Seelsorge an Kurorten

Kuraufenthalte regen zum Nachdenken über das eigene Leben an

Eine eigene Kurseelsorge gibt es nicht mehr. Für Gäste gibt es dennoch ein geistliches Angebot. Erstellt wird es beispielsweise von Peter Förg. Der Pastoralreferent ist Krankenhausseelsorger in Freilassing, Bad Reichenhall und Traunstein.

Kuraufenthalte können dazu anregen über das eigene Leben nachzudenken. © ARochau - stock.adobe.com

mk online: Eine eigene Kurseelsorge gibt es in der Erzdiözese nicht mehr. Diese ist heute sozusagen auf verschiedene unterschiedliche Seelsorgebereiche aufgeteilt worden. Wie kam es zu dieser Entwicklung und wie hat man sich die Aufgabenverteilung in der Praxis vorzustellen?

Peter Förg: Die Verantwortlichen in unserer Diözese haben in einem längeren Prozess überlegt, wie Seelsorge in unserer Zeit ausschauen könnte. Dabei war zu berücksichtigen, dass bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent weniger Seelsorger zur Verfügung stehen werden. Gleichzeitig aber verändert sich die Seelsorge weiter, es gibt neue Herausforderungen: Größere Pfarrverbände und Seelsorgeeinheiten, aber auch eine wachsende Distanzierung vieler Menschen von der Kirche. Dabei ist klar: nur durch die Qualität ihrer Seelsorge kann die Kirche noch überzeugen. Die Sendung unserer Kirche steht und fällt damit, wie sie ihren Seelsorgeauftrag in unserer Zeit erfüllt. Glaubwürdige Seelsorge zeichnet sich dadurch aus, dass der Mensch als individuelle Person oder als Teil einer Gruppe im Mittelpunkt steht. Deshalb wurden Schwerpunkte in unserer Diözese neu gesetzt, unter anderem auf sogenannte Themenfelder: Jugendpastoral, Seniorenpastoral, Krankenpastoral und weil wir eine Urlaubsregion sind, ist auch die Tourismusseelsorge ein Schwerpunkt. Die Neuausrichtung führt zu einer stärkeren Vernetzung der Seelsorge in einem Sozialraum - zu den Wirklichkeiten und Bedürfnissen aller Menschen, die an einem Ort leben. Daraus folgt, dass es die Kurseelsorge als eine eigene Stelle nicht mehr gibt, aber dass sich weiterhin Seelsorger aus den verschiedenen Bereichen um die Menschen in der besonderen Situation einer Kur bemühen. Als Seelsorger in der Krankenpastoral habe ich eine besondere Sensibilität für die Lebenssituation von Menschen, die hier sind, um eine Krankheit zu bewältigen. Zusammen mit den Seelsorgern aus der Pfarrgemeinde, aus der Tourismuspastoral und je nach Situation vor Ort, dann auch aus der Senioren- und Jugendpastoral und in ökumenischer Zusammenarbeit entsteht ein gemeinsames Angebot (Netzwerk) für Kurgäste.

Sie selbst sind langjähriger Klinikseelsorger. Wo sind Sie überall im Einsatz und was fällt alles in Ihre Aufgabenbereiche?

Förg: Als Klinikseelsorger begleite und besuche ich Patienten und ihre Angehörigen im Krankenhaus und darüber auch, wenn sie es wünschen, zuhause. Seit April 2021 bin ich Leiter der Krankenpastoral im Landkreis Traunstein und somit nicht nur in der Klinik für die Kranken da, sondern nehme, und das entwickelt sich mehr und mehr, auch weitere Einrichtungen für Kranke im Landkreis (Sozialraum) in den Blick. So gibt es bei uns im Landkreis weitere Kliniken in Trostberg, in Fridolfing, in Ruhpolding und auch Rehaeinrichtungen, wie etwa die Chiemgauklinik in Marquartstein oder das Haus Regenbogen für psychisch Kranke in Ruhpolding und weitere Einrichtungen an mehreren Orten. Es gibt viele Gruppen, etwa das Netzwerk Hospiz oder die Kreuzbundgruppen für Menschen mit Suchtproblemen. Hier kann ich nicht überall gleich intensiv da sein, oftmals kann ich nur lockeren Kontakt anbieten und Netzwerke entwickeln. Ich kann zusammen mit anderen Seelsorgern Schwerpunkte setzen und auch blinde Flecken entdecken, wo kirchliches Engagement fehlt.
In einer Kirche der Zukunft wird vieles nicht mehr von hauptamtlichen Seelsorgern, sondern von ehrenamtlichen Seelsorgern geleistet werden müssen. Ein wichtiges Feld ist darum die Qualifizierung von ehrenamtlichen Seelsorgern für Besuchsdienste in verschiedensten Einrichtungen und auch bei Kranken in der Pfarrgemeinde. Zusammen mit der Kollegin aus der Seniorenpastoral und dem Katholischen Kreisbildungswerk biete ich solche Kurse an. Fas Interesse dafür ist erfreulicherweise sehr groß.

