landschaftsgärtnerin dabei, wenn es zum „Lehards“, also zur Leonhardifahrt geht. Sechs Haflinger aus eigener Zucht stehen bei den Strohmeiers im Stall, alle gut durchtrainiert, denn sie spannen die Tiere regelmäßig zu Kutschenfahrten ein. Die Rösser brauchen in den Wochen vor der Wallfahrt also keine eigenen Übungseinheiten. In den Tagen davor herrscht in den Ställen, der Sattel- und Geschirrkammer trotzdem Hochbetrieb.

Sauber von Kopf bis Fuß

Am Samstag wäscht Strohmeier mit ihrer Familie die Tiere: „So richtig mit Shampoo, damit das Fell weich ist und alle Fliegen aus der Mähne und dem Schweif herausgewaschen sind.“ Denn in die flicht sie Zöpfe und Muster, „ein bisschen rastamäßig“. Ebenso poliert sie die Hufe, „die Pferde sollen ja von Kopf bis Fuß sauber ausschauen“. Zuvor hat die Mutter zweier Kinder schon das Sattelzeug und das Geschirr durchgesehen und nachgefettet, damit es glänzt. In den mit gestickten Edelweißblumen und anderen Mustern geschmückten Satteldecken ist nicht das winzigste Löchlein zu finden.

"Glänzende Kinderaugen"

„Eine komplette Ausstattung für ein Pferd ist unter 2.000 Euro kaum zu haben“, erklärt Strohmeier. Die Glocken, die sie vom Haken holt und den Haflingern bei Festfahrten umhängt, sind da noch nicht eingerechnet. Das meiste habe schon ihr Vater über die vergangenen Jahrzehnte angeschafft. Ihre sechs Haflinger sind als Zug- und Reittiere nicht nur bei der Leonhardifahrt nach Siegertsbrunn dabei. Für die Strohmeiers, die im benachbarten Brunnthal wohnen, ist dieser Festtag wegen der langen Familientradition dennoch etwas Besonderes. „Und wenn wir die Kinder vom Ort in der Tracht und mit glänzenden Augen auf unserem Wagen sehen, dann merken wir jedes Mal, dass sich die Mühe lohnt.“

Pferde und Motorfahrzeuge

Als Strohmeier das sagt, leuchten auch ihre Augen auf. Dabei war in den 1960er Jahren nicht klar, ob die Pferdewallfahrt nach Siegertsbrunn sich behaupten würde. „Damals hatten wir drei Vorreiter, ansonsten waren nur noch Bulldogs, Autos und Motorräder dabei, alle wunderbar mit Blumen und Girlanden geschmückt“, erinnert sich Hans Loidl. Auch bei ihm ist der Lehards eine Familienangelegenheit. Der 76-Jährige ist Vorsitzender des Leonhardi-Komitees, der die Wallfahrt organisiert. Schon sein Vater hatte dieses Ehrenamt inne. Sein Opa zimmerte die Buden zusammen, in denen vor dem Zweiten Weltkrieg fliegende Händler ihre Waren zu Leonhardi anboten.

Trotz ihrer langen Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht, ist die Wallfahrt zur Siegertsbrunner Leonhardikirche erst seit 1905 organisiert und auf einen bestimmten Tag festgelegt, auf den Sonntag nach dem 8. Juli. Schon am Samstag um 5 Uhr läuten die Glocken das Fest ein und Mitglieder des Festkomitees stehen mit dem Fernglas auf dem Kirchturm. Denn die meisten Wallfahrergruppen treffen einen Tag vorher ein und jede bekommt einen eigenen Empfang. Sobald die Pilger in Sichtweite sind, läutet ein Mann die große Glocke der Siegertsbrunner Kirche mit der Hand, zwei andere schlagen, ebenfalls mit ihren Händen, die Klöppel an die kleinen Glocken.

Gänsehaut und Tränen

Loidl hat den Klang seit Jahrzehnten im Ohr: „Das ist ein ganz unvergleichlicher Rhythmus.“ Gleichzeitig mit dem Glockenläuten schickt das Festkomitee vom Turm aus den Wallfahrern eine kleine Fahnenabordnung entgegen. „Mir erzählen viele Leute, wie es ihnen da eine Gänsehaut den Rücken hinunterjagt und ihnen die Tränen kommen“, sagt Loidl. Bis zu 40 Festwagen erwartet er in diesem Jahr wieder, rund 150 Pferde sind insgesamt dabei, manche müssen keine Wagen ziehen, sondern nur einen Reiter tragen.

Mehr als nur schöne Bilder

Die Befürchtung, dass eines Tages der Lehards nur noch aus motorisierten Pilgern besteht, ist längst vorbei. Es ist eine prachtvolle Rösserparade, für die Anna Strohmeier ihre Haflinger herausputzt. Natürlich freut sie sich über das schöne Bild, wenn die Pferde dreimal um die Siegertsbrunner Kirche ziehen, mit der Alpenkette im Hintergrund, wenn das Wetter klar ist. Es geht ihr aber um viel mehr. „Mir ist der Segen für Menschen und Tiere wichtig, dass wir wissen, wir sind nicht ganz alleine, der heilige Leonhard ist für uns ein Fürsprecher und Beschützer.“ Daran denkt sie insbesondere, wenn es gefährlich wird: „Unser Zug wird immer wieder einmal von Autofahrern überholt, die die Länge des Zuges unterschätzen und ganz knapp vor den Pferden einscheren.“ Natürlich verlässt sie sich da auch auf ihre Bluna, die links vorne als Leitpferd den Wagen zieht und die anderen Tiere anführt.

Sie wiehert laut, als Strohmeier den Riegel ihrer Stalltür öffnet und ihr den Kopf streichelt. Natürlich nicht vor Aufregung, sondern vor Freude, dass sie jetzt mit den anderen Tieren auf die Weide zum Fressen darf. Und Strohmeier muss dann ins Haus, um mit ihrer Familie die Dirndl, Trachtenanzüge und Reiterkostüme aus den Schränken zu holen und gegebenenfalls aufzubügeln. Denn schließlich wollen ja nicht nur die Haflinger bei der Leonhardifahrt fesch sein.

Der Festgottesdienst in der Siegertsbrunner Leonhardikirche (Leonhardistraße 7) beginnt am Sonntag, 9. Juli, um 9 Uhr. Anschließend Umfahrt und Pferdesegnung. Um 12.15 Uhr lädt die Pfarrei die Kinder zu einem Wortgottesdienst ein.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de