Peter Förg


Peter Förg ist Pastoralreferent und arbeitet seit 2010 als Krankenhausseelsorger in Freilassing, Bad Reichenhall und Traunstein. Er leitet das Themenfeld Krankenpastoral im Landkreis Traunstein. Wir haben mit ihm über die seelsorgliche Betreuung von Kurgästen gesprochen.

 

In vielen Köpfen gibt es noch immer die leicht romantischen Vorstellungen vom etwas unterbeschäftigten Kurgast, der Ablenkung und Zerstreuung sucht und dem hierbei auch die Kurseelsorge durch religiöse Vorträge oder ähnliche Angebote willkommene Abwechslung liefert. Haben die Patienten in heutiger Zeit überhaupt noch gesteigertes Interesse an religiösen und spirituellen Angeboten?

Förg: Den unterbeschäftigen Kurgast wie er etwa bei Thomas Mann in seinem wunderbaren Roman „Der Zauberberg“ geschildert wird, hat es wohl eher selten gegeben. Aber gerade in diesem Roman wird auch deutlich, wie sehr ein Mensch in dieser Situation auf sich selbst zurückgeworfen ist und nach Gesprächspartnern und Partnerinnen sucht.
Die Kurgäste heute, das sind Patientinnen und Patienten- Menschen mit einer chronischen Krankheit, ebenso wie Patientinnen und Patienten in der Rehabilitation, in Anschlussheilbehandlungen, sowie auch bei präventiven Maßnahmen (z. B. Mutter-Kind-Kuren). Gemeinsam ist Ihnen das Erleben in einem meist wohnortfernen, aber touristisch sehr ansprechendem Kurort. Sie sind in einer besonderen Situation, die oft zum Nachdenken über sich selbst, den bisherigen Lebensweg, die familiären und sozialen Lebensbedingungen und die persönlichen Verhaltensweisen führt. Was war und ist mir wichtig im Leben? Wie verändert die Krankheit mein Leben? Welche Einschränkungen bleiben und welchen Sinn hat mein Leben. Was hat mich bisher getragen und was trägt mich weiterhin? Das sind spirituelle Fragen. Seelsorge soll diesen Fragen Raum und Ausdruck geben, sie zulassen ohne gleich Antworten parat zu haben. In diesem Fragen will ich Antworten suchen helfen, auf eine der Situation angemessene Weise durch Gespräche, in Gesten, in Symbol- und Segenshandlungen, durch die Begegnung mit der Bibel, in Gottesdiensten.

Was wollen Sie und Ihre KollegInnen die Menschen in den Kliniken und Reha-Zentren in Ihrer Arbeit vor allem vermitteln?

Förg: Wir sind von unserer Kirche beauftragt, Zeit zu haben und uns Zeit zu nehmen für Reha-PatientInnen, Kurgäste und Urlauber. Das heißt konkret: Ich höre zu und zeige Verständnis für die vielfältigen Herausforderungen, die Krankheit und das Leben einem Menschen heute stellen und sage damit „Ich sehe Dich in deiner Lebenssituation.“ Ich bezeuge damit den Gott der Bibel, der das auch immer wieder tut. Abrahams Nebenfrau Hagar, die eine sehr kritische Situation zu bewältigen hat, erlebt Gott und fasst dieses Gotteserfahrung zusammen mit den Worten: „Du bist El-Roi- Gott schaut auf mich.“ (Gen 16, 13b.) Ich möchte den Patientinnen und Patienten Vertrauen und Zuversicht mitgeben. Dann kann daraus eine Hoffnung werden. Gott ist gerade in schwierigen Situationen mein Begleiter. Er befreit mich zwar nicht unbedingt von Krankheit und Schmerz, aber er trägt sie mit mir. Spürbar durch viele andere Menschen und den unsichtbaren, aber mitgehenden Gott, den uns Jesus Christus in der Tradition des Ersten oder Alten Testaments verkündet. (Das Interview führte Florian Ertl, stv. Chefredakteur der Münchner Kirchenzeitung)